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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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unten näher zu besprechenden ehemaligen "Cheops"*). Man wird also jetzt
wohl kein Bedenken mehr haben können, das erwähnte neue System bei den
Avisos zur Anwendung zu bringen. Bei den Zwillingsschraubenschiffen sind
statt der einen liegenden Schraubenwelle in der Mitte des Schiffs zwei vor¬
handen, die parallel in der rechten und in der linken Hälfte des unter Wasser
befindlichen Schiffskörpers liegen und von zwei verschiedenen Maschinen bewegt
werden. Auf jeder Seite der schmalen senkrechten Holzwand, in welche der
Schiffskörper unter Wasser hinten ausläuft und an deren Ende das Steuer¬
ruder in Angeln hängt, tritt eine Welle aus der Schiffswand heraus, geht mit
ihrem hintersten Ende durch einen Eisenring, der nach oben und nach innen
mit der Schiffswand durch je einen starken Eisenbügel verbunden ist, und trägt
dicht hinter diesem Ringe die frei im Wasser schwebende Schraube.

Die Vortheile des Zwillingsschraubensystems sind - nun sehr bedeutend.
Erstens vermag das Schiff, weil die stoßende Kraft auf der Seite liegt, wenn
es blos eine Schraube wirken, die anderen aber stehen oder sogar rückwärts ar¬
beiten läßt, in einem viel kürzern Kreise zu wenden, als Schiffe mit Einer
Schraube, was namentlich in engem Fahrwasser von höchster Bedeutung ist.
Sodann haben Schrauben von nur halb so großer Fläche als gewöhnliche
Schiffsschrauben natürlich einen weit kleinern Durchmesser. Sie gestatten also
dem Schiffe entweder geringern Tiefgang oder lassen sich, wenn der Tiefgang
ebenso groß bleiben soll als beim Einschraubenschiff, viel tiefer unter dem Was¬
serspiegel anbringen, sodaß die Schnelligkeit vermöge des Gegendruckes, der so¬
gar noch kräftiger ist als bei Naddampfern, außerordentlich wächst. Schließlich sind
natürlich Maschinen und Schrauben dieser Construction vor feindlichen Schüssen
ebenso sicher oder eigentlich noch sicherer als bei gewöhnlichen; derNachtheil aber, daß
die Schraube und der Schraubenschaft etwas mehr der See exponirt ist, als beim
Einschraubensystem -- was man dem Zwillingsschraubensystem vorgeworfen hat
-- dürfte gerade bei den Avisos, die ja außerdem kleinere Schiffe sind, weniger
ins Gewicht fallen. Wir würden es also entschieden für das beste halten,
die neuen Avisos als eiserne, (b. h. natürlich nicht gepanzerte) Zwillingsschrau-
bendampfcr nach dem oben erörterten modificirten Modell der "Grille" mit
einer Armirung von 2 gezogenen Zwölf- oder Vierundzwanzigpfündern zu
bauen. Sollten sich bei der Probefahrt des ersten noch besondere Nachtheile
herausstellen, dann bleibt immer die Möglichkeit, die anderen mit einer gewöhn¬
lichen Schraube zu versehen.

Wenn England die obengenannten neueren Avisos oder cüsMelr-VWSLls,
"Salamis" und "Hclicon" als Raddampfer gebaut hat, so kann dieses Bei-



") Neuerdings bei den Kanonenbooten der meisten Seemächte, so bei der bereits früher
envät)nten englischen "I^Iov"l'"-t:In.88> Vgl. den Artikel über die Kmwncniiootc,

unten näher zu besprechenden ehemaligen „Cheops"*). Man wird also jetzt
wohl kein Bedenken mehr haben können, das erwähnte neue System bei den
Avisos zur Anwendung zu bringen. Bei den Zwillingsschraubenschiffen sind
statt der einen liegenden Schraubenwelle in der Mitte des Schiffs zwei vor¬
handen, die parallel in der rechten und in der linken Hälfte des unter Wasser
befindlichen Schiffskörpers liegen und von zwei verschiedenen Maschinen bewegt
werden. Auf jeder Seite der schmalen senkrechten Holzwand, in welche der
Schiffskörper unter Wasser hinten ausläuft und an deren Ende das Steuer¬
ruder in Angeln hängt, tritt eine Welle aus der Schiffswand heraus, geht mit
ihrem hintersten Ende durch einen Eisenring, der nach oben und nach innen
mit der Schiffswand durch je einen starken Eisenbügel verbunden ist, und trägt
dicht hinter diesem Ringe die frei im Wasser schwebende Schraube.

Die Vortheile des Zwillingsschraubensystems sind - nun sehr bedeutend.
Erstens vermag das Schiff, weil die stoßende Kraft auf der Seite liegt, wenn
es blos eine Schraube wirken, die anderen aber stehen oder sogar rückwärts ar¬
beiten läßt, in einem viel kürzern Kreise zu wenden, als Schiffe mit Einer
Schraube, was namentlich in engem Fahrwasser von höchster Bedeutung ist.
Sodann haben Schrauben von nur halb so großer Fläche als gewöhnliche
Schiffsschrauben natürlich einen weit kleinern Durchmesser. Sie gestatten also
dem Schiffe entweder geringern Tiefgang oder lassen sich, wenn der Tiefgang
ebenso groß bleiben soll als beim Einschraubenschiff, viel tiefer unter dem Was¬
serspiegel anbringen, sodaß die Schnelligkeit vermöge des Gegendruckes, der so¬
gar noch kräftiger ist als bei Naddampfern, außerordentlich wächst. Schließlich sind
natürlich Maschinen und Schrauben dieser Construction vor feindlichen Schüssen
ebenso sicher oder eigentlich noch sicherer als bei gewöhnlichen; derNachtheil aber, daß
die Schraube und der Schraubenschaft etwas mehr der See exponirt ist, als beim
Einschraubensystem — was man dem Zwillingsschraubensystem vorgeworfen hat
— dürfte gerade bei den Avisos, die ja außerdem kleinere Schiffe sind, weniger
ins Gewicht fallen. Wir würden es also entschieden für das beste halten,
die neuen Avisos als eiserne, (b. h. natürlich nicht gepanzerte) Zwillingsschrau-
bendampfcr nach dem oben erörterten modificirten Modell der „Grille" mit
einer Armirung von 2 gezogenen Zwölf- oder Vierundzwanzigpfündern zu
bauen. Sollten sich bei der Probefahrt des ersten noch besondere Nachtheile
herausstellen, dann bleibt immer die Möglichkeit, die anderen mit einer gewöhn¬
lichen Schraube zu versehen.

Wenn England die obengenannten neueren Avisos oder cüsMelr-VWSLls,
„Salamis" und „Hclicon" als Raddampfer gebaut hat, so kann dieses Bei-



") Neuerdings bei den Kanonenbooten der meisten Seemächte, so bei der bereits früher
envät)nten englischen „I^Iov»l'"-t:In.88> Vgl. den Artikel über die Kmwncniiootc,
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[0104] unten näher zu besprechenden ehemaligen „Cheops"*). Man wird also jetzt wohl kein Bedenken mehr haben können, das erwähnte neue System bei den Avisos zur Anwendung zu bringen. Bei den Zwillingsschraubenschiffen sind statt der einen liegenden Schraubenwelle in der Mitte des Schiffs zwei vor¬ handen, die parallel in der rechten und in der linken Hälfte des unter Wasser befindlichen Schiffskörpers liegen und von zwei verschiedenen Maschinen bewegt werden. Auf jeder Seite der schmalen senkrechten Holzwand, in welche der Schiffskörper unter Wasser hinten ausläuft und an deren Ende das Steuer¬ ruder in Angeln hängt, tritt eine Welle aus der Schiffswand heraus, geht mit ihrem hintersten Ende durch einen Eisenring, der nach oben und nach innen mit der Schiffswand durch je einen starken Eisenbügel verbunden ist, und trägt dicht hinter diesem Ringe die frei im Wasser schwebende Schraube. Die Vortheile des Zwillingsschraubensystems sind - nun sehr bedeutend. Erstens vermag das Schiff, weil die stoßende Kraft auf der Seite liegt, wenn es blos eine Schraube wirken, die anderen aber stehen oder sogar rückwärts ar¬ beiten läßt, in einem viel kürzern Kreise zu wenden, als Schiffe mit Einer Schraube, was namentlich in engem Fahrwasser von höchster Bedeutung ist. Sodann haben Schrauben von nur halb so großer Fläche als gewöhnliche Schiffsschrauben natürlich einen weit kleinern Durchmesser. Sie gestatten also dem Schiffe entweder geringern Tiefgang oder lassen sich, wenn der Tiefgang ebenso groß bleiben soll als beim Einschraubenschiff, viel tiefer unter dem Was¬ serspiegel anbringen, sodaß die Schnelligkeit vermöge des Gegendruckes, der so¬ gar noch kräftiger ist als bei Naddampfern, außerordentlich wächst. Schließlich sind natürlich Maschinen und Schrauben dieser Construction vor feindlichen Schüssen ebenso sicher oder eigentlich noch sicherer als bei gewöhnlichen; derNachtheil aber, daß die Schraube und der Schraubenschaft etwas mehr der See exponirt ist, als beim Einschraubensystem — was man dem Zwillingsschraubensystem vorgeworfen hat — dürfte gerade bei den Avisos, die ja außerdem kleinere Schiffe sind, weniger ins Gewicht fallen. Wir würden es also entschieden für das beste halten, die neuen Avisos als eiserne, (b. h. natürlich nicht gepanzerte) Zwillingsschrau- bendampfcr nach dem oben erörterten modificirten Modell der „Grille" mit einer Armirung von 2 gezogenen Zwölf- oder Vierundzwanzigpfündern zu bauen. Sollten sich bei der Probefahrt des ersten noch besondere Nachtheile herausstellen, dann bleibt immer die Möglichkeit, die anderen mit einer gewöhn¬ lichen Schraube zu versehen. Wenn England die obengenannten neueren Avisos oder cüsMelr-VWSLls, „Salamis" und „Hclicon" als Raddampfer gebaut hat, so kann dieses Bei- ") Neuerdings bei den Kanonenbooten der meisten Seemächte, so bei der bereits früher envät)nten englischen „I^Iov»l'"-t:In.88> Vgl. den Artikel über die Kmwncniiootc,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/104>, abgerufen am 27.09.2024.