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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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lohn bedeutend im Vortheil, insofern dort die Factoren unverändert dieselben
bleiben, hier aber die schaffende Kraft allmählich vollständig aufgezehrt wird.
Um dies Verhältniß auszugleichen, hat man wohl vorgeschlagen, jene beiden
mit höherer Besteuerung zu treffen, als diese, oder, da eine solche Maßregel
auf die größten Bedenken stieß, Steuerfreiheit verlangt für eine Quote des
Einkommens aus Arbeitslohn, welche, regelmäßig zu Capital geschlagen, dereinst
das consumiren Stammvcnnögcn (Erwerbsfähigkeit) zu ersehen vermöchte. In¬
deß es ist nicht crsichtltch, warum der Staat berechtigt sein soll, der eigen¬
thümlichen Natur dieses einen Productiousfactors zu Hülfe zu kommen und
sein einmal gegebenes Verhältniß zu den beiden übrigen willkürlich zu verän¬
dern. Wenn hier überhaupt eine Rücksicht ausgeübt werden soll, so kann es,
nach Umpfenbachö richtiger Ausführung, nur die vom öffentlichen Inter¬
esse selbst gebotene sein, daß man den Empfängern ova Arbeitslohn, soweit sie
lediglich auf diesen angewiesen sind, durch Steuerfreiheit einer gewissen Quote
die Möglichkeit gebe, ein Capital anzusammeln, welches seinem Besitzer dereinst
die Bestreitung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse sichert, damit derselbe nicht
dem Staate zur Last falle. Nicht mit Unrecht freilich wirft Pfeiffer ein, daß
gerade diese letztere Absicht in vielen Fällen vereitelt werden würde, da sich
doch nicht controliren lasse, ob jener steuerfreie Betrag wirtlich capitalisirt werde.
Dennoch aber schließt er sich einem Vorschlag an, der von dem angedeuteten
nicht so sehr abweicht, und in andern Dingen zumal hat er sich eng an
Umpfenbachs Seite gestellt. Besonders d c n Autoren gegenüber, welche, wie auch
noch Rau, statt der Steuerfreiheit eines für alle gültigen Existenzminima
eine entsprechende Berücksichtigung des " standesmäßigen" Lebensunterhalts
fordern, tritt er der Berechtigung dieses vagen Begriffs aufs entschiedenste
entgegen.

Auf Grund dieser allgemeinen Sätze nun schreitet der Verfasser zur Unter¬
suchung der einzelnen Steuern. Aus Entwicklung eines festgeschlossenen Systems
verzichtet er zwar von vornherein, doch theilt er das Ganze nach dem Vorschlage
Rau's in Schätzungen und Aufsch lagst en am, diese letztere Benennung
statt der Rauschen "Anfwandsteuern" von Umpfenbach entlehnend. Außer den
"uf das Einkommen aus den drei bekannten Productionsfactoren sowie ans
das Vermögen schlechtweg gelegten Steuern hat er unter den Schätzungen anch
der Kopfsteuer ein Capitel, und zwar das erste, gewidmet. Unserer Ansicht
"ach hätte es hier bei einer Besprechung der II, S. 119 ff. aufgezählten, heute
"och erhaltenen Ueberreste dieser Schatzungsart, nebst einer kurzen Verurtheilung
des längst verworfenen Prinzips bewenden können.

Den ersten Platz im bestehenden Abgabcnsystem behauptet unstreitig die
Grundsteuer. Keine andere ist so eifrig untersucht, keine andere aber auch
i" so durchaus verschiedenartigem Sinne beurtheilt worden. Ohne Zweifel ist


'"renzl",te" IV. 18K7, ,i3

lohn bedeutend im Vortheil, insofern dort die Factoren unverändert dieselben
bleiben, hier aber die schaffende Kraft allmählich vollständig aufgezehrt wird.
Um dies Verhältniß auszugleichen, hat man wohl vorgeschlagen, jene beiden
mit höherer Besteuerung zu treffen, als diese, oder, da eine solche Maßregel
auf die größten Bedenken stieß, Steuerfreiheit verlangt für eine Quote des
Einkommens aus Arbeitslohn, welche, regelmäßig zu Capital geschlagen, dereinst
das consumiren Stammvcnnögcn (Erwerbsfähigkeit) zu ersehen vermöchte. In¬
deß es ist nicht crsichtltch, warum der Staat berechtigt sein soll, der eigen¬
thümlichen Natur dieses einen Productiousfactors zu Hülfe zu kommen und
sein einmal gegebenes Verhältniß zu den beiden übrigen willkürlich zu verän¬
dern. Wenn hier überhaupt eine Rücksicht ausgeübt werden soll, so kann es,
nach Umpfenbachö richtiger Ausführung, nur die vom öffentlichen Inter¬
esse selbst gebotene sein, daß man den Empfängern ova Arbeitslohn, soweit sie
lediglich auf diesen angewiesen sind, durch Steuerfreiheit einer gewissen Quote
die Möglichkeit gebe, ein Capital anzusammeln, welches seinem Besitzer dereinst
die Bestreitung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse sichert, damit derselbe nicht
dem Staate zur Last falle. Nicht mit Unrecht freilich wirft Pfeiffer ein, daß
gerade diese letztere Absicht in vielen Fällen vereitelt werden würde, da sich
doch nicht controliren lasse, ob jener steuerfreie Betrag wirtlich capitalisirt werde.
Dennoch aber schließt er sich einem Vorschlag an, der von dem angedeuteten
nicht so sehr abweicht, und in andern Dingen zumal hat er sich eng an
Umpfenbachs Seite gestellt. Besonders d c n Autoren gegenüber, welche, wie auch
noch Rau, statt der Steuerfreiheit eines für alle gültigen Existenzminima
eine entsprechende Berücksichtigung des „ standesmäßigen" Lebensunterhalts
fordern, tritt er der Berechtigung dieses vagen Begriffs aufs entschiedenste
entgegen.

Auf Grund dieser allgemeinen Sätze nun schreitet der Verfasser zur Unter¬
suchung der einzelnen Steuern. Aus Entwicklung eines festgeschlossenen Systems
verzichtet er zwar von vornherein, doch theilt er das Ganze nach dem Vorschlage
Rau's in Schätzungen und Aufsch lagst en am, diese letztere Benennung
statt der Rauschen „Anfwandsteuern" von Umpfenbach entlehnend. Außer den
«uf das Einkommen aus den drei bekannten Productionsfactoren sowie ans
das Vermögen schlechtweg gelegten Steuern hat er unter den Schätzungen anch
der Kopfsteuer ein Capitel, und zwar das erste, gewidmet. Unserer Ansicht
"ach hätte es hier bei einer Besprechung der II, S. 119 ff. aufgezählten, heute
"och erhaltenen Ueberreste dieser Schatzungsart, nebst einer kurzen Verurtheilung
des längst verworfenen Prinzips bewenden können.

Den ersten Platz im bestehenden Abgabcnsystem behauptet unstreitig die
Grundsteuer. Keine andere ist so eifrig untersucht, keine andere aber auch
i" so durchaus verschiedenartigem Sinne beurtheilt worden. Ohne Zweifel ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/497>, abgerufen am 27.09.2024.