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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Diese wesentliche Eigenschaft, daß es nothwendiger Vorschuß sei, hat dem
Capital auch sein gelehrtester und fanatischster Gegner, Marx, lassen müssen.
Ohne Vorschuß, das führt ferner Lasalle in dem Büchlein. "Capital und Arbeit"
treffend aus. kann zwar etwa ein Indianer-, aber kein moderner Arbeiterstaat
gedacht werden.

An dieser Eigenschaft des Capitals kann selbstverständlich Anzahl und
Name seiner Besitzer nichts ändern. Einerlei, ob es sich um Tausend, oder
um einen einzigen Kapitalisten handelt, ob die Eigenthümer Müller, Schulze
genannt werden, oder ob der Eigenthümer Staat heißt: immer wird das
Capital den nothwendigen Vorschuß für zu leistende Arbeit darstellen.

Auch würde für die Tausend gerade so, wie für den Einen die Noth¬
wendigkeit gegeben sein, daß die wachsende Produktion den wachsenden
Vorschuß zur Voraussetzung hat. Wenn eine Eisenbahn von einer Meile
Länge hergestellt werden soll, so ist ein Actiencapital (Vorschuß) von -- sagen
wir -- einer Million erforderlich. Soll hernach die Eisenbahn 10 Meilen
weiter gebaut werden, so bedarf es eines größeren Actiencapitals (Vorschusses.)

Das Alles ist wohl sonnenklar.

Gesetzt nun, man begänne die allgemeine Staatsproduction und damit
die Vertheilung des vollen Ergebnisses der Production, des Arbeitsertrags.
Was würde Ricardo's ehernes Gesetz antworten?

Daß der Arbeitsertrag gegenwärtig mehr, als der Arbeitslohn sei!
Daß dies Mehr über den nothdürftigen landesüblichen Lebensunterhalt
hinausgehe! Daß jedes Mehr über den nothdürftigen Lebensunterhalt die
Vermehrung der Bevölkerung, mithin des Angebots von Arbeitskräften, zur
Folge habe!

In Kurzem würde die größere Bevölkerung eine entsprechende größere
Production verlangen. Woher sollte aber der, der größeren Production --
wie wir oben gesehen haben -- entsprechende größere Vorschuß kommen,
da ja der Arbeitsertrag verausgabt, das Capital, der Vorschuß, mithin
nicht vermehrt worden wäre?

In Kurzem würde also dem gleichbleibenden Arbeitsertrag ein gewachsener
und weiter wachsender Divisor gegenüberstehen. Der Antheil, der auf den
Einzelnen käme, würde kleiner werden und dieser Prozeß müßte selbstverständ¬
lich so lange fortdauern, bis der Einzelantheil an dem gleichbleibenden Ge-
scunmtarbeitsertrag nicht mehr, als den landesüblichen, nothdürftigen Lebens¬
unterhalt decken würde. Denn erst dann würde die Bevölkerung, nach Ricardo,
aufhören zu wachsen, der Divisor für den gleichbleibenden Gesammtarbeitser-
trag aufhören, größer zu werden. Setzen wir, der Gesammtarbeitsertrag im
Jahre sei L0 Milliarden Thaler, die Zahl der sich darein theilenden Arbeiter
sei 100 Millionen, so käme auf Einen 500 Thaler. Der nothdürftige Unter-


Diese wesentliche Eigenschaft, daß es nothwendiger Vorschuß sei, hat dem
Capital auch sein gelehrtester und fanatischster Gegner, Marx, lassen müssen.
Ohne Vorschuß, das führt ferner Lasalle in dem Büchlein. „Capital und Arbeit"
treffend aus. kann zwar etwa ein Indianer-, aber kein moderner Arbeiterstaat
gedacht werden.

An dieser Eigenschaft des Capitals kann selbstverständlich Anzahl und
Name seiner Besitzer nichts ändern. Einerlei, ob es sich um Tausend, oder
um einen einzigen Kapitalisten handelt, ob die Eigenthümer Müller, Schulze
genannt werden, oder ob der Eigenthümer Staat heißt: immer wird das
Capital den nothwendigen Vorschuß für zu leistende Arbeit darstellen.

Auch würde für die Tausend gerade so, wie für den Einen die Noth¬
wendigkeit gegeben sein, daß die wachsende Produktion den wachsenden
Vorschuß zur Voraussetzung hat. Wenn eine Eisenbahn von einer Meile
Länge hergestellt werden soll, so ist ein Actiencapital (Vorschuß) von — sagen
wir — einer Million erforderlich. Soll hernach die Eisenbahn 10 Meilen
weiter gebaut werden, so bedarf es eines größeren Actiencapitals (Vorschusses.)

Das Alles ist wohl sonnenklar.

Gesetzt nun, man begänne die allgemeine Staatsproduction und damit
die Vertheilung des vollen Ergebnisses der Production, des Arbeitsertrags.
Was würde Ricardo's ehernes Gesetz antworten?

Daß der Arbeitsertrag gegenwärtig mehr, als der Arbeitslohn sei!
Daß dies Mehr über den nothdürftigen landesüblichen Lebensunterhalt
hinausgehe! Daß jedes Mehr über den nothdürftigen Lebensunterhalt die
Vermehrung der Bevölkerung, mithin des Angebots von Arbeitskräften, zur
Folge habe!

In Kurzem würde die größere Bevölkerung eine entsprechende größere
Production verlangen. Woher sollte aber der, der größeren Production —
wie wir oben gesehen haben — entsprechende größere Vorschuß kommen,
da ja der Arbeitsertrag verausgabt, das Capital, der Vorschuß, mithin
nicht vermehrt worden wäre?

In Kurzem würde also dem gleichbleibenden Arbeitsertrag ein gewachsener
und weiter wachsender Divisor gegenüberstehen. Der Antheil, der auf den
Einzelnen käme, würde kleiner werden und dieser Prozeß müßte selbstverständ¬
lich so lange fortdauern, bis der Einzelantheil an dem gleichbleibenden Ge-
scunmtarbeitsertrag nicht mehr, als den landesüblichen, nothdürftigen Lebens¬
unterhalt decken würde. Denn erst dann würde die Bevölkerung, nach Ricardo,
aufhören zu wachsen, der Divisor für den gleichbleibenden Gesammtarbeitser-
trag aufhören, größer zu werden. Setzen wir, der Gesammtarbeitsertrag im
Jahre sei L0 Milliarden Thaler, die Zahl der sich darein theilenden Arbeiter
sei 100 Millionen, so käme auf Einen 500 Thaler. Der nothdürftige Unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/42>, abgerufen am 29.09.2024.