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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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lung eines Preises. Den Preis erhielt der Sipahi, der ihn gewöhnlich, wie
auch die anderen Gefälle, mit seinen Oberen theilen mußte.

Dem Sipahi wurde, wie es scheint, in der Regel ein Bezirk angewiesen,
in dem er wohnen mußte und den er theils als Grundherr, theils als Staats¬
beamter zu verwalten hatte. Auch von den in seinem Bezirk liegenden Grund¬
stücken, die nicht Domäne waren, und mit denen er daher nicht belehnt sein
konnte, zog er die. aufgelegten Steuern und Abgaben ein und behielt davon
einen Theil als Belohnung. Der Sipahi war also gleichzeitig Gouverneur
seines Bezirks und hatte als solcher auch eine Art Jurisdiction. Diese Rechte
wurden anfänglich von den Sultanen nur auf wenige Jahre verliehen, später
auf Lebenszeit und endlich vielfach sogar erblich. Im letztern Falle siel das
Recht des Sipahis, wenn keine Söhne da waren, an den Staat zurück.

Die Detentoren -- die Bauern -- vererbten den Besitz der Domäne nur
auf die Kinder. In Ermangelung von solchen hatte der Bruder des Erblassers
das Borrecht, das Gut gegen Zahlung des neu festzusetzenden taxu zu erwerben.
War kein Bruder vorhanden oder wollte ein solcher von seinem Rechte keinen
Gebrauch machen, so wurde das Gut von dem Sipahi öffentlich meistbietend
verkauft. Hierzu war er verpflichtet; auf keinen Fall durfte er das van.int
gewordene Gut behalten und es etwa zum Kaf schlagen d. h. zu dem Güter-
complex, der ihm an Stelle der Besoldung übergeben war.

Kein Domanialgrundstück konnte ohne Zustimmung des Sipahis verkauft
werden; die Erlaubniß wurde indessen gewöhnlich gegen eine Abgabe ertheilt.
Ebensowenig war die Verpfändung des Grundstücks gestattet.

Der Detentor hatte an den Sipahi den Zehnt zu zahlen, er musitc eine
Reihe Frohndienste leisten und war endlich auch verpflichtet, bei gewissen Gele¬
genheiten z. B. bei Verlobungen, besondere Abgaben zu geben.

Die Lehne wurden timar oder siamet genannt, je nachdem sie unter oder
über 20.000 Piaster Einkünfte ergaben. Nach der Größe der Revenuen wurde
die Zahl der Leute berechnet, mit denen der Sipahi in den Krieg dem Sultan
folgen mußte. Unter Soliman ergab diese Einrichtung noch ein Cavallerie-
Corpö von 200.000 Mann, später verfiel die Wehrverfassung immer mehr und
mehr. Die Mehrzahl der Grundherren zog vor. sich nicht zu gestellen und die
Regierung war zu schwach, sie hierzu anzuhalten.

Diese Zustände im ältern türkischen Reiche erinnern, wie wohl jedem
Leser aufgefallen sein wird, im höchsten Grade an die Zustände des übrigen
Europas im Mittelalter. Ja, die Ähnlichkeiten sind so groß, daß man fast
die Unterschiede aufsuchen muß. Das Obereigenthum des Fürsten ist i" der
Türkei in Betreff der Domanialaüter klar ausgesprochen; der Sipahi ist der
Lehnsvasall, der dem Lehnsherrn mit einer Zahl Truppen in den Krieg folgen
muß, und der Detentor endlich ist unser Bauer; er muß, wie dieser dem Gulf-


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lung eines Preises. Den Preis erhielt der Sipahi, der ihn gewöhnlich, wie
auch die anderen Gefälle, mit seinen Oberen theilen mußte.

Dem Sipahi wurde, wie es scheint, in der Regel ein Bezirk angewiesen,
in dem er wohnen mußte und den er theils als Grundherr, theils als Staats¬
beamter zu verwalten hatte. Auch von den in seinem Bezirk liegenden Grund¬
stücken, die nicht Domäne waren, und mit denen er daher nicht belehnt sein
konnte, zog er die. aufgelegten Steuern und Abgaben ein und behielt davon
einen Theil als Belohnung. Der Sipahi war also gleichzeitig Gouverneur
seines Bezirks und hatte als solcher auch eine Art Jurisdiction. Diese Rechte
wurden anfänglich von den Sultanen nur auf wenige Jahre verliehen, später
auf Lebenszeit und endlich vielfach sogar erblich. Im letztern Falle siel das
Recht des Sipahis, wenn keine Söhne da waren, an den Staat zurück.

Die Detentoren — die Bauern — vererbten den Besitz der Domäne nur
auf die Kinder. In Ermangelung von solchen hatte der Bruder des Erblassers
das Borrecht, das Gut gegen Zahlung des neu festzusetzenden taxu zu erwerben.
War kein Bruder vorhanden oder wollte ein solcher von seinem Rechte keinen
Gebrauch machen, so wurde das Gut von dem Sipahi öffentlich meistbietend
verkauft. Hierzu war er verpflichtet; auf keinen Fall durfte er das van.int
gewordene Gut behalten und es etwa zum Kaf schlagen d. h. zu dem Güter-
complex, der ihm an Stelle der Besoldung übergeben war.

Kein Domanialgrundstück konnte ohne Zustimmung des Sipahis verkauft
werden; die Erlaubniß wurde indessen gewöhnlich gegen eine Abgabe ertheilt.
Ebensowenig war die Verpfändung des Grundstücks gestattet.

Der Detentor hatte an den Sipahi den Zehnt zu zahlen, er musitc eine
Reihe Frohndienste leisten und war endlich auch verpflichtet, bei gewissen Gele¬
genheiten z. B. bei Verlobungen, besondere Abgaben zu geben.

Die Lehne wurden timar oder siamet genannt, je nachdem sie unter oder
über 20.000 Piaster Einkünfte ergaben. Nach der Größe der Revenuen wurde
die Zahl der Leute berechnet, mit denen der Sipahi in den Krieg dem Sultan
folgen mußte. Unter Soliman ergab diese Einrichtung noch ein Cavallerie-
Corpö von 200.000 Mann, später verfiel die Wehrverfassung immer mehr und
mehr. Die Mehrzahl der Grundherren zog vor. sich nicht zu gestellen und die
Regierung war zu schwach, sie hierzu anzuhalten.

Diese Zustände im ältern türkischen Reiche erinnern, wie wohl jedem
Leser aufgefallen sein wird, im höchsten Grade an die Zustände des übrigen
Europas im Mittelalter. Ja, die Ähnlichkeiten sind so groß, daß man fast
die Unterschiede aufsuchen muß. Das Obereigenthum des Fürsten ist i» der
Türkei in Betreff der Domanialaüter klar ausgesprochen; der Sipahi ist der
Lehnsvasall, der dem Lehnsherrn mit einer Zahl Truppen in den Krieg folgen
muß, und der Detentor endlich ist unser Bauer; er muß, wie dieser dem Gulf-


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[0127] lung eines Preises. Den Preis erhielt der Sipahi, der ihn gewöhnlich, wie auch die anderen Gefälle, mit seinen Oberen theilen mußte. Dem Sipahi wurde, wie es scheint, in der Regel ein Bezirk angewiesen, in dem er wohnen mußte und den er theils als Grundherr, theils als Staats¬ beamter zu verwalten hatte. Auch von den in seinem Bezirk liegenden Grund¬ stücken, die nicht Domäne waren, und mit denen er daher nicht belehnt sein konnte, zog er die. aufgelegten Steuern und Abgaben ein und behielt davon einen Theil als Belohnung. Der Sipahi war also gleichzeitig Gouverneur seines Bezirks und hatte als solcher auch eine Art Jurisdiction. Diese Rechte wurden anfänglich von den Sultanen nur auf wenige Jahre verliehen, später auf Lebenszeit und endlich vielfach sogar erblich. Im letztern Falle siel das Recht des Sipahis, wenn keine Söhne da waren, an den Staat zurück. Die Detentoren — die Bauern — vererbten den Besitz der Domäne nur auf die Kinder. In Ermangelung von solchen hatte der Bruder des Erblassers das Borrecht, das Gut gegen Zahlung des neu festzusetzenden taxu zu erwerben. War kein Bruder vorhanden oder wollte ein solcher von seinem Rechte keinen Gebrauch machen, so wurde das Gut von dem Sipahi öffentlich meistbietend verkauft. Hierzu war er verpflichtet; auf keinen Fall durfte er das van.int gewordene Gut behalten und es etwa zum Kaf schlagen d. h. zu dem Güter- complex, der ihm an Stelle der Besoldung übergeben war. Kein Domanialgrundstück konnte ohne Zustimmung des Sipahis verkauft werden; die Erlaubniß wurde indessen gewöhnlich gegen eine Abgabe ertheilt. Ebensowenig war die Verpfändung des Grundstücks gestattet. Der Detentor hatte an den Sipahi den Zehnt zu zahlen, er musitc eine Reihe Frohndienste leisten und war endlich auch verpflichtet, bei gewissen Gele¬ genheiten z. B. bei Verlobungen, besondere Abgaben zu geben. Die Lehne wurden timar oder siamet genannt, je nachdem sie unter oder über 20.000 Piaster Einkünfte ergaben. Nach der Größe der Revenuen wurde die Zahl der Leute berechnet, mit denen der Sipahi in den Krieg dem Sultan folgen mußte. Unter Soliman ergab diese Einrichtung noch ein Cavallerie- Corpö von 200.000 Mann, später verfiel die Wehrverfassung immer mehr und mehr. Die Mehrzahl der Grundherren zog vor. sich nicht zu gestellen und die Regierung war zu schwach, sie hierzu anzuhalten. Diese Zustände im ältern türkischen Reiche erinnern, wie wohl jedem Leser aufgefallen sein wird, im höchsten Grade an die Zustände des übrigen Europas im Mittelalter. Ja, die Ähnlichkeiten sind so groß, daß man fast die Unterschiede aufsuchen muß. Das Obereigenthum des Fürsten ist i» der Türkei in Betreff der Domanialaüter klar ausgesprochen; der Sipahi ist der Lehnsvasall, der dem Lehnsherrn mit einer Zahl Truppen in den Krieg folgen muß, und der Detentor endlich ist unser Bauer; er muß, wie dieser dem Gulf- 1K*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/127>, abgerufen am 27.09.2024.