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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Wen Lotterie zu gleichem Zwecke angewiesen worden. Der Bau selbst aber
ist so kostspielig angelegt, daß nicht abzusehen ist, wo die Mittel zu seiner Voll-
endung hergenommen werden sollen. Auch steht zu befürchten, daß das Ge¬
bäude als zu abgelegen für Concertzwccke kaum brauchbar sein dürfte; und doch
spielen diese für die Einnahmen des Hauses die Hauptrolle, wie man ja auch
durch Anlegung zweier großer Säle auf dieselben Rücksicht genommen hat. --

Die Philharmonischen Concerte haben auch diesen Winter wieder
ihren doppelten Cyclus auf würdige Weise begonnen. Die Entstehung dieser
Concerte fällt in eine Zeit, zu welcher Opernfantasten von Liszt und Thalberg noch
in voller Blüthe standen. Mendelssohn nur spärlich vertreten war. Schumann
für eine Unmöglichkeit galt. Bach ganz ignorirt wurde. Es war zu Anfang
des Jahres 1842. als einige Kunstfreunde in zufälligem Gespräch den dama¬
ligen Hoftheaterkapellmeister Otto Nicolai zu der Idee anregten, mit seinem
Orchester große Concerte zu veranstalten und die vorzüglichsten Werke der besten
Meister in möglichst vollendeter Weise aufzuführen, zugleich damit aber auch den
Orchestermitgliedern eine hübsche Einnahmequelle zu eröffnen. Das Resultat
war das erste Concert am 28. März 1842, dessen gediegenes Programm die
Männer, welche die Anregung gegeben, geradezu moralisch zwang, das Unter¬
nehmen zu unterstützen. Es wurden aufgeführt: Ouvertüren op. 124, Ouver¬
türe zu Leonore Ur. 3 und die 7. Symphonie von Beethoven; Staudigl sang
eine Arie aus Faniska; Jenny Lutzer eine Concertarie von Mozart (Violine --
Mayseder), Wild und Hasselt-Barth trugen ein Duett aus Medea vor. Die
Aufführungen waren wie aus einem Guß, der Erfolg glänzend. Die Anwesen¬
heit des Hofes, der bis zum Jahre 1848 fast an keinem Abend fehlte, nöthigte
zugleich jene Kreise zur Theilnahme, die in früheren Zeiten die Tonangeber in
Sachen der Kunst gewesen waren. Bis zum März 1847 leitete Nicolai, mit
einmaliger Ausnahme, sämmtliche Concerte, in denen er namentlich alle Beet-
hovenschen Symphonien (die erste abgerechnet) aufführte.

Nach Nicolais Abgang tappte der Orchcstcrkörper nach einem Dirigenten
herum, versuchte es zweimal mit Hellmesberger sorr., je einmal mit Neuling
und Proch; aber sie waren alle nicht im Stande, Nicolai zu ersetzen; die poli¬
tischen Ereignisse jener Zeit ließen ohnehin der Kunst keinen Raum, die Revo¬
lution hatte alle Begeisterung absorbirt. -- Endlich zeigte sich der rechte Mann,
diesmal Carl Eckert, unter dem die Concerte mit dem 17. Dezember 1854
wieder begannen, im Herbst 1856 aus dem großen Redoutensaale ins Opern¬
haus übersiedelten und nach einer längeren Unterbrechung (von März 1857 bis
Januar 1860) in steigender Zahl zunahmen, sodaß statt der früheren zwei Con¬
certe nun deren acht jedes Jahr stattfinden. Der jetzige Dirigent Otto
Dcssvff leitet dieselben seit dem 4. Nov. 1860 mit aller Umsicht. Mond.
ten die Philharmoniker neben dem blos Orchestralen auch zuweilen Stücke jener


Wen Lotterie zu gleichem Zwecke angewiesen worden. Der Bau selbst aber
ist so kostspielig angelegt, daß nicht abzusehen ist, wo die Mittel zu seiner Voll-
endung hergenommen werden sollen. Auch steht zu befürchten, daß das Ge¬
bäude als zu abgelegen für Concertzwccke kaum brauchbar sein dürfte; und doch
spielen diese für die Einnahmen des Hauses die Hauptrolle, wie man ja auch
durch Anlegung zweier großer Säle auf dieselben Rücksicht genommen hat. —

Die Philharmonischen Concerte haben auch diesen Winter wieder
ihren doppelten Cyclus auf würdige Weise begonnen. Die Entstehung dieser
Concerte fällt in eine Zeit, zu welcher Opernfantasten von Liszt und Thalberg noch
in voller Blüthe standen. Mendelssohn nur spärlich vertreten war. Schumann
für eine Unmöglichkeit galt. Bach ganz ignorirt wurde. Es war zu Anfang
des Jahres 1842. als einige Kunstfreunde in zufälligem Gespräch den dama¬
ligen Hoftheaterkapellmeister Otto Nicolai zu der Idee anregten, mit seinem
Orchester große Concerte zu veranstalten und die vorzüglichsten Werke der besten
Meister in möglichst vollendeter Weise aufzuführen, zugleich damit aber auch den
Orchestermitgliedern eine hübsche Einnahmequelle zu eröffnen. Das Resultat
war das erste Concert am 28. März 1842, dessen gediegenes Programm die
Männer, welche die Anregung gegeben, geradezu moralisch zwang, das Unter¬
nehmen zu unterstützen. Es wurden aufgeführt: Ouvertüren op. 124, Ouver¬
türe zu Leonore Ur. 3 und die 7. Symphonie von Beethoven; Staudigl sang
eine Arie aus Faniska; Jenny Lutzer eine Concertarie von Mozart (Violine —
Mayseder), Wild und Hasselt-Barth trugen ein Duett aus Medea vor. Die
Aufführungen waren wie aus einem Guß, der Erfolg glänzend. Die Anwesen¬
heit des Hofes, der bis zum Jahre 1848 fast an keinem Abend fehlte, nöthigte
zugleich jene Kreise zur Theilnahme, die in früheren Zeiten die Tonangeber in
Sachen der Kunst gewesen waren. Bis zum März 1847 leitete Nicolai, mit
einmaliger Ausnahme, sämmtliche Concerte, in denen er namentlich alle Beet-
hovenschen Symphonien (die erste abgerechnet) aufführte.

Nach Nicolais Abgang tappte der Orchcstcrkörper nach einem Dirigenten
herum, versuchte es zweimal mit Hellmesberger sorr., je einmal mit Neuling
und Proch; aber sie waren alle nicht im Stande, Nicolai zu ersetzen; die poli¬
tischen Ereignisse jener Zeit ließen ohnehin der Kunst keinen Raum, die Revo¬
lution hatte alle Begeisterung absorbirt. — Endlich zeigte sich der rechte Mann,
diesmal Carl Eckert, unter dem die Concerte mit dem 17. Dezember 1854
wieder begannen, im Herbst 1856 aus dem großen Redoutensaale ins Opern¬
haus übersiedelten und nach einer längeren Unterbrechung (von März 1857 bis
Januar 1860) in steigender Zahl zunahmen, sodaß statt der früheren zwei Con¬
certe nun deren acht jedes Jahr stattfinden. Der jetzige Dirigent Otto
Dcssvff leitet dieselben seit dem 4. Nov. 1860 mit aller Umsicht. Mond.
ten die Philharmoniker neben dem blos Orchestralen auch zuweilen Stücke jener


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/477>, abgerufen am 27.09.2024.