Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Das scheint, von Baden abgesehen, die Stellung, welche die süddeutschen
Regierungen der neuen Lage gegenüber eingenommen haben. Herr v. Dalwigk,
der schlimmste unter seinen Kollegen, bleibt unbeanstandet auf seinem Posten,
trotzdem der Gras Bismarck schonungslos ihm eine Lection ertheilt hat, die
nicht jeder auf sich sitzen läßt. Fürst Hohenlohe edirt eine neue Auflage sei¬
nes alten Programms, an der wiederum nichts verständlich ist, als der nega¬
tive Theil, und nichts verständlicher, als die Weigerung, in den norddeutschen
Bund zu treten, und die polemische Spitze, die gegen die Tendenzen dieses
Bundes und gegen ein einseitiges Vorgehen Badens gerichtet ist. Daß Herr
v. Varnbüler auf derselben Linie steht, darf man aus guten Gründen annehmen
wenn auch seine Beredtsamkeit vor den Kammern in ein weniger kunstvolles
und weitfaltiges Gewand sich hüllen wird. Die allerhöchste Aeußerung, das
Schutz- und Trutzbündniß und der neue Zollvcreinsvertrag seien das letzte
äußerste Zugeständniß an Preußen, mag authentisch sein oder nicht, die Meinung
der regierenden Kreise dürfte sie ziemlich genau auedrücken. So antworten denn
die süddeutschen Regierungen auf die Einladung, daß ihnen die Pforten des
neuen deutschen Reichs offen stehen, mit einem runden: Wir wollen nicht.

Unter diesen Umständen wäre in der Bevölkerung selbst die Aufbietung
aller Kräfte nöthig, um Preußen, den eigenen Regierungen wie Frankreich gegen¬
über, den festen Willen zu bekunden, vom neuen deutschen Reich nicht aus¬
geschlossen zu sein. Aber zu einer so einmüthigen geschlossenen Gesinnung fehlt
noch viel. Wir stehen hier vor einem Proceß, der erst begonnen hat und der
noch lange nicht erlaubt, reife Früchte zu schütteln. Die Organisation einer
nationalen Partei, die Kundgebungen in Stuttgart, Nürnberg, in Augsburg,
auch der Empfang, der dem König von Preußen in verschiedenen Orten Wür-
tembergs und Bayerns zu Theil geworden ist, das Alles sind Symptome, daß
die Stimmung seit einem Jahr wesentlich zum Bessern sich gewendet hat.
Allein es sind Anfänge. An die Initiative der würtembergischen und auch
der bayrischen Stände zur Forderung des Eintritts in den Bund ist nicht zu
denken. Man muß schon froh sein, wenn die bewußten Verträge die Geneh¬
migung der Kammern erhalten. Noch sind die Intriguen, die namentlich
gegen die Genehmigung des Schutz- und Trutzbündnisses in Würtemberg an¬
gezettelt worden, nicht völlig aussichtslos. Der Gedanke einer Einmischung des
Auslandes, anstatt als eine mit allen Mitteln abzuwendende Schmach in den
Gemüthern zu brennen, läßt die Menge theilnahmlos und erfüllt Radicale und
Ultramontane mit Sehnsucht und Hoffnung.

So steht denn der Süden mit einem Wort noch lange nicht auf der Höhe
des ihm vom Nordbund gemachten Anerbietens. Allerdings darf man ver"
trauen auf die mit der fortschreitenden Befestigung der norddeutschen Bundes¬
einrichtungen wachsende Anziehungskraft des constituirten Staatsorganismus


19'

Das scheint, von Baden abgesehen, die Stellung, welche die süddeutschen
Regierungen der neuen Lage gegenüber eingenommen haben. Herr v. Dalwigk,
der schlimmste unter seinen Kollegen, bleibt unbeanstandet auf seinem Posten,
trotzdem der Gras Bismarck schonungslos ihm eine Lection ertheilt hat, die
nicht jeder auf sich sitzen läßt. Fürst Hohenlohe edirt eine neue Auflage sei¬
nes alten Programms, an der wiederum nichts verständlich ist, als der nega¬
tive Theil, und nichts verständlicher, als die Weigerung, in den norddeutschen
Bund zu treten, und die polemische Spitze, die gegen die Tendenzen dieses
Bundes und gegen ein einseitiges Vorgehen Badens gerichtet ist. Daß Herr
v. Varnbüler auf derselben Linie steht, darf man aus guten Gründen annehmen
wenn auch seine Beredtsamkeit vor den Kammern in ein weniger kunstvolles
und weitfaltiges Gewand sich hüllen wird. Die allerhöchste Aeußerung, das
Schutz- und Trutzbündniß und der neue Zollvcreinsvertrag seien das letzte
äußerste Zugeständniß an Preußen, mag authentisch sein oder nicht, die Meinung
der regierenden Kreise dürfte sie ziemlich genau auedrücken. So antworten denn
die süddeutschen Regierungen auf die Einladung, daß ihnen die Pforten des
neuen deutschen Reichs offen stehen, mit einem runden: Wir wollen nicht.

Unter diesen Umständen wäre in der Bevölkerung selbst die Aufbietung
aller Kräfte nöthig, um Preußen, den eigenen Regierungen wie Frankreich gegen¬
über, den festen Willen zu bekunden, vom neuen deutschen Reich nicht aus¬
geschlossen zu sein. Aber zu einer so einmüthigen geschlossenen Gesinnung fehlt
noch viel. Wir stehen hier vor einem Proceß, der erst begonnen hat und der
noch lange nicht erlaubt, reife Früchte zu schütteln. Die Organisation einer
nationalen Partei, die Kundgebungen in Stuttgart, Nürnberg, in Augsburg,
auch der Empfang, der dem König von Preußen in verschiedenen Orten Wür-
tembergs und Bayerns zu Theil geworden ist, das Alles sind Symptome, daß
die Stimmung seit einem Jahr wesentlich zum Bessern sich gewendet hat.
Allein es sind Anfänge. An die Initiative der würtembergischen und auch
der bayrischen Stände zur Forderung des Eintritts in den Bund ist nicht zu
denken. Man muß schon froh sein, wenn die bewußten Verträge die Geneh¬
migung der Kammern erhalten. Noch sind die Intriguen, die namentlich
gegen die Genehmigung des Schutz- und Trutzbündnisses in Würtemberg an¬
gezettelt worden, nicht völlig aussichtslos. Der Gedanke einer Einmischung des
Auslandes, anstatt als eine mit allen Mitteln abzuwendende Schmach in den
Gemüthern zu brennen, läßt die Menge theilnahmlos und erfüllt Radicale und
Ultramontane mit Sehnsucht und Hoffnung.

So steht denn der Süden mit einem Wort noch lange nicht auf der Höhe
des ihm vom Nordbund gemachten Anerbietens. Allerdings darf man ver«
trauen auf die mit der fortschreitenden Befestigung der norddeutschen Bundes¬
einrichtungen wachsende Anziehungskraft des constituirten Staatsorganismus


19'
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191912"/>
          <p xml:id="ID_427"> Das scheint, von Baden abgesehen, die Stellung, welche die süddeutschen<lb/>
Regierungen der neuen Lage gegenüber eingenommen haben. Herr v. Dalwigk,<lb/>
der schlimmste unter seinen Kollegen, bleibt unbeanstandet auf seinem Posten,<lb/>
trotzdem der Gras Bismarck schonungslos ihm eine Lection ertheilt hat, die<lb/>
nicht jeder auf sich sitzen läßt. Fürst Hohenlohe edirt eine neue Auflage sei¬<lb/>
nes alten Programms, an der wiederum nichts verständlich ist, als der nega¬<lb/>
tive Theil, und nichts verständlicher, als die Weigerung, in den norddeutschen<lb/>
Bund zu treten, und die polemische Spitze, die gegen die Tendenzen dieses<lb/>
Bundes und gegen ein einseitiges Vorgehen Badens gerichtet ist. Daß Herr<lb/>
v. Varnbüler auf derselben Linie steht, darf man aus guten Gründen annehmen<lb/>
wenn auch seine Beredtsamkeit vor den Kammern in ein weniger kunstvolles<lb/>
und weitfaltiges Gewand sich hüllen wird. Die allerhöchste Aeußerung, das<lb/>
Schutz- und Trutzbündniß und der neue Zollvcreinsvertrag seien das letzte<lb/>
äußerste Zugeständniß an Preußen, mag authentisch sein oder nicht, die Meinung<lb/>
der regierenden Kreise dürfte sie ziemlich genau auedrücken. So antworten denn<lb/>
die süddeutschen Regierungen auf die Einladung, daß ihnen die Pforten des<lb/>
neuen deutschen Reichs offen stehen, mit einem runden: Wir wollen nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_428"> Unter diesen Umständen wäre in der Bevölkerung selbst die Aufbietung<lb/>
aller Kräfte nöthig, um Preußen, den eigenen Regierungen wie Frankreich gegen¬<lb/>
über, den festen Willen zu bekunden, vom neuen deutschen Reich nicht aus¬<lb/>
geschlossen zu sein. Aber zu einer so einmüthigen geschlossenen Gesinnung fehlt<lb/>
noch viel. Wir stehen hier vor einem Proceß, der erst begonnen hat und der<lb/>
noch lange nicht erlaubt, reife Früchte zu schütteln. Die Organisation einer<lb/>
nationalen Partei, die Kundgebungen in Stuttgart, Nürnberg, in Augsburg,<lb/>
auch der Empfang, der dem König von Preußen in verschiedenen Orten Wür-<lb/>
tembergs und Bayerns zu Theil geworden ist, das Alles sind Symptome, daß<lb/>
die Stimmung seit einem Jahr wesentlich zum Bessern sich gewendet hat.<lb/>
Allein es sind Anfänge. An die Initiative der würtembergischen und auch<lb/>
der bayrischen Stände zur Forderung des Eintritts in den Bund ist nicht zu<lb/>
denken. Man muß schon froh sein, wenn die bewußten Verträge die Geneh¬<lb/>
migung der Kammern erhalten. Noch sind die Intriguen, die namentlich<lb/>
gegen die Genehmigung des Schutz- und Trutzbündnisses in Würtemberg an¬<lb/>
gezettelt worden, nicht völlig aussichtslos. Der Gedanke einer Einmischung des<lb/>
Auslandes, anstatt als eine mit allen Mitteln abzuwendende Schmach in den<lb/>
Gemüthern zu brennen, läßt die Menge theilnahmlos und erfüllt Radicale und<lb/>
Ultramontane mit Sehnsucht und Hoffnung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_429" next="#ID_430"> So steht denn der Süden mit einem Wort noch lange nicht auf der Höhe<lb/>
des ihm vom Nordbund gemachten Anerbietens. Allerdings darf man ver«<lb/>
trauen auf die mit der fortschreitenden Befestigung der norddeutschen Bundes¬<lb/>
einrichtungen wachsende Anziehungskraft des constituirten Staatsorganismus</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 19'</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0151] Das scheint, von Baden abgesehen, die Stellung, welche die süddeutschen Regierungen der neuen Lage gegenüber eingenommen haben. Herr v. Dalwigk, der schlimmste unter seinen Kollegen, bleibt unbeanstandet auf seinem Posten, trotzdem der Gras Bismarck schonungslos ihm eine Lection ertheilt hat, die nicht jeder auf sich sitzen läßt. Fürst Hohenlohe edirt eine neue Auflage sei¬ nes alten Programms, an der wiederum nichts verständlich ist, als der nega¬ tive Theil, und nichts verständlicher, als die Weigerung, in den norddeutschen Bund zu treten, und die polemische Spitze, die gegen die Tendenzen dieses Bundes und gegen ein einseitiges Vorgehen Badens gerichtet ist. Daß Herr v. Varnbüler auf derselben Linie steht, darf man aus guten Gründen annehmen wenn auch seine Beredtsamkeit vor den Kammern in ein weniger kunstvolles und weitfaltiges Gewand sich hüllen wird. Die allerhöchste Aeußerung, das Schutz- und Trutzbündniß und der neue Zollvcreinsvertrag seien das letzte äußerste Zugeständniß an Preußen, mag authentisch sein oder nicht, die Meinung der regierenden Kreise dürfte sie ziemlich genau auedrücken. So antworten denn die süddeutschen Regierungen auf die Einladung, daß ihnen die Pforten des neuen deutschen Reichs offen stehen, mit einem runden: Wir wollen nicht. Unter diesen Umständen wäre in der Bevölkerung selbst die Aufbietung aller Kräfte nöthig, um Preußen, den eigenen Regierungen wie Frankreich gegen¬ über, den festen Willen zu bekunden, vom neuen deutschen Reich nicht aus¬ geschlossen zu sein. Aber zu einer so einmüthigen geschlossenen Gesinnung fehlt noch viel. Wir stehen hier vor einem Proceß, der erst begonnen hat und der noch lange nicht erlaubt, reife Früchte zu schütteln. Die Organisation einer nationalen Partei, die Kundgebungen in Stuttgart, Nürnberg, in Augsburg, auch der Empfang, der dem König von Preußen in verschiedenen Orten Wür- tembergs und Bayerns zu Theil geworden ist, das Alles sind Symptome, daß die Stimmung seit einem Jahr wesentlich zum Bessern sich gewendet hat. Allein es sind Anfänge. An die Initiative der würtembergischen und auch der bayrischen Stände zur Forderung des Eintritts in den Bund ist nicht zu denken. Man muß schon froh sein, wenn die bewußten Verträge die Geneh¬ migung der Kammern erhalten. Noch sind die Intriguen, die namentlich gegen die Genehmigung des Schutz- und Trutzbündnisses in Würtemberg an¬ gezettelt worden, nicht völlig aussichtslos. Der Gedanke einer Einmischung des Auslandes, anstatt als eine mit allen Mitteln abzuwendende Schmach in den Gemüthern zu brennen, läßt die Menge theilnahmlos und erfüllt Radicale und Ultramontane mit Sehnsucht und Hoffnung. So steht denn der Süden mit einem Wort noch lange nicht auf der Höhe des ihm vom Nordbund gemachten Anerbietens. Allerdings darf man ver« trauen auf die mit der fortschreitenden Befestigung der norddeutschen Bundes¬ einrichtungen wachsende Anziehungskraft des constituirten Staatsorganismus 19'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/151
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/151>, abgerufen am 27.09.2024.