Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.direct zur Beschäftigung mit der socialen Frage. Eine Rückwirkung der bezüg¬ direct zur Beschäftigung mit der socialen Frage. Eine Rückwirkung der bezüg¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191802"/> <p xml:id="ID_76" prev="#ID_75"> direct zur Beschäftigung mit der socialen Frage. Eine Rückwirkung der bezüg¬<lb/> lichen Debatten aus Deutschland und die deutschen Arbeiterverhältnisse ist nach<lb/> dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben unvermeidlich, ganz besonders<lb/> seit es dem Socialismus gelungen ist. eine, wenn auch vor der Hand noch<lb/> ziemlich schwache Vertretung des Socialismus im norddeutschen Parlament zu<lb/> finden. — Es wird von hohem Interesse sein, bei dieser Gelegenheit die Stellung<lb/> kennen zu lernen, welche die preußische Regierung eigentlich zu der Arbeiterfrage ein¬<lb/> nimmt. Noch in den letzten Tagen brachte die „Nordd. Allg. Zeit." an ihrer<lb/> Spitze einen — bisher wenig beachteten, aber sicher nicht gleichgiltigen — Artikel,<lb/> der an frühere Erörterungen anknüpfend, die Unauskömmlichkeit der Grund¬<lb/> sätze des liberalen Oeconomismus nachzuweisen suchte und mit besonderem<lb/> Nachdruck hervorhob, die Preisbestimmung der Arbeit durch Angebot und Nach¬<lb/> frage sei nicht nur practisch inhuman, sondern auch theoretisch ungenügend, da<lb/> sie die übrigen Preisbedingungen, insbesondere die nothwendige Deckung der<lb/> Herstellungskosten — zu welchen ausdrücklich die Erhaltung der Familie des<lb/> Arbeiters gezählt wird — außer Acht lasse. Es müßte wunderbar zugehen,<lb/> wenn diese Sätze nicht demnächst durch den „Socialdemokraten" aufgegriffen<lb/> würden, um als neue Argumente für die Nothwendigkeit staatlicher Einwirkung<lb/> auf die Lohnbestimmung und staatlicher Sorge für die „Deckung der Herstellungs¬<lb/> kosten" der Arbeitenden ins Treffen geführt zu werden. Unter allen Umständen<lb/> verdienen das eigenthümliche Verhältniß, welches die socialistische Arbeiterpartei<lb/> zu gewissen Factoren der preußischen Bureaukratie steht und die Rolle,<lb/> welche dieselbe bei den letzten Wahlen gespielt hat. die öffentliche Aufmerksam¬<lb/> keit in größerm Maße, als ihnen bisher zu Theil geworden. Es verlohnte wohl<lb/> der Mühe, auf Grund der Abstimmungslisten und des sonst vorhandenen<lb/> Materials den Einfluß, welchen diese Partei in den verschiedenen Wahlbezirken<lb/> ausgeübt hat, im Einzelnen zu verfolgen und die Eompromisse, welche mit ihr geschlos¬<lb/> sen worden, übersichtlich zusammenzustellen und dann ein Facit über ihre Stärke und<lb/> ihre Bedeutung für den letzten Wahlkampf zu ziehen. Die Resultate, zu welchen man<lb/> gelangen würde, sind vielleicht beträchtlicher als diejenigen meinen, welche den Ernst der<lb/> socialen Frage und ihrer Formulirung durch Lassalle herkömmlich mit einigen Phrasen<lb/> über Schulze-Delitzsch und dessen Genossenschaften abfertigen. Auch für die<lb/> Parteitactik und deren Moral ließe sich aus einer solchen Statistik des sociali-<lb/> stischen Einflusses auf die Wahlen manches lernen. Die Kompromisse mit den<lb/> Arveitercandidaten sind bisher von allen Parteien gleich leichtsinnig genommen<lb/> und nach rein localen Nützlichkeitsrücksichten abgeschlossen worden. Die Wichtig¬<lb/> keit der Sache aber fordert, daß man das socialistische Element rechtzeitig in Rech-<lb/> nung ziehe und demselben nach festen Grundsätzen begegne.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
direct zur Beschäftigung mit der socialen Frage. Eine Rückwirkung der bezüg¬
lichen Debatten aus Deutschland und die deutschen Arbeiterverhältnisse ist nach
dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben unvermeidlich, ganz besonders
seit es dem Socialismus gelungen ist. eine, wenn auch vor der Hand noch
ziemlich schwache Vertretung des Socialismus im norddeutschen Parlament zu
finden. — Es wird von hohem Interesse sein, bei dieser Gelegenheit die Stellung
kennen zu lernen, welche die preußische Regierung eigentlich zu der Arbeiterfrage ein¬
nimmt. Noch in den letzten Tagen brachte die „Nordd. Allg. Zeit." an ihrer
Spitze einen — bisher wenig beachteten, aber sicher nicht gleichgiltigen — Artikel,
der an frühere Erörterungen anknüpfend, die Unauskömmlichkeit der Grund¬
sätze des liberalen Oeconomismus nachzuweisen suchte und mit besonderem
Nachdruck hervorhob, die Preisbestimmung der Arbeit durch Angebot und Nach¬
frage sei nicht nur practisch inhuman, sondern auch theoretisch ungenügend, da
sie die übrigen Preisbedingungen, insbesondere die nothwendige Deckung der
Herstellungskosten — zu welchen ausdrücklich die Erhaltung der Familie des
Arbeiters gezählt wird — außer Acht lasse. Es müßte wunderbar zugehen,
wenn diese Sätze nicht demnächst durch den „Socialdemokraten" aufgegriffen
würden, um als neue Argumente für die Nothwendigkeit staatlicher Einwirkung
auf die Lohnbestimmung und staatlicher Sorge für die „Deckung der Herstellungs¬
kosten" der Arbeitenden ins Treffen geführt zu werden. Unter allen Umständen
verdienen das eigenthümliche Verhältniß, welches die socialistische Arbeiterpartei
zu gewissen Factoren der preußischen Bureaukratie steht und die Rolle,
welche dieselbe bei den letzten Wahlen gespielt hat. die öffentliche Aufmerksam¬
keit in größerm Maße, als ihnen bisher zu Theil geworden. Es verlohnte wohl
der Mühe, auf Grund der Abstimmungslisten und des sonst vorhandenen
Materials den Einfluß, welchen diese Partei in den verschiedenen Wahlbezirken
ausgeübt hat, im Einzelnen zu verfolgen und die Eompromisse, welche mit ihr geschlos¬
sen worden, übersichtlich zusammenzustellen und dann ein Facit über ihre Stärke und
ihre Bedeutung für den letzten Wahlkampf zu ziehen. Die Resultate, zu welchen man
gelangen würde, sind vielleicht beträchtlicher als diejenigen meinen, welche den Ernst der
socialen Frage und ihrer Formulirung durch Lassalle herkömmlich mit einigen Phrasen
über Schulze-Delitzsch und dessen Genossenschaften abfertigen. Auch für die
Parteitactik und deren Moral ließe sich aus einer solchen Statistik des sociali-
stischen Einflusses auf die Wahlen manches lernen. Die Kompromisse mit den
Arveitercandidaten sind bisher von allen Parteien gleich leichtsinnig genommen
und nach rein localen Nützlichkeitsrücksichten abgeschlossen worden. Die Wichtig¬
keit der Sache aber fordert, daß man das socialistische Element rechtzeitig in Rech-
nung ziehe und demselben nach festen Grundsätzen begegne.
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