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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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König wurde. Unter diesem, dann auch unter Friedrich dem Ersten und Hein¬
rich dem Sechsten galt die Rotenburg als Mittelpunkt eines Güter' und Amts¬
sprengels, der mehrmals zur Ausstattung für jüngere Söhne des staufischen
Hauses verwandt wurde. Sie lieh einigemale einem Titelherzogthume den Na¬
men, das für diesen Nachwuchs geschaffen war. Vornehmlich durch jenen Fried-
rich, den Sohn Conrads des Dritten, der im August 1167 auf dem vierten
Welschlandzuge seines kaiserlichen Vetters, jung an Jahren und viel betrauert,
in Etrurien der Pest erlag, hat der Name eines Herzogs von Rotenburg Klang
gewonnen. Er verschwindet nach dem Jahre 1196, wo Herzog Conrad, der
Sohn Friedrichs des Ersten, starb. Der letzte König aus staufischen Geblüt,
Conrad der Vierte, mußte in einer der trübsten Epochen deutscher Geschichte,
im Jahre nach dem Tode Friedrichs des Zweiten, auch Rotenburg veräußern,
nachdem von dem großen territorialen Besitz der staufischen Könige, der aus
Hausgut, herzoglichen Domänen und Reichsgut vereinigt war, schon so manches Stück
in der bittern Noth verschleudert worden, um die gelichtete Partei festzuhalten --
Conrad der Vierte nämlich verpfändete im August 1231 die Stadt Rotenburg
nebst den dortigen Juden und ein nahes Dorf an Gottfried von Hohenlohe,
seinen treuen fränkischen Anhänger um 3000 Mark.

Denn nicht nur war bei der Burg bereits die. Stadt gleiches Namens bis
zu einem gewissen ansehnlichen Umfang erwachsen, der Umstand, daß in der
Urkunde Conrads die Stadt ohne die Burg erwähnt wird, zeigt auch, daß sie
schon als ein selbständiger Theil sich damals von derselben abgelöst haben mußte.
Wahrscheinlich hatte die höhere Bedeutung der Burg, des zeitweiligen Aufent¬
haltes staufischer Prinzen, und der glänzende Hofhalt, der durch einige Genera¬
tionen daselbst stattfand, bewirkt, daß neue Bewohner in größerer Anzahl zu¬
geflossen und eine Ausdehnung der ursprünglichen Ansiedelung verursacht hatten.
Noch heute läßt sich der erste Umfang der Stadt erkennen. Fast kreisförmig
lag sie im Osten der Burg, noch nicht mit ihr zusammenhängend, so daß die
Außenseite der äußersten Häuserreihe zugleich als Ringmauer diente, da wo das
Terrain nach dem Tauberthale sich zu neigen beginnt. In ihrem Umkreise stand
eine Kapelle, die als Filiale der Kirche des nahen Detwang angehörte und
durch diese dem Würzburger Bisthum. Aber schon bis zum Jahre 1204 war
die Erweiterung dieses Kerns so weit gediehen, daß an der Nord- und Nord¬
ostseite der heutige Umfang der Stadt bereits erreicht war. Nur an der Süd¬
seite fehlte dem jetzigen Zuge der Ringmauer gegenüber noch 'ein größeres
Stück, und im Nordwesten und gegen die Burg hin galt es noch, die Befesti-
gungslinie bis ganz an den Thalrand hinauszurücken. -- Aber während der-
gestalt die Stadt sich entwickelte, hatten auch die Verhältnisse der Burg sich
verändert. Die Staufer hatten schon im 12. Jahrhundert einen königlichen
Burgvogt eingesetzt, um die Reichsveste zu vertheidigen, das zu ihr gehörige


König wurde. Unter diesem, dann auch unter Friedrich dem Ersten und Hein¬
rich dem Sechsten galt die Rotenburg als Mittelpunkt eines Güter' und Amts¬
sprengels, der mehrmals zur Ausstattung für jüngere Söhne des staufischen
Hauses verwandt wurde. Sie lieh einigemale einem Titelherzogthume den Na¬
men, das für diesen Nachwuchs geschaffen war. Vornehmlich durch jenen Fried-
rich, den Sohn Conrads des Dritten, der im August 1167 auf dem vierten
Welschlandzuge seines kaiserlichen Vetters, jung an Jahren und viel betrauert,
in Etrurien der Pest erlag, hat der Name eines Herzogs von Rotenburg Klang
gewonnen. Er verschwindet nach dem Jahre 1196, wo Herzog Conrad, der
Sohn Friedrichs des Ersten, starb. Der letzte König aus staufischen Geblüt,
Conrad der Vierte, mußte in einer der trübsten Epochen deutscher Geschichte,
im Jahre nach dem Tode Friedrichs des Zweiten, auch Rotenburg veräußern,
nachdem von dem großen territorialen Besitz der staufischen Könige, der aus
Hausgut, herzoglichen Domänen und Reichsgut vereinigt war, schon so manches Stück
in der bittern Noth verschleudert worden, um die gelichtete Partei festzuhalten —
Conrad der Vierte nämlich verpfändete im August 1231 die Stadt Rotenburg
nebst den dortigen Juden und ein nahes Dorf an Gottfried von Hohenlohe,
seinen treuen fränkischen Anhänger um 3000 Mark.

Denn nicht nur war bei der Burg bereits die. Stadt gleiches Namens bis
zu einem gewissen ansehnlichen Umfang erwachsen, der Umstand, daß in der
Urkunde Conrads die Stadt ohne die Burg erwähnt wird, zeigt auch, daß sie
schon als ein selbständiger Theil sich damals von derselben abgelöst haben mußte.
Wahrscheinlich hatte die höhere Bedeutung der Burg, des zeitweiligen Aufent¬
haltes staufischer Prinzen, und der glänzende Hofhalt, der durch einige Genera¬
tionen daselbst stattfand, bewirkt, daß neue Bewohner in größerer Anzahl zu¬
geflossen und eine Ausdehnung der ursprünglichen Ansiedelung verursacht hatten.
Noch heute läßt sich der erste Umfang der Stadt erkennen. Fast kreisförmig
lag sie im Osten der Burg, noch nicht mit ihr zusammenhängend, so daß die
Außenseite der äußersten Häuserreihe zugleich als Ringmauer diente, da wo das
Terrain nach dem Tauberthale sich zu neigen beginnt. In ihrem Umkreise stand
eine Kapelle, die als Filiale der Kirche des nahen Detwang angehörte und
durch diese dem Würzburger Bisthum. Aber schon bis zum Jahre 1204 war
die Erweiterung dieses Kerns so weit gediehen, daß an der Nord- und Nord¬
ostseite der heutige Umfang der Stadt bereits erreicht war. Nur an der Süd¬
seite fehlte dem jetzigen Zuge der Ringmauer gegenüber noch 'ein größeres
Stück, und im Nordwesten und gegen die Burg hin galt es noch, die Befesti-
gungslinie bis ganz an den Thalrand hinauszurücken. — Aber während der-
gestalt die Stadt sich entwickelte, hatten auch die Verhältnisse der Burg sich
verändert. Die Staufer hatten schon im 12. Jahrhundert einen königlichen
Burgvogt eingesetzt, um die Reichsveste zu vertheidigen, das zu ihr gehörige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/57>, abgerufen am 29.09.2024.