Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.Aus dem Musikleben Wiens. Die Oper; Gesellschaft der Musikfreunde; Konservatorium; philharmonische Con¬ Wie Mozart am 2. Juni 1781 von Wien aus an seinen Vater schrieb: Obwohl die Oper zur Sommerzeit immer stiefmütterlich behandelt wurde, Grenzboten IV, 1867. 60
Aus dem Musikleben Wiens. Die Oper; Gesellschaft der Musikfreunde; Konservatorium; philharmonische Con¬ Wie Mozart am 2. Juni 1781 von Wien aus an seinen Vater schrieb: Obwohl die Oper zur Sommerzeit immer stiefmütterlich behandelt wurde, Grenzboten IV, 1867. 60
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192234"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Aus dem Musikleben Wiens.</head><lb/> <p xml:id="ID_1310"> Die Oper; Gesellschaft der Musikfreunde; Konservatorium; philharmonische Con¬<lb/> certe; Männergescmgvcreine; Privatconcertc, Quartette; Kirchenmusik.</p><lb/> <p xml:id="ID_1311"> Wie Mozart am 2. Juni 1781 von Wien aus an seinen Vater schrieb:<lb/> „hier ist doch gewiß das Clavicrland", so kann man noch heutzutage sagen:<lb/> „Wien ist und bleibt die Stadt der Musik". Wenn auch im Einzelnen gar<lb/> manches zu wünschen sein in.ig, der Gesammteindruck zeigt, daß in wenigen<lb/> Städten so viele Musikelemcnte vorhanden und thätig sind als eben hier. Dies<lb/> gilt wie für die Oper so für Kammer- und Kirchenmusik. Betrachten wir<lb/> zuerst das allen Schichten der Bevölkerung gleichwichtige Institut der Oper in .<lb/> dem Zeitraume vom 1. Juli d. I. bis zum 15. November.</p><lb/> <p xml:id="ID_1312" next="#ID_1313"> Obwohl die Oper zur Sommerzeit immer stiefmütterlich behandelt wurde,<lb/> artete doch diesmal die Verwaltung in wahren Unfug aus. Die Vorstellungen<lb/> im Juli waren mitunter einer Provinzstadt dritten Ranges würdig; die Mit¬<lb/> glieder, beurlaubt oder nicht, blieben aus, ganz nach augenblicklicher Laune.<lb/> Matthäus Salvi, seit 1861 artistischer Leiter der Opernbühne, dem jeder<lb/> Sinn dafür fehlte, die ihm anvertraute Kunstanstalt zu heben und zu veredeln,<lb/> wurde endlich Ende September durch Franz Dingelstedt, früheren Inten¬<lb/> danten der Grhzl. weimarischen Hvfbühne ersetzt. Zugleich wurde diesem Letzteren<lb/> Heinrich Esser mit dem Titel eines ersten Kapellmeisters und Musikdirigen¬<lb/> ten als Beirath an die Seite gegeben. Das Personal, wie es gegenwärtig<lb/> besteht, bedarf sehr der Sichtung. Manche Mitglieder, die ganz planlos engagirt<lb/> wurden, liegen nur der jetzigen Direktion zur Last; manche Fächer sind drei¬<lb/> fach, manche garnicht besetzt, ein Hcldentcnor z. V. fehlt gänzlich. Von auf¬<lb/> getretenen Gästen wurde u. a. der Tenor Adams von Berlin auf drei Jahre<lb/> engagirt. Sichere Intonation, viel Routine, deutliche Aussprache, aber spröde<lb/> Stimme sind seine Vorzüge und Mängel. Frl. Bertha Ehnn aus Stuttgart<lb/> gefiel als Gretchen, Salica, Agathe allgemein, und man hätte sie lieber gleich<lb/> hier behalten, doch fesseln sie ihre Verpflichtungen noch drei Jahre an Stutt¬<lb/> gart. Auch Frau P a u ki-Mark o v its aus Pesth. welche als Lucia. Dinvrah,<lb/> Katharina (Nordstern) und Jsabella auftrat, sprach in Gesang, Spiel und Er¬<lb/> scheinung so an, daß man eben jetzt mit ihr wegen Engagement unterhandelt.<lb/> Dagegen vermochte der Tenorist Ferenczy infolge seiner noch immer an¬<lb/> gegriffenen Stimme trotz dreier Gastrollen nicht zu reussiren. Auf sechs Mo¬<lb/> nate wurde Frau Wild, auf fünf Monate Frl. Murska engagirt. Erstere</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV, 1867. 60</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0473]
Aus dem Musikleben Wiens.
Die Oper; Gesellschaft der Musikfreunde; Konservatorium; philharmonische Con¬
certe; Männergescmgvcreine; Privatconcertc, Quartette; Kirchenmusik.
Wie Mozart am 2. Juni 1781 von Wien aus an seinen Vater schrieb:
„hier ist doch gewiß das Clavicrland", so kann man noch heutzutage sagen:
„Wien ist und bleibt die Stadt der Musik". Wenn auch im Einzelnen gar
manches zu wünschen sein in.ig, der Gesammteindruck zeigt, daß in wenigen
Städten so viele Musikelemcnte vorhanden und thätig sind als eben hier. Dies
gilt wie für die Oper so für Kammer- und Kirchenmusik. Betrachten wir
zuerst das allen Schichten der Bevölkerung gleichwichtige Institut der Oper in .
dem Zeitraume vom 1. Juli d. I. bis zum 15. November.
Obwohl die Oper zur Sommerzeit immer stiefmütterlich behandelt wurde,
artete doch diesmal die Verwaltung in wahren Unfug aus. Die Vorstellungen
im Juli waren mitunter einer Provinzstadt dritten Ranges würdig; die Mit¬
glieder, beurlaubt oder nicht, blieben aus, ganz nach augenblicklicher Laune.
Matthäus Salvi, seit 1861 artistischer Leiter der Opernbühne, dem jeder
Sinn dafür fehlte, die ihm anvertraute Kunstanstalt zu heben und zu veredeln,
wurde endlich Ende September durch Franz Dingelstedt, früheren Inten¬
danten der Grhzl. weimarischen Hvfbühne ersetzt. Zugleich wurde diesem Letzteren
Heinrich Esser mit dem Titel eines ersten Kapellmeisters und Musikdirigen¬
ten als Beirath an die Seite gegeben. Das Personal, wie es gegenwärtig
besteht, bedarf sehr der Sichtung. Manche Mitglieder, die ganz planlos engagirt
wurden, liegen nur der jetzigen Direktion zur Last; manche Fächer sind drei¬
fach, manche garnicht besetzt, ein Hcldentcnor z. V. fehlt gänzlich. Von auf¬
getretenen Gästen wurde u. a. der Tenor Adams von Berlin auf drei Jahre
engagirt. Sichere Intonation, viel Routine, deutliche Aussprache, aber spröde
Stimme sind seine Vorzüge und Mängel. Frl. Bertha Ehnn aus Stuttgart
gefiel als Gretchen, Salica, Agathe allgemein, und man hätte sie lieber gleich
hier behalten, doch fesseln sie ihre Verpflichtungen noch drei Jahre an Stutt¬
gart. Auch Frau P a u ki-Mark o v its aus Pesth. welche als Lucia. Dinvrah,
Katharina (Nordstern) und Jsabella auftrat, sprach in Gesang, Spiel und Er¬
scheinung so an, daß man eben jetzt mit ihr wegen Engagement unterhandelt.
Dagegen vermochte der Tenorist Ferenczy infolge seiner noch immer an¬
gegriffenen Stimme trotz dreier Gastrollen nicht zu reussiren. Auf sechs Mo¬
nate wurde Frau Wild, auf fünf Monate Frl. Murska engagirt. Erstere
Grenzboten IV, 1867. 60
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |