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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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auszulaufen. Die Anwesenheit eines Kriegsschiffes machte die Verhandlungen
außerdem noch schwieriger, denn den Offizieren und Matrosen konnte man doch
die Entdeckung des Mausoleums nicht verheimlichen und an eine ganze Schiffs¬
besatzung kann man auch wieder nichts als tiefes Geheimniß mittheilen.
Glücklicherweise konnte damals von allen, die an der Expedition betheiligt
waren, außer mir niemand auch nur drei Worte türkisch sprechen. Dennoch
drang zu den Eigenthümern der Häuser bald ein unbestimmtes Gerücht, daß
der Konsul irgend etwas sehr Herrliches gefunden habe -- das Kvnak irgend
eines Padischah. der vor 2000 Jahren gelebt habe. Und sie richteten denn
auch ihre Forderungen darnach ein."

"Nachdem ich wenige Tage auf dem schmalen Fettstreifen, den man mir
überlassen, gegraben hatte, erklärte mir der Besitzer deS Feldes, daß ich nun
doch wohl meine Neugierde befriedigt und mich überzeugt haben würde, daß
nichts zu finden sei; er erwarte also die Entfernung meiner Arbeiter. Ich bat
um einige Tage Aufschub, die mir denn endlich nach langem Sträuben bewilligt
wurden. Jetzt brachte ich in Erfahrung, daß jenes Feld, auf welchem ich das
Bruchstück des Löwen gefunden, einer frommen Stiftung gehörte, deren Verwalter
mein guter Freund Sauk Bey war. Nichts war leichter, als von diesem ge¬
fälligen und gastfreundlichen Herrn die Erlaubniß zum Nachgraben zü erlangen.
Ich riß die Mauer mit dem Stück des Löwen nieder und fand in ihr fünf bis
sechs Säulentrvmmeln, das Bein eines Löwen und verschiedene marmorne Bau¬
stücke griechischer Arbeit. Dann bekam ich Erlaubniß, ein Stückchen Land nord¬
wärts von diesem, welches einem dritten Eigenthümer gehörte, umzugraben.
Als jene Mauer entfernt war, grub ich tiefer und stieß auf einen verticalen
Rand des lebendigen Felsens, der von Süden nach Norden sich erstreckte. Aus
der Bearbeitung des Gesteins ersah ich. daß der Fels zur Aufnahme einer
Mauer vorbereitet war und aus der Gleichmäßigkeit der Meißelschläge ergab
sich unzweifelhaft griechische Arbeit. Indem ich hier weiter arbeitete, stieß ich
in einer Tiefe von 12 Fuß auf grüne Steinplatten 4' im Quadrat und 1' dick
mit eisernen Krämpen fest zusammengehalten, welche ich zuerst für eine Pflasterung
hielt. Diese erstreckte sich ostwärts weiter als ich folgen konnte; denn in einer
Entfernung von etwa 20 Fuß wurde, mein Untersuchungsfcld durch ein kleines
Häuschen abgeschnitten, in welchem ein alter Türke mit seinem Weibe wohnte.
Auf dem schmalen Streifen zwischen der Felskante und dem Häuschen fand ich
wiederum Basen und Trommeln ionischer Säulen und reichverzierte Theile einer
marmornen Dcckencassette und zwar mit Erhaltung der blauen Farbe, die noch
in dicken, breiten Fladen darauf lag und von der Intensität des Ultramarins
war. Nahe dabei fanden sich zwei Theile von Löwenkörpern, die in Stil und
Größe vollständig denen des Castells entsprachen. Obgleich ich damals noch nicht
wußte, daß ich auf dem westlichen Rand des Mausoleum-Fundamentes stand,


auszulaufen. Die Anwesenheit eines Kriegsschiffes machte die Verhandlungen
außerdem noch schwieriger, denn den Offizieren und Matrosen konnte man doch
die Entdeckung des Mausoleums nicht verheimlichen und an eine ganze Schiffs¬
besatzung kann man auch wieder nichts als tiefes Geheimniß mittheilen.
Glücklicherweise konnte damals von allen, die an der Expedition betheiligt
waren, außer mir niemand auch nur drei Worte türkisch sprechen. Dennoch
drang zu den Eigenthümern der Häuser bald ein unbestimmtes Gerücht, daß
der Konsul irgend etwas sehr Herrliches gefunden habe — das Kvnak irgend
eines Padischah. der vor 2000 Jahren gelebt habe. Und sie richteten denn
auch ihre Forderungen darnach ein."

„Nachdem ich wenige Tage auf dem schmalen Fettstreifen, den man mir
überlassen, gegraben hatte, erklärte mir der Besitzer deS Feldes, daß ich nun
doch wohl meine Neugierde befriedigt und mich überzeugt haben würde, daß
nichts zu finden sei; er erwarte also die Entfernung meiner Arbeiter. Ich bat
um einige Tage Aufschub, die mir denn endlich nach langem Sträuben bewilligt
wurden. Jetzt brachte ich in Erfahrung, daß jenes Feld, auf welchem ich das
Bruchstück des Löwen gefunden, einer frommen Stiftung gehörte, deren Verwalter
mein guter Freund Sauk Bey war. Nichts war leichter, als von diesem ge¬
fälligen und gastfreundlichen Herrn die Erlaubniß zum Nachgraben zü erlangen.
Ich riß die Mauer mit dem Stück des Löwen nieder und fand in ihr fünf bis
sechs Säulentrvmmeln, das Bein eines Löwen und verschiedene marmorne Bau¬
stücke griechischer Arbeit. Dann bekam ich Erlaubniß, ein Stückchen Land nord¬
wärts von diesem, welches einem dritten Eigenthümer gehörte, umzugraben.
Als jene Mauer entfernt war, grub ich tiefer und stieß auf einen verticalen
Rand des lebendigen Felsens, der von Süden nach Norden sich erstreckte. Aus
der Bearbeitung des Gesteins ersah ich. daß der Fels zur Aufnahme einer
Mauer vorbereitet war und aus der Gleichmäßigkeit der Meißelschläge ergab
sich unzweifelhaft griechische Arbeit. Indem ich hier weiter arbeitete, stieß ich
in einer Tiefe von 12 Fuß auf grüne Steinplatten 4' im Quadrat und 1' dick
mit eisernen Krämpen fest zusammengehalten, welche ich zuerst für eine Pflasterung
hielt. Diese erstreckte sich ostwärts weiter als ich folgen konnte; denn in einer
Entfernung von etwa 20 Fuß wurde, mein Untersuchungsfcld durch ein kleines
Häuschen abgeschnitten, in welchem ein alter Türke mit seinem Weibe wohnte.
Auf dem schmalen Streifen zwischen der Felskante und dem Häuschen fand ich
wiederum Basen und Trommeln ionischer Säulen und reichverzierte Theile einer
marmornen Dcckencassette und zwar mit Erhaltung der blauen Farbe, die noch
in dicken, breiten Fladen darauf lag und von der Intensität des Ultramarins
war. Nahe dabei fanden sich zwei Theile von Löwenkörpern, die in Stil und
Größe vollständig denen des Castells entsprachen. Obgleich ich damals noch nicht
wußte, daß ich auf dem westlichen Rand des Mausoleum-Fundamentes stand,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/268>, abgerufen am 27.09.2024.