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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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kosten, es wäre die letzte Möglichkeit eines Versuchs, die deutsche Einheit zu
hindern. Die letzte, aber nicht eben die günstigste. Gerade bei Baden wäre
der Vorwand für eine Einmischung schwerer zu finden als bei der Aufnahme
des ganzen Südens. Auch in Frankreich weiß man, daß man Baden gegen¬
über von preußischen Uebergriffen und Eroberungsgelüsten am wenigsten reden
kann. Nicht einmal eine nennenswerthe Minderheit gilt es zu schützen gegen
die Krallen des preußischen Adlers. Es ist der freieste Entschluß, der reine
Ausfluß der Selbstbestimmung, wenn in Baden Fürst. Regierung und Volk in
die dargebotene Rechte einschlägt. Soll uns dann der Handschuh entgegenge¬
schleudert werden, unter günstigeren Umständen und mit besserm Gewissen könn¬
ten wir ihn nicht aufnehmen. Allein, täuscht nicht alles, so ist durch das Bis-
marcksche Rundschreiben, wenn es auch anfangs die Empfindlichkeit unsrer Nach¬
barn reizte, die öffentliche Meinung in Frankreich eher in friedlichem Sinn be¬
stärkt worden. Mit größerm Nachdruck als zur Zeit des Luxemburger Conflicts
hat sich das Friedensbedürfniß und der Friedenswille ausgesprochen. Aus dem
einfachen Ernste der Bismarckschen Worte hat man die Unmöglichkeit heraus¬
gelesen, die Einheit Deutschlands überhaupt noch verhindern zu wollen, und
überrascht wäre man nur dann, wenn diesen Worten die erwartete That nicht
folgte.

Hat aber Frankreich auch diesen weitern Schritt hingenommen wie es die
Ankündigung desselben in den badischen Kundgebungen im Rundschreiben Bis-
marcks und in den berliner Adreßdebatten hingenommen hat, so brauchte uns
wegen der Jsolirung Würtembergs nicht mehr bange zu sein. Es wäre für
die Widerstandskräfte ein Schlag, von dem sie sich nicht mehr erholten. Und
wenn der Fürst Hohenlohe Baden vor einseitigem Vorgehen warnte, so that er
es in dem ganz richtigen Gefühl, daß damit auch sein künstliches Anschlußpro¬
gramm über den Haufen geworfen wäre und der Einheitsproceß unaufhaltsam
vollends die beiden letzten widerstrebenden Staaten anfallen würde.

Die preußische Negierung wird keinen Schritt thun, dessen Tragweite nicht
vorher genau bemessen ist, sie wird auch für den Eintritt Badens umsichtig den
Moment wählen, sie wünscht, daß der Ausbau des deutschen Staats sich im
Frieden vollziehe. Aber am sichersten werden wir dann für den Frieden sorgen,
wenn man uns entschlossen unsere Straße weiter ziehen und furchtlos die Main¬
brücke überschreiten sieht.




kosten, es wäre die letzte Möglichkeit eines Versuchs, die deutsche Einheit zu
hindern. Die letzte, aber nicht eben die günstigste. Gerade bei Baden wäre
der Vorwand für eine Einmischung schwerer zu finden als bei der Aufnahme
des ganzen Südens. Auch in Frankreich weiß man, daß man Baden gegen¬
über von preußischen Uebergriffen und Eroberungsgelüsten am wenigsten reden
kann. Nicht einmal eine nennenswerthe Minderheit gilt es zu schützen gegen
die Krallen des preußischen Adlers. Es ist der freieste Entschluß, der reine
Ausfluß der Selbstbestimmung, wenn in Baden Fürst. Regierung und Volk in
die dargebotene Rechte einschlägt. Soll uns dann der Handschuh entgegenge¬
schleudert werden, unter günstigeren Umständen und mit besserm Gewissen könn¬
ten wir ihn nicht aufnehmen. Allein, täuscht nicht alles, so ist durch das Bis-
marcksche Rundschreiben, wenn es auch anfangs die Empfindlichkeit unsrer Nach¬
barn reizte, die öffentliche Meinung in Frankreich eher in friedlichem Sinn be¬
stärkt worden. Mit größerm Nachdruck als zur Zeit des Luxemburger Conflicts
hat sich das Friedensbedürfniß und der Friedenswille ausgesprochen. Aus dem
einfachen Ernste der Bismarckschen Worte hat man die Unmöglichkeit heraus¬
gelesen, die Einheit Deutschlands überhaupt noch verhindern zu wollen, und
überrascht wäre man nur dann, wenn diesen Worten die erwartete That nicht
folgte.

Hat aber Frankreich auch diesen weitern Schritt hingenommen wie es die
Ankündigung desselben in den badischen Kundgebungen im Rundschreiben Bis-
marcks und in den berliner Adreßdebatten hingenommen hat, so brauchte uns
wegen der Jsolirung Würtembergs nicht mehr bange zu sein. Es wäre für
die Widerstandskräfte ein Schlag, von dem sie sich nicht mehr erholten. Und
wenn der Fürst Hohenlohe Baden vor einseitigem Vorgehen warnte, so that er
es in dem ganz richtigen Gefühl, daß damit auch sein künstliches Anschlußpro¬
gramm über den Haufen geworfen wäre und der Einheitsproceß unaufhaltsam
vollends die beiden letzten widerstrebenden Staaten anfallen würde.

Die preußische Negierung wird keinen Schritt thun, dessen Tragweite nicht
vorher genau bemessen ist, sie wird auch für den Eintritt Badens umsichtig den
Moment wählen, sie wünscht, daß der Ausbau des deutschen Staats sich im
Frieden vollziehe. Aber am sichersten werden wir dann für den Frieden sorgen,
wenn man uns entschlossen unsere Straße weiter ziehen und furchtlos die Main¬
brücke überschreiten sieht.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/154>, abgerufen am 27.09.2024.