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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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wohnten Vorstellung von der schneeweißen Antike einen schwer zu besiegenden Geg¬
ner hat. Vielleicht gelingt es bei dem neuentdeckten Mausoleum, welches in seiner
jetzigen weißgrauen Erscheinung noch nicht mit unseren Vorstellungen verwachsen
ist, das gewohnte Vorurtheil gegen die farbige Kunst zu überwinden; es wave
wohl noch leichter sein, wenn man in jener glücklichen Welt gelebt oder wenn
es jemandem gelingen könnte, den tiefblauen Himmel, das helle Grün der nie
welkenden Eichenhaine, das schimmernde Silbergrau der Oliven, die Purpur-
gluth des hellenischen Meeres mit der strahlenden Inselkette deS Archipelagus
würdig zu schildern. Ein werthvoller Anhaltspunkt ist unserer Phantasie in
der Beschreibung der Tracht der kleinasiatischen Griechen gegeben, die sich bei
Athenäus erhalten hat und auch von Semper zu diesem Behuf angeführt wird:
"Die Joner in Ephesus haben veilchenblaue, purpurn und safrangelb gemu¬
sterte Unterkleider, deren Bordüren gleichmäßig mit allerhand Arabesken ge¬
schmückt sind, ihre Mäntel sind apfelgrün und purpurn oder weiß, zuweilen
auch dunkelviolett wie das Meer. Die Kalasiren (lange mit Troddeln besetzte
Gewänder) sind korinthische Arbeit, davon sind einige purpurfarbig, andere
vcilchenfarbig. andere wieder hyacinthfarbig; manche nehmen sie auch feuer-
vdcr mecrfarbcn. Auch sind persische Kalasiren häufig, die schönsten von allen;
man sieht auch sogenannte Aktcicn, die unter allen persischen Ueberwürfen als
die kostbarsten gelten, ein sehr dichtes Gewebe, durch Dauer und Leichtigkeit
gleich ausgezeichnet und mit goldenen Flittern besäet. Jedes Flitterchen ist mit
einem durch das mittlere Auge gezogenen Purpurfaden an die innere Seite
des Gewandes befestigt."

In einer Umgebung von so überschwenglicher Farbenpracht kann gewiß
ein Gebäude nur harmonisch wirken, wenn es sich gleichfalls durch kräftige und
entschiedene Färbung zur Geltung bringt.

Leider fehlt es in Deutschland noch fast gänzlich an den Hilfsmitteln, um
eine Anschauung jenes Weltwunders zu gewinnen. Nicht einmal für das
berliner Museum sind die Abgüsse von der Kolossalstatue des Maussollos
und den neu gefundenen Bildwerken und Architccturrcsten angekauft, nur die
Abgüsse der in Budrum und Genua erhaltenen Platten sind vorhanden, aber
an verschiedenen Wänden des Treppenhauses so zerstückelt und hoch angebracht
daß eine Würdigung derselben kaum möglich ist.*) Dagegen befindet sich im
donner Museum die Figur des Maussollos schon seit länger als einem Jahre,
und so gehört für den, der nicht gerade nach London fahren will, der alte



") Die Platten von Vudrum find Ur. 5K--63 und W--97, die S Stück der Platte
von Genua Ur. 104--10t>. Diese letzteren sind mit den beiden Langseiten und einer Schmal¬
seite des berühmten Fuggerschcn Amazonensarkophags aus Wien zu einem Reliefstreifen zu"
sammengcgipst und auch im offiziellen Katalog als Theile jenes Sarkophogs verzeichnet.

wohnten Vorstellung von der schneeweißen Antike einen schwer zu besiegenden Geg¬
ner hat. Vielleicht gelingt es bei dem neuentdeckten Mausoleum, welches in seiner
jetzigen weißgrauen Erscheinung noch nicht mit unseren Vorstellungen verwachsen
ist, das gewohnte Vorurtheil gegen die farbige Kunst zu überwinden; es wave
wohl noch leichter sein, wenn man in jener glücklichen Welt gelebt oder wenn
es jemandem gelingen könnte, den tiefblauen Himmel, das helle Grün der nie
welkenden Eichenhaine, das schimmernde Silbergrau der Oliven, die Purpur-
gluth des hellenischen Meeres mit der strahlenden Inselkette deS Archipelagus
würdig zu schildern. Ein werthvoller Anhaltspunkt ist unserer Phantasie in
der Beschreibung der Tracht der kleinasiatischen Griechen gegeben, die sich bei
Athenäus erhalten hat und auch von Semper zu diesem Behuf angeführt wird:
„Die Joner in Ephesus haben veilchenblaue, purpurn und safrangelb gemu¬
sterte Unterkleider, deren Bordüren gleichmäßig mit allerhand Arabesken ge¬
schmückt sind, ihre Mäntel sind apfelgrün und purpurn oder weiß, zuweilen
auch dunkelviolett wie das Meer. Die Kalasiren (lange mit Troddeln besetzte
Gewänder) sind korinthische Arbeit, davon sind einige purpurfarbig, andere
vcilchenfarbig. andere wieder hyacinthfarbig; manche nehmen sie auch feuer-
vdcr mecrfarbcn. Auch sind persische Kalasiren häufig, die schönsten von allen;
man sieht auch sogenannte Aktcicn, die unter allen persischen Ueberwürfen als
die kostbarsten gelten, ein sehr dichtes Gewebe, durch Dauer und Leichtigkeit
gleich ausgezeichnet und mit goldenen Flittern besäet. Jedes Flitterchen ist mit
einem durch das mittlere Auge gezogenen Purpurfaden an die innere Seite
des Gewandes befestigt."

In einer Umgebung von so überschwenglicher Farbenpracht kann gewiß
ein Gebäude nur harmonisch wirken, wenn es sich gleichfalls durch kräftige und
entschiedene Färbung zur Geltung bringt.

Leider fehlt es in Deutschland noch fast gänzlich an den Hilfsmitteln, um
eine Anschauung jenes Weltwunders zu gewinnen. Nicht einmal für das
berliner Museum sind die Abgüsse von der Kolossalstatue des Maussollos
und den neu gefundenen Bildwerken und Architccturrcsten angekauft, nur die
Abgüsse der in Budrum und Genua erhaltenen Platten sind vorhanden, aber
an verschiedenen Wänden des Treppenhauses so zerstückelt und hoch angebracht
daß eine Würdigung derselben kaum möglich ist.*) Dagegen befindet sich im
donner Museum die Figur des Maussollos schon seit länger als einem Jahre,
und so gehört für den, der nicht gerade nach London fahren will, der alte



") Die Platten von Vudrum find Ur. 5K—63 und W—97, die S Stück der Platte
von Genua Ur. 104—10t>. Diese letzteren sind mit den beiden Langseiten und einer Schmal¬
seite des berühmten Fuggerschcn Amazonensarkophags aus Wien zu einem Reliefstreifen zu»
sammengcgipst und auch im offiziellen Katalog als Theile jenes Sarkophogs verzeichnet.
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[0282] wohnten Vorstellung von der schneeweißen Antike einen schwer zu besiegenden Geg¬ ner hat. Vielleicht gelingt es bei dem neuentdeckten Mausoleum, welches in seiner jetzigen weißgrauen Erscheinung noch nicht mit unseren Vorstellungen verwachsen ist, das gewohnte Vorurtheil gegen die farbige Kunst zu überwinden; es wave wohl noch leichter sein, wenn man in jener glücklichen Welt gelebt oder wenn es jemandem gelingen könnte, den tiefblauen Himmel, das helle Grün der nie welkenden Eichenhaine, das schimmernde Silbergrau der Oliven, die Purpur- gluth des hellenischen Meeres mit der strahlenden Inselkette deS Archipelagus würdig zu schildern. Ein werthvoller Anhaltspunkt ist unserer Phantasie in der Beschreibung der Tracht der kleinasiatischen Griechen gegeben, die sich bei Athenäus erhalten hat und auch von Semper zu diesem Behuf angeführt wird: „Die Joner in Ephesus haben veilchenblaue, purpurn und safrangelb gemu¬ sterte Unterkleider, deren Bordüren gleichmäßig mit allerhand Arabesken ge¬ schmückt sind, ihre Mäntel sind apfelgrün und purpurn oder weiß, zuweilen auch dunkelviolett wie das Meer. Die Kalasiren (lange mit Troddeln besetzte Gewänder) sind korinthische Arbeit, davon sind einige purpurfarbig, andere vcilchenfarbig. andere wieder hyacinthfarbig; manche nehmen sie auch feuer- vdcr mecrfarbcn. Auch sind persische Kalasiren häufig, die schönsten von allen; man sieht auch sogenannte Aktcicn, die unter allen persischen Ueberwürfen als die kostbarsten gelten, ein sehr dichtes Gewebe, durch Dauer und Leichtigkeit gleich ausgezeichnet und mit goldenen Flittern besäet. Jedes Flitterchen ist mit einem durch das mittlere Auge gezogenen Purpurfaden an die innere Seite des Gewandes befestigt." In einer Umgebung von so überschwenglicher Farbenpracht kann gewiß ein Gebäude nur harmonisch wirken, wenn es sich gleichfalls durch kräftige und entschiedene Färbung zur Geltung bringt. Leider fehlt es in Deutschland noch fast gänzlich an den Hilfsmitteln, um eine Anschauung jenes Weltwunders zu gewinnen. Nicht einmal für das berliner Museum sind die Abgüsse von der Kolossalstatue des Maussollos und den neu gefundenen Bildwerken und Architccturrcsten angekauft, nur die Abgüsse der in Budrum und Genua erhaltenen Platten sind vorhanden, aber an verschiedenen Wänden des Treppenhauses so zerstückelt und hoch angebracht daß eine Würdigung derselben kaum möglich ist.*) Dagegen befindet sich im donner Museum die Figur des Maussollos schon seit länger als einem Jahre, und so gehört für den, der nicht gerade nach London fahren will, der alte ") Die Platten von Vudrum find Ur. 5K—63 und W—97, die S Stück der Platte von Genua Ur. 104—10t>. Diese letzteren sind mit den beiden Langseiten und einer Schmal¬ seite des berühmten Fuggerschcn Amazonensarkophags aus Wien zu einem Reliefstreifen zu» sammengcgipst und auch im offiziellen Katalog als Theile jenes Sarkophogs verzeichnet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/282>, abgerufen am 27.09.2024.