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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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rate da, wo am Ende des vorigen Jahrhunderts jede von den arbeitenden
Classen geschlossene organische Verbindung als Rest des mittelalterlichen Mo¬
nopolismus ausgehoben und die bürgerliche Gesellschaft in ihre Atome zerlegt
wurde, daß gerade in Frankreich solche verderbliche Wege betreten wurden?
Und haben solche Attentate auf den bestehenden Organismus der Gesellschaft,
wie diese Vermeintlichen Ansprüche der Arbeit an das Recht oder dessen Träger,
den Staat, in ihren Bestrebungen nach Gleichheit bisher zu anderm Ende ge¬
führt als, zum absoluten Regiment? Als die Sorbonne dem Ludwig sagte:
Recht sei alles was von und für den Monarchen geschehe; als der Convent
noch absoluter herrschte als die Ludwige; als Napoleon der Erste unumschränk¬
tester Cäsar wurde, als Louis Philipp Regent ward und die Republikaner die
Macht erhielten, bis endlich Louis Napoleon wieder den Absolutismus auf dem
Scheine des Volkswillens herstellte,--waren es nicht immer dieselben Ten¬
denzen nach gesellschaftlichen Ausgleichungen solcher Art, welche zur Despotie
führten?

Das Capital kann übrigens der Staat nicht hergeben, denn er hat keins;
die Zinsgarantie kann er aber auch nicht geben, denn die Zubuße müßte aus
der Staatskasse erfolgen und diese wird durch die Steuerzahler gefüllt. "Aber
der Staat giebt Zinsgarantie bei Eisenbahnanlagen," sagt Herr Lasalle. Wenn
aber eine Eisenbahn gebaut wird, so geschieht es im Interesse des ganzen
Staates und nicht im Interesse der Kapitalisten. Was übrigens Herr Lasalle
verlangt, ist ebenfalls in Frankreich bereits versucht worden und hat durch das
Ergebniß der dortigen Versuche nicht minder seine vollständige Widerlegung
gefunden. Das Decret der constituirenden Versammlung vom 3. Juli 1848.
wonach ein Credit von drei Millionen Franken eröffnet werden sollte, um die
productiven Associationen zu unterstützen, ist nichts anderes als die
Verwirklichung der Lasalleschen Forderungen! Was waren die Folgen dieses
Decrets? Man kann im voraus nicht wissen, wie hoch bei Associationen der
Unternehmellohn ist. Man kann den Lohn, den wir gewöhnlich Arbeitslohn
nennen, berechnen; der Arbeiter weiß, welche Arbeit er zu leisten hat und ebenso
weiß der Unternehmer, was er zu leisten hat und was ihm das von anderen
Geleistete werth ist, aber er weiß nicht, ob er für seine Producte auch Käufer
findet, ob er sie gleich oder später absetzen wird; er kann nicht wissen, ob nicht
Geschäftsstockungen eintreten, ob nicht ein neuer Artikel, eine neue Erfindung,
eine neue Mode den Werth seiner Producte verringern: ob die Käufer derselben
auch zahlungsfähig bleiben :c., kurz der Unternehmungslohn läßt sich nicht
ausbedingen, er ist der Ueberschuß, der sich zuletzt findet, wenn die Waare ver¬
kauft und das Geld dafür in die Hände des Unternehmers gelangt ist; dann
erst weiß er, was er verdient hat, dann erst kennt er den Lohn seiner Arbeit,
dann erst hört sein Risico auf.


rate da, wo am Ende des vorigen Jahrhunderts jede von den arbeitenden
Classen geschlossene organische Verbindung als Rest des mittelalterlichen Mo¬
nopolismus ausgehoben und die bürgerliche Gesellschaft in ihre Atome zerlegt
wurde, daß gerade in Frankreich solche verderbliche Wege betreten wurden?
Und haben solche Attentate auf den bestehenden Organismus der Gesellschaft,
wie diese Vermeintlichen Ansprüche der Arbeit an das Recht oder dessen Träger,
den Staat, in ihren Bestrebungen nach Gleichheit bisher zu anderm Ende ge¬
führt als, zum absoluten Regiment? Als die Sorbonne dem Ludwig sagte:
Recht sei alles was von und für den Monarchen geschehe; als der Convent
noch absoluter herrschte als die Ludwige; als Napoleon der Erste unumschränk¬
tester Cäsar wurde, als Louis Philipp Regent ward und die Republikaner die
Macht erhielten, bis endlich Louis Napoleon wieder den Absolutismus auf dem
Scheine des Volkswillens herstellte,--waren es nicht immer dieselben Ten¬
denzen nach gesellschaftlichen Ausgleichungen solcher Art, welche zur Despotie
führten?

Das Capital kann übrigens der Staat nicht hergeben, denn er hat keins;
die Zinsgarantie kann er aber auch nicht geben, denn die Zubuße müßte aus
der Staatskasse erfolgen und diese wird durch die Steuerzahler gefüllt. „Aber
der Staat giebt Zinsgarantie bei Eisenbahnanlagen," sagt Herr Lasalle. Wenn
aber eine Eisenbahn gebaut wird, so geschieht es im Interesse des ganzen
Staates und nicht im Interesse der Kapitalisten. Was übrigens Herr Lasalle
verlangt, ist ebenfalls in Frankreich bereits versucht worden und hat durch das
Ergebniß der dortigen Versuche nicht minder seine vollständige Widerlegung
gefunden. Das Decret der constituirenden Versammlung vom 3. Juli 1848.
wonach ein Credit von drei Millionen Franken eröffnet werden sollte, um die
productiven Associationen zu unterstützen, ist nichts anderes als die
Verwirklichung der Lasalleschen Forderungen! Was waren die Folgen dieses
Decrets? Man kann im voraus nicht wissen, wie hoch bei Associationen der
Unternehmellohn ist. Man kann den Lohn, den wir gewöhnlich Arbeitslohn
nennen, berechnen; der Arbeiter weiß, welche Arbeit er zu leisten hat und ebenso
weiß der Unternehmer, was er zu leisten hat und was ihm das von anderen
Geleistete werth ist, aber er weiß nicht, ob er für seine Producte auch Käufer
findet, ob er sie gleich oder später absetzen wird; er kann nicht wissen, ob nicht
Geschäftsstockungen eintreten, ob nicht ein neuer Artikel, eine neue Erfindung,
eine neue Mode den Werth seiner Producte verringern: ob die Käufer derselben
auch zahlungsfähig bleiben :c., kurz der Unternehmungslohn läßt sich nicht
ausbedingen, er ist der Ueberschuß, der sich zuletzt findet, wenn die Waare ver¬
kauft und das Geld dafür in die Hände des Unternehmers gelangt ist; dann
erst weiß er, was er verdient hat, dann erst kennt er den Lohn seiner Arbeit,
dann erst hört sein Risico auf.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/146>, abgerufen am 27.09.2024.