Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und diesen wird Napoleon schwerlich mit Italien allein zu führen haben. Was
werden die Kammern, die sich inmitten der leidenschaftlichen Erregung des
vergangenen Frühjahrs zu einer Kriegserklärung gegen Preußen nicht entschließen
konnten, -- was werden diese zu einem Kriege gegen das Selbstbestimmungs-
recht der Italiener sagen? Wird es für diese irgend welche Bedeutung haben,
wenn die kaiserliche Negierung das Wächteramt an den Thoren der ewigen
Stadt in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der übrigen europäischen Gro߬
mächte führt? So liegen die Dinge, wenn diese europäischen Mächte sich zu
Gunsten des Papstes aussprechen und die bisherige Politik Frankreichs gut
heißen.

Der Gründe für diese Annahme sind ebenso wenige, als der Gründe
für die Wahrscheinlichkeit des Gegentheils viele sind. An der Abneigung,
die England, Preußen und Rußland gegen eine Schwächung Italiens zu Gunsten
des Papstthums hegen, hat sich seit dem Schluß des vorigen Monats absolut
nichts geändert. Das scheint man in Rom noch genauer zu wissen, wie in
Paris, und die Nachricht, daß die Curie lieber mit Frankreich und Italien allein
verhandeln will, als mit einem vorwiegend katholischen Kongreß, ist sicher nicht
aus der Luft gegriffen. Welche Vortheile Frankreich sich von einem solchen
verspricht, ist gleichfalls nicht abzusehen. Wird an den Schwierigkeiten seiner
Stellung zu Italien auch für den Fall der Parteinahme Europas für das
Papstthum nichts geändert, so müßte diese und damit zugleich das Verhältniß
der Negierung zur französischen Volksvertretung, eine nahezu unhaltbare wer¬
den, wenn die Haupttheilnehmer des Congresses einfach erklären, Rom habe
sich mit Italien selbst auseinander zu setzen -- die Resultate dieser Ausein¬
andersetzung seien für die übrige Welt gleichgiltig! Edgar Quinets prophetisches
Wort, daß die Bundesgenossenschaft Frankreichs mit illiberalen Ideen das sicherste
Mittel sei, diesen Staat um den Rest seines Pröstige zu bringen, könnte solchen
Falls ein tausendfaches Echo finden und den napoleonischen Thron in einer
Weise erschüttern, der dieser nicht mehr gewachsen ist.

So stehen, unserer Anschauung nach, die Dinge, wenn es zu einem Kon¬
greß kommt -- daß ein solcher ermöglicht werde, ist aber noch lange nicht ent¬
schieden und Gründe, welche gegen das Zustandekommen sprechen, hat jeder
der betheiligten Staaten in reichlichem Maße anzuführen, zumal die Form des
französischen Einladungsschreibens den Gedanken nahe legt, die Eingeladenen
würden veranlaßt werden, neben der römischen noch andere Fragen der Gegen¬
wart zu discutiren. Daß die Völker nichts thun werden, um ihre Regierungen
Zur Annahme der pariser Einladung zu drängen, kann für ausgemacht gelten.
Die öffentliche Meinung Englands mag von der Beschäftigung mit continen-
talen Dingen überhaupt nichts wissen, die in Rußland maßgebende Partei hat
^ wie wir bereits neulich zu erörtern veranlaßt waren -- hundert Anlässe,


Grenzboten IV. 1867. 41

und diesen wird Napoleon schwerlich mit Italien allein zu führen haben. Was
werden die Kammern, die sich inmitten der leidenschaftlichen Erregung des
vergangenen Frühjahrs zu einer Kriegserklärung gegen Preußen nicht entschließen
konnten, — was werden diese zu einem Kriege gegen das Selbstbestimmungs-
recht der Italiener sagen? Wird es für diese irgend welche Bedeutung haben,
wenn die kaiserliche Negierung das Wächteramt an den Thoren der ewigen
Stadt in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der übrigen europäischen Gro߬
mächte führt? So liegen die Dinge, wenn diese europäischen Mächte sich zu
Gunsten des Papstes aussprechen und die bisherige Politik Frankreichs gut
heißen.

Der Gründe für diese Annahme sind ebenso wenige, als der Gründe
für die Wahrscheinlichkeit des Gegentheils viele sind. An der Abneigung,
die England, Preußen und Rußland gegen eine Schwächung Italiens zu Gunsten
des Papstthums hegen, hat sich seit dem Schluß des vorigen Monats absolut
nichts geändert. Das scheint man in Rom noch genauer zu wissen, wie in
Paris, und die Nachricht, daß die Curie lieber mit Frankreich und Italien allein
verhandeln will, als mit einem vorwiegend katholischen Kongreß, ist sicher nicht
aus der Luft gegriffen. Welche Vortheile Frankreich sich von einem solchen
verspricht, ist gleichfalls nicht abzusehen. Wird an den Schwierigkeiten seiner
Stellung zu Italien auch für den Fall der Parteinahme Europas für das
Papstthum nichts geändert, so müßte diese und damit zugleich das Verhältniß
der Negierung zur französischen Volksvertretung, eine nahezu unhaltbare wer¬
den, wenn die Haupttheilnehmer des Congresses einfach erklären, Rom habe
sich mit Italien selbst auseinander zu setzen — die Resultate dieser Ausein¬
andersetzung seien für die übrige Welt gleichgiltig! Edgar Quinets prophetisches
Wort, daß die Bundesgenossenschaft Frankreichs mit illiberalen Ideen das sicherste
Mittel sei, diesen Staat um den Rest seines Pröstige zu bringen, könnte solchen
Falls ein tausendfaches Echo finden und den napoleonischen Thron in einer
Weise erschüttern, der dieser nicht mehr gewachsen ist.

So stehen, unserer Anschauung nach, die Dinge, wenn es zu einem Kon¬
greß kommt — daß ein solcher ermöglicht werde, ist aber noch lange nicht ent¬
schieden und Gründe, welche gegen das Zustandekommen sprechen, hat jeder
der betheiligten Staaten in reichlichem Maße anzuführen, zumal die Form des
französischen Einladungsschreibens den Gedanken nahe legt, die Eingeladenen
würden veranlaßt werden, neben der römischen noch andere Fragen der Gegen¬
wart zu discutiren. Daß die Völker nichts thun werden, um ihre Regierungen
Zur Annahme der pariser Einladung zu drängen, kann für ausgemacht gelten.
Die öffentliche Meinung Englands mag von der Beschäftigung mit continen-
talen Dingen überhaupt nichts wissen, die in Rußland maßgebende Partei hat
^ wie wir bereits neulich zu erörtern veranlaßt waren — hundert Anlässe,


Grenzboten IV. 1867. 41
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192082"/>
            <p xml:id="ID_879" prev="#ID_878"> und diesen wird Napoleon schwerlich mit Italien allein zu führen haben. Was<lb/>
werden die Kammern, die sich inmitten der leidenschaftlichen Erregung des<lb/>
vergangenen Frühjahrs zu einer Kriegserklärung gegen Preußen nicht entschließen<lb/>
konnten, &#x2014; was werden diese zu einem Kriege gegen das Selbstbestimmungs-<lb/>
recht der Italiener sagen? Wird es für diese irgend welche Bedeutung haben,<lb/>
wenn die kaiserliche Negierung das Wächteramt an den Thoren der ewigen<lb/>
Stadt in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der übrigen europäischen Gro߬<lb/>
mächte führt? So liegen die Dinge, wenn diese europäischen Mächte sich zu<lb/>
Gunsten des Papstes aussprechen und die bisherige Politik Frankreichs gut<lb/>
heißen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_880"> Der Gründe für diese Annahme sind ebenso wenige, als der Gründe<lb/>
für die Wahrscheinlichkeit des Gegentheils viele sind. An der Abneigung,<lb/>
die England, Preußen und Rußland gegen eine Schwächung Italiens zu Gunsten<lb/>
des Papstthums hegen, hat sich seit dem Schluß des vorigen Monats absolut<lb/>
nichts geändert. Das scheint man in Rom noch genauer zu wissen, wie in<lb/>
Paris, und die Nachricht, daß die Curie lieber mit Frankreich und Italien allein<lb/>
verhandeln will, als mit einem vorwiegend katholischen Kongreß, ist sicher nicht<lb/>
aus der Luft gegriffen. Welche Vortheile Frankreich sich von einem solchen<lb/>
verspricht, ist gleichfalls nicht abzusehen. Wird an den Schwierigkeiten seiner<lb/>
Stellung zu Italien auch für den Fall der Parteinahme Europas für das<lb/>
Papstthum nichts geändert, so müßte diese und damit zugleich das Verhältniß<lb/>
der Negierung zur französischen Volksvertretung, eine nahezu unhaltbare wer¬<lb/>
den, wenn die Haupttheilnehmer des Congresses einfach erklären, Rom habe<lb/>
sich mit Italien selbst auseinander zu setzen &#x2014; die Resultate dieser Ausein¬<lb/>
andersetzung seien für die übrige Welt gleichgiltig! Edgar Quinets prophetisches<lb/>
Wort, daß die Bundesgenossenschaft Frankreichs mit illiberalen Ideen das sicherste<lb/>
Mittel sei, diesen Staat um den Rest seines Pröstige zu bringen, könnte solchen<lb/>
Falls ein tausendfaches Echo finden und den napoleonischen Thron in einer<lb/>
Weise erschüttern, der dieser nicht mehr gewachsen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_881" next="#ID_882"> So stehen, unserer Anschauung nach, die Dinge, wenn es zu einem Kon¬<lb/>
greß kommt &#x2014; daß ein solcher ermöglicht werde, ist aber noch lange nicht ent¬<lb/>
schieden und Gründe, welche gegen das Zustandekommen sprechen, hat jeder<lb/>
der betheiligten Staaten in reichlichem Maße anzuführen, zumal die Form des<lb/>
französischen Einladungsschreibens den Gedanken nahe legt, die Eingeladenen<lb/>
würden veranlaßt werden, neben der römischen noch andere Fragen der Gegen¬<lb/>
wart zu discutiren. Daß die Völker nichts thun werden, um ihre Regierungen<lb/>
Zur Annahme der pariser Einladung zu drängen, kann für ausgemacht gelten.<lb/>
Die öffentliche Meinung Englands mag von der Beschäftigung mit continen-<lb/>
talen Dingen überhaupt nichts wissen, die in Rußland maßgebende Partei hat<lb/>
^ wie wir bereits neulich zu erörtern veranlaßt waren &#x2014; hundert Anlässe,</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1867. 41</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0321] und diesen wird Napoleon schwerlich mit Italien allein zu führen haben. Was werden die Kammern, die sich inmitten der leidenschaftlichen Erregung des vergangenen Frühjahrs zu einer Kriegserklärung gegen Preußen nicht entschließen konnten, — was werden diese zu einem Kriege gegen das Selbstbestimmungs- recht der Italiener sagen? Wird es für diese irgend welche Bedeutung haben, wenn die kaiserliche Negierung das Wächteramt an den Thoren der ewigen Stadt in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der übrigen europäischen Gro߬ mächte führt? So liegen die Dinge, wenn diese europäischen Mächte sich zu Gunsten des Papstes aussprechen und die bisherige Politik Frankreichs gut heißen. Der Gründe für diese Annahme sind ebenso wenige, als der Gründe für die Wahrscheinlichkeit des Gegentheils viele sind. An der Abneigung, die England, Preußen und Rußland gegen eine Schwächung Italiens zu Gunsten des Papstthums hegen, hat sich seit dem Schluß des vorigen Monats absolut nichts geändert. Das scheint man in Rom noch genauer zu wissen, wie in Paris, und die Nachricht, daß die Curie lieber mit Frankreich und Italien allein verhandeln will, als mit einem vorwiegend katholischen Kongreß, ist sicher nicht aus der Luft gegriffen. Welche Vortheile Frankreich sich von einem solchen verspricht, ist gleichfalls nicht abzusehen. Wird an den Schwierigkeiten seiner Stellung zu Italien auch für den Fall der Parteinahme Europas für das Papstthum nichts geändert, so müßte diese und damit zugleich das Verhältniß der Negierung zur französischen Volksvertretung, eine nahezu unhaltbare wer¬ den, wenn die Haupttheilnehmer des Congresses einfach erklären, Rom habe sich mit Italien selbst auseinander zu setzen — die Resultate dieser Ausein¬ andersetzung seien für die übrige Welt gleichgiltig! Edgar Quinets prophetisches Wort, daß die Bundesgenossenschaft Frankreichs mit illiberalen Ideen das sicherste Mittel sei, diesen Staat um den Rest seines Pröstige zu bringen, könnte solchen Falls ein tausendfaches Echo finden und den napoleonischen Thron in einer Weise erschüttern, der dieser nicht mehr gewachsen ist. So stehen, unserer Anschauung nach, die Dinge, wenn es zu einem Kon¬ greß kommt — daß ein solcher ermöglicht werde, ist aber noch lange nicht ent¬ schieden und Gründe, welche gegen das Zustandekommen sprechen, hat jeder der betheiligten Staaten in reichlichem Maße anzuführen, zumal die Form des französischen Einladungsschreibens den Gedanken nahe legt, die Eingeladenen würden veranlaßt werden, neben der römischen noch andere Fragen der Gegen¬ wart zu discutiren. Daß die Völker nichts thun werden, um ihre Regierungen Zur Annahme der pariser Einladung zu drängen, kann für ausgemacht gelten. Die öffentliche Meinung Englands mag von der Beschäftigung mit continen- talen Dingen überhaupt nichts wissen, die in Rußland maßgebende Partei hat ^ wie wir bereits neulich zu erörtern veranlaßt waren — hundert Anlässe, Grenzboten IV. 1867. 41

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/321
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/321>, abgerufen am 27.09.2024.