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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Ortsangaben der alten Schriftsteller zu bestimmen. Die Ansicht, welche er auf¬
stellt?, wurde lebhaft bekämpft, besonders von Ludwig Roß, dem deutschen Pro¬
fessor zu Athen, welcher die Stätten 18S0 selber besucht hatte, auch der Lieute¬
nant T. Spratt, welcher die topographischen Aufnahmen leitete, wich von New¬
tons Ansicht ab.

Im Jahre 1852 übernahm letzterer das Biceconsulat auf Mitylene. Durch
die Besetzung derartiger Aemter auf classischem Boden mit antiquarisch ge¬
bildeten Leuten ist die englische Regierung in der glücklichen Lage, ein ganzes
Netz von Agenten für die Anläufe antiker Kunstwerke aufzuspannen; auch
Newton erhielt den Auftrag, seine Nachforschungen nach derartigen Schätzen
über das Gebiet seines Amtsbezirks auszudehnen, zu welchem Zweck ihm ein
jährlicher Zuschuß angewiesen war. Welche Thätigkeit Newton entfaltete, mag
die eine Zahl andeuten, daß er während seines neunjährigen Aufenthalts in
der Levante 384 Kisten mit Alterthümern in das Lritisli Nuseum beförderte,
unter denen die Ueberreste des Mausoleums die Hauptmasse bilden. Im Jahre
18S5 machte er einen kurzen Ausflug nach Budrum und besuchte zuerst das
Castell, um sich zu überzeugen, ob außer den bereits entfernten Platten noch
weitere Stücke des Mausoleums daselbst zu finden wären. Sobald er die Schwelle
überschritten, sah er zu seiner freudigen Ueberraschung Bordertheile von Löwen
aus parteiischen Marmor an verschiedenen Stellen als Zierrath in die Mauer
eingesetzt. Die Borzüglichkeit der griechischen Arbeit ließ keinen Zweifel über
ihre Zugehörigkeit zum Mausoleum entstehen. Auch Ludwig Roß, welcher sie nur
von weitem gesehen, war derselben Meinung gewesen. Newton berichtete über
diesen Fund sogleich an Lord Stratford de Redcliffc, der noch britischer Ge¬
sandter in Constantinopel war, und trotz der heißen Tage des Krimkrieges er¬
langte derselbe die Genehmigung, die Löwen fortzuschaffen und überließ an
Newton ein Schiff der Flotte, um damit im Frühling 18S6 nach Budrum zu¬
rückzukehren. Doch auch dieser Besuch war nur von kurzer Dauer, der Firman
war noch nicht eingetroffen, das von Lord Stratford vorgeschossene Geld ging
bei kleinen Ausgrabungen zu Ende, und im April mußte Newton in Amts-
geschäften nach Mitylene zurück. Jedoch schon im Herbst desselben Jahres reiste
er auf kurze Zeit nach England und wußte bei der Regierung die Ausrüstung
einer Expedition zur Einholung jener Ueberreste und zur Anstellung vo" Nach¬
grabungen nach weiteren Stücken des Mausoleums zu erwirken. Man über¬
wies ihm die Dampfcorvette Gorgo mit einer Besatzung von 1S0 Mann unter
dem Commando des Capitains Towsey. Außerdem begleitete ihn ein kleiner
Trupp von Ingenieuren unter Führung des Lieutenants Smith; fernere Theil-
nehmer waren die Korporale Jentins und Spackman, welcher letztere sich aufs
Photographiren verstand, und zwei Gefreite, von denen der eine Schlosser, der
andere Maurer war. Diese vortrefflich zusammengesetzte Expeditionsmannschast


Grenzboten IV. 1867. 34

Ortsangaben der alten Schriftsteller zu bestimmen. Die Ansicht, welche er auf¬
stellt?, wurde lebhaft bekämpft, besonders von Ludwig Roß, dem deutschen Pro¬
fessor zu Athen, welcher die Stätten 18S0 selber besucht hatte, auch der Lieute¬
nant T. Spratt, welcher die topographischen Aufnahmen leitete, wich von New¬
tons Ansicht ab.

Im Jahre 1852 übernahm letzterer das Biceconsulat auf Mitylene. Durch
die Besetzung derartiger Aemter auf classischem Boden mit antiquarisch ge¬
bildeten Leuten ist die englische Regierung in der glücklichen Lage, ein ganzes
Netz von Agenten für die Anläufe antiker Kunstwerke aufzuspannen; auch
Newton erhielt den Auftrag, seine Nachforschungen nach derartigen Schätzen
über das Gebiet seines Amtsbezirks auszudehnen, zu welchem Zweck ihm ein
jährlicher Zuschuß angewiesen war. Welche Thätigkeit Newton entfaltete, mag
die eine Zahl andeuten, daß er während seines neunjährigen Aufenthalts in
der Levante 384 Kisten mit Alterthümern in das Lritisli Nuseum beförderte,
unter denen die Ueberreste des Mausoleums die Hauptmasse bilden. Im Jahre
18S5 machte er einen kurzen Ausflug nach Budrum und besuchte zuerst das
Castell, um sich zu überzeugen, ob außer den bereits entfernten Platten noch
weitere Stücke des Mausoleums daselbst zu finden wären. Sobald er die Schwelle
überschritten, sah er zu seiner freudigen Ueberraschung Bordertheile von Löwen
aus parteiischen Marmor an verschiedenen Stellen als Zierrath in die Mauer
eingesetzt. Die Borzüglichkeit der griechischen Arbeit ließ keinen Zweifel über
ihre Zugehörigkeit zum Mausoleum entstehen. Auch Ludwig Roß, welcher sie nur
von weitem gesehen, war derselben Meinung gewesen. Newton berichtete über
diesen Fund sogleich an Lord Stratford de Redcliffc, der noch britischer Ge¬
sandter in Constantinopel war, und trotz der heißen Tage des Krimkrieges er¬
langte derselbe die Genehmigung, die Löwen fortzuschaffen und überließ an
Newton ein Schiff der Flotte, um damit im Frühling 18S6 nach Budrum zu¬
rückzukehren. Doch auch dieser Besuch war nur von kurzer Dauer, der Firman
war noch nicht eingetroffen, das von Lord Stratford vorgeschossene Geld ging
bei kleinen Ausgrabungen zu Ende, und im April mußte Newton in Amts-
geschäften nach Mitylene zurück. Jedoch schon im Herbst desselben Jahres reiste
er auf kurze Zeit nach England und wußte bei der Regierung die Ausrüstung
einer Expedition zur Einholung jener Ueberreste und zur Anstellung vo» Nach¬
grabungen nach weiteren Stücken des Mausoleums zu erwirken. Man über¬
wies ihm die Dampfcorvette Gorgo mit einer Besatzung von 1S0 Mann unter
dem Commando des Capitains Towsey. Außerdem begleitete ihn ein kleiner
Trupp von Ingenieuren unter Führung des Lieutenants Smith; fernere Theil-
nehmer waren die Korporale Jentins und Spackman, welcher letztere sich aufs
Photographiren verstand, und zwei Gefreite, von denen der eine Schlosser, der
andere Maurer war. Diese vortrefflich zusammengesetzte Expeditionsmannschast


Grenzboten IV. 1867. 34
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[0265] Ortsangaben der alten Schriftsteller zu bestimmen. Die Ansicht, welche er auf¬ stellt?, wurde lebhaft bekämpft, besonders von Ludwig Roß, dem deutschen Pro¬ fessor zu Athen, welcher die Stätten 18S0 selber besucht hatte, auch der Lieute¬ nant T. Spratt, welcher die topographischen Aufnahmen leitete, wich von New¬ tons Ansicht ab. Im Jahre 1852 übernahm letzterer das Biceconsulat auf Mitylene. Durch die Besetzung derartiger Aemter auf classischem Boden mit antiquarisch ge¬ bildeten Leuten ist die englische Regierung in der glücklichen Lage, ein ganzes Netz von Agenten für die Anläufe antiker Kunstwerke aufzuspannen; auch Newton erhielt den Auftrag, seine Nachforschungen nach derartigen Schätzen über das Gebiet seines Amtsbezirks auszudehnen, zu welchem Zweck ihm ein jährlicher Zuschuß angewiesen war. Welche Thätigkeit Newton entfaltete, mag die eine Zahl andeuten, daß er während seines neunjährigen Aufenthalts in der Levante 384 Kisten mit Alterthümern in das Lritisli Nuseum beförderte, unter denen die Ueberreste des Mausoleums die Hauptmasse bilden. Im Jahre 18S5 machte er einen kurzen Ausflug nach Budrum und besuchte zuerst das Castell, um sich zu überzeugen, ob außer den bereits entfernten Platten noch weitere Stücke des Mausoleums daselbst zu finden wären. Sobald er die Schwelle überschritten, sah er zu seiner freudigen Ueberraschung Bordertheile von Löwen aus parteiischen Marmor an verschiedenen Stellen als Zierrath in die Mauer eingesetzt. Die Borzüglichkeit der griechischen Arbeit ließ keinen Zweifel über ihre Zugehörigkeit zum Mausoleum entstehen. Auch Ludwig Roß, welcher sie nur von weitem gesehen, war derselben Meinung gewesen. Newton berichtete über diesen Fund sogleich an Lord Stratford de Redcliffc, der noch britischer Ge¬ sandter in Constantinopel war, und trotz der heißen Tage des Krimkrieges er¬ langte derselbe die Genehmigung, die Löwen fortzuschaffen und überließ an Newton ein Schiff der Flotte, um damit im Frühling 18S6 nach Budrum zu¬ rückzukehren. Doch auch dieser Besuch war nur von kurzer Dauer, der Firman war noch nicht eingetroffen, das von Lord Stratford vorgeschossene Geld ging bei kleinen Ausgrabungen zu Ende, und im April mußte Newton in Amts- geschäften nach Mitylene zurück. Jedoch schon im Herbst desselben Jahres reiste er auf kurze Zeit nach England und wußte bei der Regierung die Ausrüstung einer Expedition zur Einholung jener Ueberreste und zur Anstellung vo» Nach¬ grabungen nach weiteren Stücken des Mausoleums zu erwirken. Man über¬ wies ihm die Dampfcorvette Gorgo mit einer Besatzung von 1S0 Mann unter dem Commando des Capitains Towsey. Außerdem begleitete ihn ein kleiner Trupp von Ingenieuren unter Führung des Lieutenants Smith; fernere Theil- nehmer waren die Korporale Jentins und Spackman, welcher letztere sich aufs Photographiren verstand, und zwei Gefreite, von denen der eine Schlosser, der andere Maurer war. Diese vortrefflich zusammengesetzte Expeditionsmannschast Grenzboten IV. 1867. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/265>, abgerufen am 27.09.2024.