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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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lassung gab, war an und für sich nicht erhebend. Mag die Verhandlung des
Budgets im Plenum des Abgeordnetenhauses immerhin durch Parteirücksichten
geboten worden sein, es läßt sich nicht leugnen, daß dieselbe einen wenig er¬
quicklichen Eindruck macht und für die mißgünstige Kritik der demokratischen
Presse ergiebiger ist, als für den Fortschritt und die> Entwickelung unseres par¬
lamentarischen Lebens. Ermüdung und Unaufmerksamkeit des Hauses sind die
unausbleiblichen Folgen einer Art der Geschäftbehandlung, die es selbst als
ihren Hauptzweck bezeichnet hat, möglichst rasch zu Ende zu kommen und
ihre Arbeiten vor Beginn des neuen Jahres zu beenden, ein Zweck, der --
beiläufig bemerkt -- nicht ein Mal erreicht worden ist. Die preußischen Partei-
Verhältnisse haben sich seit der Vergrößerung dieses Staats genugsam Veranden,
um die Gefahren beseitigt erscheinen zu lassen, welche bis zum Jcchre 1866 jede
Budgetberathung umgaben; seit man nicht mehr zu fürchten hat, die doctrinäre
Starrheit einer allmächtigen Demokratie werde in ihrer Abneigung gegen die Re¬
gierung jeden Budgctposten allein unter dem Gesichtspunkt der durch Streichung
desselben zu ermöglichenden Rcgicrungevcrlcgcnheit betrachten, sind auch die Gründe,
welche die Majorität des Landtags vom He>bst 1866 bewogen, den Staatshaus¬
halt nicht in einer Commission, sondern im Plenum zu berathen, unserer Ansicht
nach weggefallen. Will man sich den Umschwung der Verhältnisse, der seit dem
Sommer vorigen Jahres eingetreten ist, wahrhaft zu Nutz zu machen, so wird
man -- wie uns scheint -- zu dem früheren Modus zurückkehren und dadurch
den Gegnern den Beweis liefern müssen, man fürchte sie tut geschlossenen Thüren
ebenso wenig, wie Vor offenem Hause. Daß das Plenum nicht der geeignete
Ort für Behandlung von Detailfragen sei, hat sich bei mehr wie einer Ge¬
legenheit gezeigt. Wie viel fruchtbarer hätte z. B. die Debatte über die Be¬
willigungen für die Verwaltung der neuen Provinzen sein können, wenn sie
in einer Commission geführt worden wäre. Die wichtige Frage nach der künf¬
tigen Organisation Hannovers, Schleswig-Holsteins u. f. w. ist ungeachtet der
Betheiligung einer Reihe von hervorragenden Rednern so gut wie unbeantwortet
geblieben, und das Jntcrimisticum, welches Graf Eulenburg gegen die Meinung
der gründlichsten Sachkenner für nothwendig hielt, trotz der vom Abg. Laster
bewirkten Abzüge, durchgesetzt worden. Ueber die "Meinungen des Hauses" be¬
züglich der Grundsätze der Organisation in den neuen Provinzen wäre der
Minister des Innern in einer Commission sicher sehr viel vollständiger unter¬
richtet worden, als in einer Plenarsitzung, deren Interesse (nach der zutreffenden
Bemerkung des Abg. Windthorst) durch die Fractionsverhandlungcn Vorwegge¬
nommen worden war. Eine gleich günstige Gelegenheit zur Erörterung der
Schäden der Preußischen Kreis- und Provinzialversassung wird schwerlich sobald
wiederkehren, denn es ist mehr wie wahrscheinlich, daß die Organisation der
Verwaltung in den annectirten Previnzen binnen Jahr und Tag eine vollendete


lassung gab, war an und für sich nicht erhebend. Mag die Verhandlung des
Budgets im Plenum des Abgeordnetenhauses immerhin durch Parteirücksichten
geboten worden sein, es läßt sich nicht leugnen, daß dieselbe einen wenig er¬
quicklichen Eindruck macht und für die mißgünstige Kritik der demokratischen
Presse ergiebiger ist, als für den Fortschritt und die> Entwickelung unseres par¬
lamentarischen Lebens. Ermüdung und Unaufmerksamkeit des Hauses sind die
unausbleiblichen Folgen einer Art der Geschäftbehandlung, die es selbst als
ihren Hauptzweck bezeichnet hat, möglichst rasch zu Ende zu kommen und
ihre Arbeiten vor Beginn des neuen Jahres zu beenden, ein Zweck, der —
beiläufig bemerkt — nicht ein Mal erreicht worden ist. Die preußischen Partei-
Verhältnisse haben sich seit der Vergrößerung dieses Staats genugsam Veranden,
um die Gefahren beseitigt erscheinen zu lassen, welche bis zum Jcchre 1866 jede
Budgetberathung umgaben; seit man nicht mehr zu fürchten hat, die doctrinäre
Starrheit einer allmächtigen Demokratie werde in ihrer Abneigung gegen die Re¬
gierung jeden Budgctposten allein unter dem Gesichtspunkt der durch Streichung
desselben zu ermöglichenden Rcgicrungevcrlcgcnheit betrachten, sind auch die Gründe,
welche die Majorität des Landtags vom He>bst 1866 bewogen, den Staatshaus¬
halt nicht in einer Commission, sondern im Plenum zu berathen, unserer Ansicht
nach weggefallen. Will man sich den Umschwung der Verhältnisse, der seit dem
Sommer vorigen Jahres eingetreten ist, wahrhaft zu Nutz zu machen, so wird
man — wie uns scheint — zu dem früheren Modus zurückkehren und dadurch
den Gegnern den Beweis liefern müssen, man fürchte sie tut geschlossenen Thüren
ebenso wenig, wie Vor offenem Hause. Daß das Plenum nicht der geeignete
Ort für Behandlung von Detailfragen sei, hat sich bei mehr wie einer Ge¬
legenheit gezeigt. Wie viel fruchtbarer hätte z. B. die Debatte über die Be¬
willigungen für die Verwaltung der neuen Provinzen sein können, wenn sie
in einer Commission geführt worden wäre. Die wichtige Frage nach der künf¬
tigen Organisation Hannovers, Schleswig-Holsteins u. f. w. ist ungeachtet der
Betheiligung einer Reihe von hervorragenden Rednern so gut wie unbeantwortet
geblieben, und das Jntcrimisticum, welches Graf Eulenburg gegen die Meinung
der gründlichsten Sachkenner für nothwendig hielt, trotz der vom Abg. Laster
bewirkten Abzüge, durchgesetzt worden. Ueber die „Meinungen des Hauses" be¬
züglich der Grundsätze der Organisation in den neuen Provinzen wäre der
Minister des Innern in einer Commission sicher sehr viel vollständiger unter¬
richtet worden, als in einer Plenarsitzung, deren Interesse (nach der zutreffenden
Bemerkung des Abg. Windthorst) durch die Fractionsverhandlungcn Vorwegge¬
nommen worden war. Eine gleich günstige Gelegenheit zur Erörterung der
Schäden der Preußischen Kreis- und Provinzialversassung wird schwerlich sobald
wiederkehren, denn es ist mehr wie wahrscheinlich, daß die Organisation der
Verwaltung in den annectirten Previnzen binnen Jahr und Tag eine vollendete


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/517>, abgerufen am 27.09.2024.