Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

roder so viel Gold und Silber, als er tragen konnte, in unser sicheres Todten-
haus fortschaffen und dann so rasch als möglich wiederkommen, um sich mit
neuer Beute zu beladen; ich wollte für aller Bestes allein zurückbleiben und
am Eingänge des Hauses alles genau beobachten, bis sie wiederkehrten. Die
Erscheinung des Bären, der im Hause herumlief, konnte, wenn ja einer der
Sklaven erwachte, als Schreckmittel dienen. Denn auch ein Mann von uner¬
schrockenem Muth würde, wenn ihm ein Bär von der Größe, zumal in der
Nacht, unvermuthet begegnete, die Flucht ergreifen und erschreckt in seinem Zim¬
mer sich einschließen, um sicher zu sein. Aber diese sorgsamen Vorbereitungen
durchkreuzte ein unglückseliges Ereignis). Während ich mit gespannter Aufmerk¬
samkeit der Rückkehr der Gefährten entgegensah, kommt ein Sklave, offenbar
durch göttliche Schickung aufgeweckt, sachte heraus, sieht den Bär frei im Hause
herumlaufen, schleicht schweigend vorsichtig wieder hinein und meldet allen im
Hause, was er gesehen. Sofort ist das Haus von der zahlreichen Dienerschaft
erfüllt, Fackeln, Kerzen, Lichter, aller denkbare Erleuchtungsapparat erhellt die
Dunkelheit, keiner von der ganzen Masse kommt unbewaffnet, mit Knitteln,
Speeren, Schwertern ausgerüstet, besetzen sie die Zugänge und Hetzen großohrige
zottige Jagdhunde auf das Thier. Während dieser Tumult sich erhob, machte
ich mich aus dem Hause fort und sah hinter der Thür versteckt, wie Thrasyleon
sich der Hunde zu erwehren strebte. Im Angesicht des Todes, der unvermeid¬
lich schien, kämpfte er seiner und unser eingedenk, wie ein Held mit seiner alten
Tapferkeit, dabei vergaß er keinen Augenblick der Rolle, welche er übernom¬
men hatte, und brachte es durch immer wechselnde Stellungen soweit, daß er sich
aus dem Hause herauswälzen konnte. Aber auch hier im Freien konnte er die
Flucht nicht ergreifen. Denn aus den nächsten Straßen stürzten wilde Hunde
in Menge herbei, welche ihn mit den aus dem Hause nacheilenden angriffen.
Welch ein jammervoller Anblick! Unser Thrasyleon von einer Meute wüthen-
der Hunde umringt und angegriffen und mit unzähligen Bissen zerfleischt. Un¬
fähig den Schmerz zu ertragen, mischte ich mich unter die herbeiströmende
Menge und rief den Verfolgern zu, wodurch ich ihn allein noch retten konnte:
.,O was für ein schöner Bär geht uns zu Grunde!" Aber meine List half
dem unglücklichen Jüngling nichts. Ein großer starker Mensch, der aus dem
Hause herzulies, schleuderte mit aller Macht seine Lanze dem Bären in den
^ib, dann ein anderer, und bald gewannen sie Muth und griffen ihn auch in
der Nähe mit Schwertern an. Thrasyleon, die Zierde unsrer Bande, dessen
Heldenmuth erst mit dem Tode gebrochen wurde, verrieth sich durch keinen Laut
der Klage oder des Jammers, sondern blieb standhaft mit thierischem Brüllen
und Brummen seiner Maske treu und dachte, während er sein Leben hingab,
seinen Ruhm. Und solche Furcht hatte er dem Haufen beigebracht, daß bis
es hell wurde und weit in den Morgen hinein niemand das daliegende Thier


roder so viel Gold und Silber, als er tragen konnte, in unser sicheres Todten-
haus fortschaffen und dann so rasch als möglich wiederkommen, um sich mit
neuer Beute zu beladen; ich wollte für aller Bestes allein zurückbleiben und
am Eingänge des Hauses alles genau beobachten, bis sie wiederkehrten. Die
Erscheinung des Bären, der im Hause herumlief, konnte, wenn ja einer der
Sklaven erwachte, als Schreckmittel dienen. Denn auch ein Mann von uner¬
schrockenem Muth würde, wenn ihm ein Bär von der Größe, zumal in der
Nacht, unvermuthet begegnete, die Flucht ergreifen und erschreckt in seinem Zim¬
mer sich einschließen, um sicher zu sein. Aber diese sorgsamen Vorbereitungen
durchkreuzte ein unglückseliges Ereignis). Während ich mit gespannter Aufmerk¬
samkeit der Rückkehr der Gefährten entgegensah, kommt ein Sklave, offenbar
durch göttliche Schickung aufgeweckt, sachte heraus, sieht den Bär frei im Hause
herumlaufen, schleicht schweigend vorsichtig wieder hinein und meldet allen im
Hause, was er gesehen. Sofort ist das Haus von der zahlreichen Dienerschaft
erfüllt, Fackeln, Kerzen, Lichter, aller denkbare Erleuchtungsapparat erhellt die
Dunkelheit, keiner von der ganzen Masse kommt unbewaffnet, mit Knitteln,
Speeren, Schwertern ausgerüstet, besetzen sie die Zugänge und Hetzen großohrige
zottige Jagdhunde auf das Thier. Während dieser Tumult sich erhob, machte
ich mich aus dem Hause fort und sah hinter der Thür versteckt, wie Thrasyleon
sich der Hunde zu erwehren strebte. Im Angesicht des Todes, der unvermeid¬
lich schien, kämpfte er seiner und unser eingedenk, wie ein Held mit seiner alten
Tapferkeit, dabei vergaß er keinen Augenblick der Rolle, welche er übernom¬
men hatte, und brachte es durch immer wechselnde Stellungen soweit, daß er sich
aus dem Hause herauswälzen konnte. Aber auch hier im Freien konnte er die
Flucht nicht ergreifen. Denn aus den nächsten Straßen stürzten wilde Hunde
in Menge herbei, welche ihn mit den aus dem Hause nacheilenden angriffen.
Welch ein jammervoller Anblick! Unser Thrasyleon von einer Meute wüthen-
der Hunde umringt und angegriffen und mit unzähligen Bissen zerfleischt. Un¬
fähig den Schmerz zu ertragen, mischte ich mich unter die herbeiströmende
Menge und rief den Verfolgern zu, wodurch ich ihn allein noch retten konnte:
.,O was für ein schöner Bär geht uns zu Grunde!" Aber meine List half
dem unglücklichen Jüngling nichts. Ein großer starker Mensch, der aus dem
Hause herzulies, schleuderte mit aller Macht seine Lanze dem Bären in den
^ib, dann ein anderer, und bald gewannen sie Muth und griffen ihn auch in
der Nähe mit Schwertern an. Thrasyleon, die Zierde unsrer Bande, dessen
Heldenmuth erst mit dem Tode gebrochen wurde, verrieth sich durch keinen Laut
der Klage oder des Jammers, sondern blieb standhaft mit thierischem Brüllen
und Brummen seiner Maske treu und dachte, während er sein Leben hingab,
seinen Ruhm. Und solche Furcht hatte er dem Haufen beigebracht, daß bis
es hell wurde und weit in den Morgen hinein niemand das daliegende Thier


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192224"/>
            <p xml:id="ID_1287" prev="#ID_1286" next="#ID_1288"> roder so viel Gold und Silber, als er tragen konnte, in unser sicheres Todten-<lb/>
haus fortschaffen und dann so rasch als möglich wiederkommen, um sich mit<lb/>
neuer Beute zu beladen; ich wollte für aller Bestes allein zurückbleiben und<lb/>
am Eingänge des Hauses alles genau beobachten, bis sie wiederkehrten. Die<lb/>
Erscheinung des Bären, der im Hause herumlief, konnte, wenn ja einer der<lb/>
Sklaven erwachte, als Schreckmittel dienen. Denn auch ein Mann von uner¬<lb/>
schrockenem Muth würde, wenn ihm ein Bär von der Größe, zumal in der<lb/>
Nacht, unvermuthet begegnete, die Flucht ergreifen und erschreckt in seinem Zim¬<lb/>
mer sich einschließen, um sicher zu sein. Aber diese sorgsamen Vorbereitungen<lb/>
durchkreuzte ein unglückseliges Ereignis). Während ich mit gespannter Aufmerk¬<lb/>
samkeit der Rückkehr der Gefährten entgegensah, kommt ein Sklave, offenbar<lb/>
durch göttliche Schickung aufgeweckt, sachte heraus, sieht den Bär frei im Hause<lb/>
herumlaufen, schleicht schweigend vorsichtig wieder hinein und meldet allen im<lb/>
Hause, was er gesehen. Sofort ist das Haus von der zahlreichen Dienerschaft<lb/>
erfüllt, Fackeln, Kerzen, Lichter, aller denkbare Erleuchtungsapparat erhellt die<lb/>
Dunkelheit, keiner von der ganzen Masse kommt unbewaffnet, mit Knitteln,<lb/>
Speeren, Schwertern ausgerüstet, besetzen sie die Zugänge und Hetzen großohrige<lb/>
zottige Jagdhunde auf das Thier. Während dieser Tumult sich erhob, machte<lb/>
ich mich aus dem Hause fort und sah hinter der Thür versteckt, wie Thrasyleon<lb/>
sich der Hunde zu erwehren strebte. Im Angesicht des Todes, der unvermeid¬<lb/>
lich schien, kämpfte er seiner und unser eingedenk, wie ein Held mit seiner alten<lb/>
Tapferkeit, dabei vergaß er keinen Augenblick der Rolle, welche er übernom¬<lb/>
men hatte, und brachte es durch immer wechselnde Stellungen soweit, daß er sich<lb/>
aus dem Hause herauswälzen konnte. Aber auch hier im Freien konnte er die<lb/>
Flucht nicht ergreifen. Denn aus den nächsten Straßen stürzten wilde Hunde<lb/>
in Menge herbei, welche ihn mit den aus dem Hause nacheilenden angriffen.<lb/>
Welch ein jammervoller Anblick! Unser Thrasyleon von einer Meute wüthen-<lb/>
der Hunde umringt und angegriffen und mit unzähligen Bissen zerfleischt. Un¬<lb/>
fähig den Schmerz zu ertragen, mischte ich mich unter die herbeiströmende<lb/>
Menge und rief den Verfolgern zu, wodurch ich ihn allein noch retten konnte:<lb/>
.,O was für ein schöner Bär geht uns zu Grunde!" Aber meine List half<lb/>
dem unglücklichen Jüngling nichts. Ein großer starker Mensch, der aus dem<lb/>
Hause herzulies, schleuderte mit aller Macht seine Lanze dem Bären in den<lb/>
^ib, dann ein anderer, und bald gewannen sie Muth und griffen ihn auch in<lb/>
der Nähe mit Schwertern an. Thrasyleon, die Zierde unsrer Bande, dessen<lb/>
Heldenmuth erst mit dem Tode gebrochen wurde, verrieth sich durch keinen Laut<lb/>
der Klage oder des Jammers, sondern blieb standhaft mit thierischem Brüllen<lb/>
und Brummen seiner Maske treu und dachte, während er sein Leben hingab,<lb/>
seinen Ruhm. Und solche Furcht hatte er dem Haufen beigebracht, daß bis<lb/>
es hell wurde und weit in den Morgen hinein niemand das daliegende Thier</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0463] roder so viel Gold und Silber, als er tragen konnte, in unser sicheres Todten- haus fortschaffen und dann so rasch als möglich wiederkommen, um sich mit neuer Beute zu beladen; ich wollte für aller Bestes allein zurückbleiben und am Eingänge des Hauses alles genau beobachten, bis sie wiederkehrten. Die Erscheinung des Bären, der im Hause herumlief, konnte, wenn ja einer der Sklaven erwachte, als Schreckmittel dienen. Denn auch ein Mann von uner¬ schrockenem Muth würde, wenn ihm ein Bär von der Größe, zumal in der Nacht, unvermuthet begegnete, die Flucht ergreifen und erschreckt in seinem Zim¬ mer sich einschließen, um sicher zu sein. Aber diese sorgsamen Vorbereitungen durchkreuzte ein unglückseliges Ereignis). Während ich mit gespannter Aufmerk¬ samkeit der Rückkehr der Gefährten entgegensah, kommt ein Sklave, offenbar durch göttliche Schickung aufgeweckt, sachte heraus, sieht den Bär frei im Hause herumlaufen, schleicht schweigend vorsichtig wieder hinein und meldet allen im Hause, was er gesehen. Sofort ist das Haus von der zahlreichen Dienerschaft erfüllt, Fackeln, Kerzen, Lichter, aller denkbare Erleuchtungsapparat erhellt die Dunkelheit, keiner von der ganzen Masse kommt unbewaffnet, mit Knitteln, Speeren, Schwertern ausgerüstet, besetzen sie die Zugänge und Hetzen großohrige zottige Jagdhunde auf das Thier. Während dieser Tumult sich erhob, machte ich mich aus dem Hause fort und sah hinter der Thür versteckt, wie Thrasyleon sich der Hunde zu erwehren strebte. Im Angesicht des Todes, der unvermeid¬ lich schien, kämpfte er seiner und unser eingedenk, wie ein Held mit seiner alten Tapferkeit, dabei vergaß er keinen Augenblick der Rolle, welche er übernom¬ men hatte, und brachte es durch immer wechselnde Stellungen soweit, daß er sich aus dem Hause herauswälzen konnte. Aber auch hier im Freien konnte er die Flucht nicht ergreifen. Denn aus den nächsten Straßen stürzten wilde Hunde in Menge herbei, welche ihn mit den aus dem Hause nacheilenden angriffen. Welch ein jammervoller Anblick! Unser Thrasyleon von einer Meute wüthen- der Hunde umringt und angegriffen und mit unzähligen Bissen zerfleischt. Un¬ fähig den Schmerz zu ertragen, mischte ich mich unter die herbeiströmende Menge und rief den Verfolgern zu, wodurch ich ihn allein noch retten konnte: .,O was für ein schöner Bär geht uns zu Grunde!" Aber meine List half dem unglücklichen Jüngling nichts. Ein großer starker Mensch, der aus dem Hause herzulies, schleuderte mit aller Macht seine Lanze dem Bären in den ^ib, dann ein anderer, und bald gewannen sie Muth und griffen ihn auch in der Nähe mit Schwertern an. Thrasyleon, die Zierde unsrer Bande, dessen Heldenmuth erst mit dem Tode gebrochen wurde, verrieth sich durch keinen Laut der Klage oder des Jammers, sondern blieb standhaft mit thierischem Brüllen und Brummen seiner Maske treu und dachte, während er sein Leben hingab, seinen Ruhm. Und solche Furcht hatte er dem Haufen beigebracht, daß bis es hell wurde und weit in den Morgen hinein niemand das daliegende Thier

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/463
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/463>, abgerufen am 27.09.2024.