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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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an Zeit, sie mußten forteilen, da es schon zum Rückweg geläutet hatte. Als
sie am nächste" Tage zurückkehrten, fanden sie den Sarkophag erbrochen und
den Boden rings herum mit kleinen Stückchen von Goldbrokat und kleinen
goldenen Flittern bedeckt; sie mußten annehmen, daß die Seeräuber, welche
damals längs der Küsten streiften, von den gemachten Entdeckungen Wind be¬
kommen hatten und während der Nacht den Deckel des Sarkophags abgehoben
hatten; wahrscheinlich fanden diese in demselben große Reichthümer und
Schätze."") --

Der Zerstörungswuth entgingen nur einige Reliefplattcn, welche die Ritter
als Ornamente an ihrem Castell zu verwerthen wußten und welche schon in
der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts die Aufmerksamkeit des französischen
Reisenden TH6veuve erregten. In vielen Reisebeschreibungen des vorigen Jahr¬
hunderts werden sie erwähnt und ohne einen sichern Beweis führen zu können,
nahm man doch für gewiß an, daß sie dem Mausoleum entlehnt sein müßten.
Zeichnungen derselben, welche Dalton im Jahre 17S1 hatte anfertigen lassen,
und das hohe Lob, welches ihnen von allen Kennern gezollt wurde, ver¬
anlaßten im Jahre 1848 den Viscount Stratfort de Nedcliffe, damals eng¬
lischen Gesandten in Constantinopel, sich einen Firman von der Pforte zu er¬
wirken, der ihm die Berechtigung zur Wegnahme derselben gab. So kamen
sie in das Lritisli Nu8eum. Es waren 13 Platten in ziemlich hohem Relief,
zum Theil sehr vom Wetter beschädigt. Dargestellt sind Kämpfe zwischen Ama¬
zonen und Griechen, aus die wir weiter unten näher eingehen wollen. Einige
Jahre später bemerkte eine gelehrte deutsche Frau, deren Kunstkennerschaft von
wenigen Männern erreicht wurde und die selber eine nicht unbeträchtliche Samm¬
lung besaß, Frau von Mertens-SchaffKausen in Bonn, in der Villa ti Negro
zu Genua eine Relief-Platte, welche sie sofort als zusammengehörig mit jenen
Sculpturen erkannte. Wie die Platte nach Genua gekommen, läßt sich nicht
mehr feststellen, es mag sie wohl einer der Johanniterritter als Andenken in
seine Heimath mitgenommen haben. Auch dieses Stück wurde nach dem Tode
des damaligen Besitzers im Jahre 1864 für das Lritisli Nuseum angekauft.

Die Erwerbung der Sculpturen des Castells regte die Frage nach dem
Mausoleum wieder in lebhaftester Weise an. Es fehlte nicht an Gelehrten,
welche ihre Herkunft vom Mausoleum bestritten; aber entscheidend wurde, daß
in England die Gelehrten Cockerell und Newton, von denen besonders der
letztere eine eifrige Thätigkeit entwickelte, die englische Admiralität veranlaßten, ge¬
naue topographische Aufnahmen der Stätte des alten Halikarnass zu veranstalten.
Mit Hilfe dieser Karte suchte Newton die Lage des Mausoleums nach den



Dieser Bericht ist mitgetheilt in Guichard. Kenel-Mos clos lion-uns, Vi^c-s, oto.
I.x<in 1S81.

an Zeit, sie mußten forteilen, da es schon zum Rückweg geläutet hatte. Als
sie am nächste» Tage zurückkehrten, fanden sie den Sarkophag erbrochen und
den Boden rings herum mit kleinen Stückchen von Goldbrokat und kleinen
goldenen Flittern bedeckt; sie mußten annehmen, daß die Seeräuber, welche
damals längs der Küsten streiften, von den gemachten Entdeckungen Wind be¬
kommen hatten und während der Nacht den Deckel des Sarkophags abgehoben
hatten; wahrscheinlich fanden diese in demselben große Reichthümer und
Schätze."") —

Der Zerstörungswuth entgingen nur einige Reliefplattcn, welche die Ritter
als Ornamente an ihrem Castell zu verwerthen wußten und welche schon in
der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts die Aufmerksamkeit des französischen
Reisenden TH6veuve erregten. In vielen Reisebeschreibungen des vorigen Jahr¬
hunderts werden sie erwähnt und ohne einen sichern Beweis führen zu können,
nahm man doch für gewiß an, daß sie dem Mausoleum entlehnt sein müßten.
Zeichnungen derselben, welche Dalton im Jahre 17S1 hatte anfertigen lassen,
und das hohe Lob, welches ihnen von allen Kennern gezollt wurde, ver¬
anlaßten im Jahre 1848 den Viscount Stratfort de Nedcliffe, damals eng¬
lischen Gesandten in Constantinopel, sich einen Firman von der Pforte zu er¬
wirken, der ihm die Berechtigung zur Wegnahme derselben gab. So kamen
sie in das Lritisli Nu8eum. Es waren 13 Platten in ziemlich hohem Relief,
zum Theil sehr vom Wetter beschädigt. Dargestellt sind Kämpfe zwischen Ama¬
zonen und Griechen, aus die wir weiter unten näher eingehen wollen. Einige
Jahre später bemerkte eine gelehrte deutsche Frau, deren Kunstkennerschaft von
wenigen Männern erreicht wurde und die selber eine nicht unbeträchtliche Samm¬
lung besaß, Frau von Mertens-SchaffKausen in Bonn, in der Villa ti Negro
zu Genua eine Relief-Platte, welche sie sofort als zusammengehörig mit jenen
Sculpturen erkannte. Wie die Platte nach Genua gekommen, läßt sich nicht
mehr feststellen, es mag sie wohl einer der Johanniterritter als Andenken in
seine Heimath mitgenommen haben. Auch dieses Stück wurde nach dem Tode
des damaligen Besitzers im Jahre 1864 für das Lritisli Nuseum angekauft.

Die Erwerbung der Sculpturen des Castells regte die Frage nach dem
Mausoleum wieder in lebhaftester Weise an. Es fehlte nicht an Gelehrten,
welche ihre Herkunft vom Mausoleum bestritten; aber entscheidend wurde, daß
in England die Gelehrten Cockerell und Newton, von denen besonders der
letztere eine eifrige Thätigkeit entwickelte, die englische Admiralität veranlaßten, ge¬
naue topographische Aufnahmen der Stätte des alten Halikarnass zu veranstalten.
Mit Hilfe dieser Karte suchte Newton die Lage des Mausoleums nach den



Dieser Bericht ist mitgetheilt in Guichard. Kenel-Mos clos lion-uns, Vi^c-s, oto.
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[0264] an Zeit, sie mußten forteilen, da es schon zum Rückweg geläutet hatte. Als sie am nächste» Tage zurückkehrten, fanden sie den Sarkophag erbrochen und den Boden rings herum mit kleinen Stückchen von Goldbrokat und kleinen goldenen Flittern bedeckt; sie mußten annehmen, daß die Seeräuber, welche damals längs der Küsten streiften, von den gemachten Entdeckungen Wind be¬ kommen hatten und während der Nacht den Deckel des Sarkophags abgehoben hatten; wahrscheinlich fanden diese in demselben große Reichthümer und Schätze."") — Der Zerstörungswuth entgingen nur einige Reliefplattcn, welche die Ritter als Ornamente an ihrem Castell zu verwerthen wußten und welche schon in der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts die Aufmerksamkeit des französischen Reisenden TH6veuve erregten. In vielen Reisebeschreibungen des vorigen Jahr¬ hunderts werden sie erwähnt und ohne einen sichern Beweis führen zu können, nahm man doch für gewiß an, daß sie dem Mausoleum entlehnt sein müßten. Zeichnungen derselben, welche Dalton im Jahre 17S1 hatte anfertigen lassen, und das hohe Lob, welches ihnen von allen Kennern gezollt wurde, ver¬ anlaßten im Jahre 1848 den Viscount Stratfort de Nedcliffe, damals eng¬ lischen Gesandten in Constantinopel, sich einen Firman von der Pforte zu er¬ wirken, der ihm die Berechtigung zur Wegnahme derselben gab. So kamen sie in das Lritisli Nu8eum. Es waren 13 Platten in ziemlich hohem Relief, zum Theil sehr vom Wetter beschädigt. Dargestellt sind Kämpfe zwischen Ama¬ zonen und Griechen, aus die wir weiter unten näher eingehen wollen. Einige Jahre später bemerkte eine gelehrte deutsche Frau, deren Kunstkennerschaft von wenigen Männern erreicht wurde und die selber eine nicht unbeträchtliche Samm¬ lung besaß, Frau von Mertens-SchaffKausen in Bonn, in der Villa ti Negro zu Genua eine Relief-Platte, welche sie sofort als zusammengehörig mit jenen Sculpturen erkannte. Wie die Platte nach Genua gekommen, läßt sich nicht mehr feststellen, es mag sie wohl einer der Johanniterritter als Andenken in seine Heimath mitgenommen haben. Auch dieses Stück wurde nach dem Tode des damaligen Besitzers im Jahre 1864 für das Lritisli Nuseum angekauft. Die Erwerbung der Sculpturen des Castells regte die Frage nach dem Mausoleum wieder in lebhaftester Weise an. Es fehlte nicht an Gelehrten, welche ihre Herkunft vom Mausoleum bestritten; aber entscheidend wurde, daß in England die Gelehrten Cockerell und Newton, von denen besonders der letztere eine eifrige Thätigkeit entwickelte, die englische Admiralität veranlaßten, ge¬ naue topographische Aufnahmen der Stätte des alten Halikarnass zu veranstalten. Mit Hilfe dieser Karte suchte Newton die Lage des Mausoleums nach den Dieser Bericht ist mitgetheilt in Guichard. Kenel-Mos clos lion-uns, Vi^c-s, oto. I.x<in 1S81.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/264>, abgerufen am 27.09.2024.