Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte seine Meinung; das letzte allemal mit der Energie, die ihn ganz charakte-
ristrt, und die bei jedem Worte zeigte, daß er in diesen Sachen zu Hause ist,
daß er sie oft durchdacht bat, und darin, wie in einem Geschäft, wie in einer
Kunst lebet. Ich glaube nicht, daß er sich von einer bloßen Wort-Theorie nur
einen Begriff machen kann, ob er gleich viel und täglich liefet, die besten Schrift
ten der aufgeklärten Nationen Europas kennet und sein System daraus gebildet
hat; es ist aber ein praktisches System, sein Geist ist ganz energisch und thätig,
wie es auch seine Gestalt und seine tägliche Lebensart zeiget. Ich glaube
nicht, Euer Durchlaucht von der letzten unterhalten zu dürfen, da sie bekannt
ist; und auch den Faden eines so gedrängten, lebhaften Gesprächs zu wieder¬
holen, würde mir unmöglich sein, so sehr ichs wünschte. Unvermerkt legt man
Poesie in solche Gesprächsccnen, sobald man sie niederschreibe; und immer
geben sie doch nur ein täuschendes, unvollkommenes Bild des wahren Gesprächs.
Aber die Grundsätze, die aus des Großherzogs Seele, sowie aus allen seinen
Urtheilen und Aeußerungen hervorleuchteten, haben sich zu kenntlich in mein Ge¬
müth gedrückt, als daß ich von ihnen nicht sicher sprechen und schreiben könnte;
seine Negierung selbst ist auch zu ihnen gleichsam die Probe, und ich kann mir
nach dieser Unterredung manches in dieser erklären, was ich vorher nicht recht
zusammenzureimen wußte.

Nichts drückte sich so augenscheinlich in seinem Gespräch ab, als daß er
den Kriegsgeist wilder Eroberung nicht liebe, und die Regierungskunst in ganz
etwas anderes setze, als in eine unruhige, oder eigennützige, oder eitle Erwei¬
terung der Länder. Natürlich hat ihn seine Situation in Italien, in welche er
früher kam und in der er solange fortgewirkt hat, in dieser Denkart bevestigt;
sie ist aber auf etwas Tieferes und Edleres, als auf diese seine jetzige Lage
gegründet, nämlich auf Einsicht in das Wohl eines Landes und den Zweck
aller menschlichen Regierung. Er hat seit einer Reihe von Jahren bessere Be¬
schäftigungen eines Regenten kennen lernen, als zu Friedenszeiten ein
einfältiges Puppenspiel mit menschlichen Maschinen treiben,
die man zu Kriegszeiten oft für oder wider nichts aufopfert/)
Er sprach vom Eroberungsgeiste als von einem Nest voriger roher und barba¬
rischer Zeiten so bestimmt, hat es auch sowohl durch die Grundsätze, nach denen
er regiert und die Stände seines Landes betrachtet, als auch durch die Grund¬
sätze, in denen seine Punzen erzogen werden, wie mich dünkt, genugsam erwie¬
sen, daß der Geist seiner Regierung bürgerlich, nicht militärisch sei. Und
eben hiedurch, glaube ich, wird er, falls das Schicksal ihn noch zum Nachfolger
seines Bruders bestimmt hätte, den Staaten desselben sehr aufhelfen, indem er
in solchem Fall gewiß zeigen würde, was durch Ordnung, Klugheit und feste



') Die Unterstreichung an dieser Stelle rührt von anderer Tinte her.

sagte seine Meinung; das letzte allemal mit der Energie, die ihn ganz charakte-
ristrt, und die bei jedem Worte zeigte, daß er in diesen Sachen zu Hause ist,
daß er sie oft durchdacht bat, und darin, wie in einem Geschäft, wie in einer
Kunst lebet. Ich glaube nicht, daß er sich von einer bloßen Wort-Theorie nur
einen Begriff machen kann, ob er gleich viel und täglich liefet, die besten Schrift
ten der aufgeklärten Nationen Europas kennet und sein System daraus gebildet
hat; es ist aber ein praktisches System, sein Geist ist ganz energisch und thätig,
wie es auch seine Gestalt und seine tägliche Lebensart zeiget. Ich glaube
nicht, Euer Durchlaucht von der letzten unterhalten zu dürfen, da sie bekannt
ist; und auch den Faden eines so gedrängten, lebhaften Gesprächs zu wieder¬
holen, würde mir unmöglich sein, so sehr ichs wünschte. Unvermerkt legt man
Poesie in solche Gesprächsccnen, sobald man sie niederschreibe; und immer
geben sie doch nur ein täuschendes, unvollkommenes Bild des wahren Gesprächs.
Aber die Grundsätze, die aus des Großherzogs Seele, sowie aus allen seinen
Urtheilen und Aeußerungen hervorleuchteten, haben sich zu kenntlich in mein Ge¬
müth gedrückt, als daß ich von ihnen nicht sicher sprechen und schreiben könnte;
seine Negierung selbst ist auch zu ihnen gleichsam die Probe, und ich kann mir
nach dieser Unterredung manches in dieser erklären, was ich vorher nicht recht
zusammenzureimen wußte.

Nichts drückte sich so augenscheinlich in seinem Gespräch ab, als daß er
den Kriegsgeist wilder Eroberung nicht liebe, und die Regierungskunst in ganz
etwas anderes setze, als in eine unruhige, oder eigennützige, oder eitle Erwei¬
terung der Länder. Natürlich hat ihn seine Situation in Italien, in welche er
früher kam und in der er solange fortgewirkt hat, in dieser Denkart bevestigt;
sie ist aber auf etwas Tieferes und Edleres, als auf diese seine jetzige Lage
gegründet, nämlich auf Einsicht in das Wohl eines Landes und den Zweck
aller menschlichen Regierung. Er hat seit einer Reihe von Jahren bessere Be¬
schäftigungen eines Regenten kennen lernen, als zu Friedenszeiten ein
einfältiges Puppenspiel mit menschlichen Maschinen treiben,
die man zu Kriegszeiten oft für oder wider nichts aufopfert/)
Er sprach vom Eroberungsgeiste als von einem Nest voriger roher und barba¬
rischer Zeiten so bestimmt, hat es auch sowohl durch die Grundsätze, nach denen
er regiert und die Stände seines Landes betrachtet, als auch durch die Grund¬
sätze, in denen seine Punzen erzogen werden, wie mich dünkt, genugsam erwie¬
sen, daß der Geist seiner Regierung bürgerlich, nicht militärisch sei. Und
eben hiedurch, glaube ich, wird er, falls das Schicksal ihn noch zum Nachfolger
seines Bruders bestimmt hätte, den Staaten desselben sehr aufhelfen, indem er
in solchem Fall gewiß zeigen würde, was durch Ordnung, Klugheit und feste



') Die Unterstreichung an dieser Stelle rührt von anderer Tinte her.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192271"/>
          <p xml:id="ID_1403" prev="#ID_1402"> sagte seine Meinung; das letzte allemal mit der Energie, die ihn ganz charakte-<lb/>
ristrt, und die bei jedem Worte zeigte, daß er in diesen Sachen zu Hause ist,<lb/>
daß er sie oft durchdacht bat, und darin, wie in einem Geschäft, wie in einer<lb/>
Kunst lebet. Ich glaube nicht, daß er sich von einer bloßen Wort-Theorie nur<lb/>
einen Begriff machen kann, ob er gleich viel und täglich liefet, die besten Schrift<lb/>
ten der aufgeklärten Nationen Europas kennet und sein System daraus gebildet<lb/>
hat; es ist aber ein praktisches System, sein Geist ist ganz energisch und thätig,<lb/>
wie es auch seine Gestalt und seine tägliche Lebensart zeiget. Ich glaube<lb/>
nicht, Euer Durchlaucht von der letzten unterhalten zu dürfen, da sie bekannt<lb/>
ist; und auch den Faden eines so gedrängten, lebhaften Gesprächs zu wieder¬<lb/>
holen, würde mir unmöglich sein, so sehr ichs wünschte. Unvermerkt legt man<lb/>
Poesie in solche Gesprächsccnen, sobald man sie niederschreibe; und immer<lb/>
geben sie doch nur ein täuschendes, unvollkommenes Bild des wahren Gesprächs.<lb/>
Aber die Grundsätze, die aus des Großherzogs Seele, sowie aus allen seinen<lb/>
Urtheilen und Aeußerungen hervorleuchteten, haben sich zu kenntlich in mein Ge¬<lb/>
müth gedrückt, als daß ich von ihnen nicht sicher sprechen und schreiben könnte;<lb/>
seine Negierung selbst ist auch zu ihnen gleichsam die Probe, und ich kann mir<lb/>
nach dieser Unterredung manches in dieser erklären, was ich vorher nicht recht<lb/>
zusammenzureimen wußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1404" next="#ID_1405"> Nichts drückte sich so augenscheinlich in seinem Gespräch ab, als daß er<lb/>
den Kriegsgeist wilder Eroberung nicht liebe, und die Regierungskunst in ganz<lb/>
etwas anderes setze, als in eine unruhige, oder eigennützige, oder eitle Erwei¬<lb/>
terung der Länder. Natürlich hat ihn seine Situation in Italien, in welche er<lb/>
früher kam und in der er solange fortgewirkt hat, in dieser Denkart bevestigt;<lb/>
sie ist aber auf etwas Tieferes und Edleres, als auf diese seine jetzige Lage<lb/>
gegründet, nämlich auf Einsicht in das Wohl eines Landes und den Zweck<lb/>
aller menschlichen Regierung. Er hat seit einer Reihe von Jahren bessere Be¬<lb/>
schäftigungen eines Regenten kennen lernen, als zu Friedenszeiten ein<lb/>
einfältiges Puppenspiel mit menschlichen Maschinen treiben,<lb/>
die man zu Kriegszeiten oft für oder wider nichts aufopfert/)<lb/>
Er sprach vom Eroberungsgeiste als von einem Nest voriger roher und barba¬<lb/>
rischer Zeiten so bestimmt, hat es auch sowohl durch die Grundsätze, nach denen<lb/>
er regiert und die Stände seines Landes betrachtet, als auch durch die Grund¬<lb/>
sätze, in denen seine Punzen erzogen werden, wie mich dünkt, genugsam erwie¬<lb/>
sen, daß der Geist seiner Regierung bürgerlich, nicht militärisch sei. Und<lb/>
eben hiedurch, glaube ich, wird er, falls das Schicksal ihn noch zum Nachfolger<lb/>
seines Bruders bestimmt hätte, den Staaten desselben sehr aufhelfen, indem er<lb/>
in solchem Fall gewiß zeigen würde, was durch Ordnung, Klugheit und feste</p><lb/>
          <note xml:id="FID_45" place="foot"> ') Die Unterstreichung an dieser Stelle rührt von anderer Tinte her.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0510] sagte seine Meinung; das letzte allemal mit der Energie, die ihn ganz charakte- ristrt, und die bei jedem Worte zeigte, daß er in diesen Sachen zu Hause ist, daß er sie oft durchdacht bat, und darin, wie in einem Geschäft, wie in einer Kunst lebet. Ich glaube nicht, daß er sich von einer bloßen Wort-Theorie nur einen Begriff machen kann, ob er gleich viel und täglich liefet, die besten Schrift ten der aufgeklärten Nationen Europas kennet und sein System daraus gebildet hat; es ist aber ein praktisches System, sein Geist ist ganz energisch und thätig, wie es auch seine Gestalt und seine tägliche Lebensart zeiget. Ich glaube nicht, Euer Durchlaucht von der letzten unterhalten zu dürfen, da sie bekannt ist; und auch den Faden eines so gedrängten, lebhaften Gesprächs zu wieder¬ holen, würde mir unmöglich sein, so sehr ichs wünschte. Unvermerkt legt man Poesie in solche Gesprächsccnen, sobald man sie niederschreibe; und immer geben sie doch nur ein täuschendes, unvollkommenes Bild des wahren Gesprächs. Aber die Grundsätze, die aus des Großherzogs Seele, sowie aus allen seinen Urtheilen und Aeußerungen hervorleuchteten, haben sich zu kenntlich in mein Ge¬ müth gedrückt, als daß ich von ihnen nicht sicher sprechen und schreiben könnte; seine Negierung selbst ist auch zu ihnen gleichsam die Probe, und ich kann mir nach dieser Unterredung manches in dieser erklären, was ich vorher nicht recht zusammenzureimen wußte. Nichts drückte sich so augenscheinlich in seinem Gespräch ab, als daß er den Kriegsgeist wilder Eroberung nicht liebe, und die Regierungskunst in ganz etwas anderes setze, als in eine unruhige, oder eigennützige, oder eitle Erwei¬ terung der Länder. Natürlich hat ihn seine Situation in Italien, in welche er früher kam und in der er solange fortgewirkt hat, in dieser Denkart bevestigt; sie ist aber auf etwas Tieferes und Edleres, als auf diese seine jetzige Lage gegründet, nämlich auf Einsicht in das Wohl eines Landes und den Zweck aller menschlichen Regierung. Er hat seit einer Reihe von Jahren bessere Be¬ schäftigungen eines Regenten kennen lernen, als zu Friedenszeiten ein einfältiges Puppenspiel mit menschlichen Maschinen treiben, die man zu Kriegszeiten oft für oder wider nichts aufopfert/) Er sprach vom Eroberungsgeiste als von einem Nest voriger roher und barba¬ rischer Zeiten so bestimmt, hat es auch sowohl durch die Grundsätze, nach denen er regiert und die Stände seines Landes betrachtet, als auch durch die Grund¬ sätze, in denen seine Punzen erzogen werden, wie mich dünkt, genugsam erwie¬ sen, daß der Geist seiner Regierung bürgerlich, nicht militärisch sei. Und eben hiedurch, glaube ich, wird er, falls das Schicksal ihn noch zum Nachfolger seines Bruders bestimmt hätte, den Staaten desselben sehr aufhelfen, indem er in solchem Fall gewiß zeigen würde, was durch Ordnung, Klugheit und feste ') Die Unterstreichung an dieser Stelle rührt von anderer Tinte her.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/510
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/510>, abgerufen am 27.09.2024.