Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

geschützen schießen ließ), und schreckten die Feinde durch Brandpfeile. Nach den
mithridatischen Kriegen trug wieder die römische Gleichgiltigkeit gegen die
Kriegsmarine das Meiste dazu bei, daß die seitdem in Schwung gekommene
Piraterie der Jsaurier und Cilicier nach und nach solche Dimensionen annehmen
konnte, daß endlich Italiens Küsten geplündert, seine Heerstraßen gefährdet, die
römische Flotte in Ostia verbrannt, die Hauptstadt selbst beinahe in Hungers-
noth versetzt wurde, und daß die Freibeuter, die ihr Handwerk mit kleinen
Kapern begonnen hatten, zuletzt die Seeherrschaft mit tausend Fahrzeugen be¬
haupteten, worunter sich viele Nangschiffe befanden, deren Hintertheile, wie
Plutarch erzählt, ganz vergoldet waren und die purpurne Segel und mit
Silber beschlagene Ruder führten. Die Flotte des Pompejus, welche endlich
dem Barbarcskenunfug ein Ende machte, bestand zwar aus einigen Hunderten
von Kriegsschissen, die aber zum größern Theil von den tributpflichtigen Pro-
vincialen, besonders wieder von den getreuen Nhodiern gestellt worden waren.
Von der geringen Neigung der Römer zum Seewesen zeugt auch die schlechtere
Stellung der Matrosen und Seesoldaten bei ihnen.

Zwar waren auch in Athen die Bürger für gewöhnliche Zeiten nicht zum
Dienst auf der Flotte verpflichtet; aber Matrosen und Marinesoldaten standen
doch im Solde der Landarmee ganz gleich. Dagegen bekam die Mannschaft der
römischen Schiffe geringeren Sold, und die Schiffssoldaten starben oft so arm,
daß man zu ihrem Begräbnisse Collecten anstellen mußte. Nur die am niedrig¬
sten geschätzten Bürger, die unter 4000 Aß besaßen, und des Legionsdienstes
darum für unwürdig gehalten wurden, zog man zur Flottenmannschaft, noch
gewöhnlicher aber freigelassene Sklaven. Als während des zweiten punischen
Kriegs einmal in der Staatskasse das Geld zur Anwerbung von Matrosen
fehlte, mußten die Bürger selbst, je nach dem Census, die Mannschaft stellen,
und zwar kam auf ein Vermögen von S0--100.000 Aß ein Matrose nebst
sechsmonatlichen Solde, auf 100-300,000 Aß drei Mann nebst Sold aufs
ganze Jahr, auf 300,000 bis zu einer Million fünf, auf noch ein größeres
Capital sieben Mann und auf den Senator acht. Daß die gestellten Leute aus
den freigelassenen Sklaven der Betreffenden bestanden, beweisen die von Livius
hinzugefügten Worte: "Die diesem Befehle gemäß von ihren Herren gestellten,
bewaffneten und ausgerüsteten Matrosen bestiegen die Schiffe mit gekochten
Speisen auf dreißig Tage". Als aber vier Jahre später diese Maßregel wieder¬
holt werden sollte, entschloß sich Vornehm und Gering, lieber der Staatskasse
das entbehrliche edle Metall aufzuopfern. Später kam es noch einmal um
Kriege zwischen Octavian und dem kühnen Sextus Pompejus vor, daß die
Senatoren, die Ritter und die Reichen halb freiwillig halb gezwungen sich einer
Zahl von 20,000 Sklaven durch Freilassung entäußerten, um Octavians Nuder¬
mannschaft zu completiren. Außer den Libertinen gab es aber auch, besonders


geschützen schießen ließ), und schreckten die Feinde durch Brandpfeile. Nach den
mithridatischen Kriegen trug wieder die römische Gleichgiltigkeit gegen die
Kriegsmarine das Meiste dazu bei, daß die seitdem in Schwung gekommene
Piraterie der Jsaurier und Cilicier nach und nach solche Dimensionen annehmen
konnte, daß endlich Italiens Küsten geplündert, seine Heerstraßen gefährdet, die
römische Flotte in Ostia verbrannt, die Hauptstadt selbst beinahe in Hungers-
noth versetzt wurde, und daß die Freibeuter, die ihr Handwerk mit kleinen
Kapern begonnen hatten, zuletzt die Seeherrschaft mit tausend Fahrzeugen be¬
haupteten, worunter sich viele Nangschiffe befanden, deren Hintertheile, wie
Plutarch erzählt, ganz vergoldet waren und die purpurne Segel und mit
Silber beschlagene Ruder führten. Die Flotte des Pompejus, welche endlich
dem Barbarcskenunfug ein Ende machte, bestand zwar aus einigen Hunderten
von Kriegsschissen, die aber zum größern Theil von den tributpflichtigen Pro-
vincialen, besonders wieder von den getreuen Nhodiern gestellt worden waren.
Von der geringen Neigung der Römer zum Seewesen zeugt auch die schlechtere
Stellung der Matrosen und Seesoldaten bei ihnen.

Zwar waren auch in Athen die Bürger für gewöhnliche Zeiten nicht zum
Dienst auf der Flotte verpflichtet; aber Matrosen und Marinesoldaten standen
doch im Solde der Landarmee ganz gleich. Dagegen bekam die Mannschaft der
römischen Schiffe geringeren Sold, und die Schiffssoldaten starben oft so arm,
daß man zu ihrem Begräbnisse Collecten anstellen mußte. Nur die am niedrig¬
sten geschätzten Bürger, die unter 4000 Aß besaßen, und des Legionsdienstes
darum für unwürdig gehalten wurden, zog man zur Flottenmannschaft, noch
gewöhnlicher aber freigelassene Sklaven. Als während des zweiten punischen
Kriegs einmal in der Staatskasse das Geld zur Anwerbung von Matrosen
fehlte, mußten die Bürger selbst, je nach dem Census, die Mannschaft stellen,
und zwar kam auf ein Vermögen von S0—100.000 Aß ein Matrose nebst
sechsmonatlichen Solde, auf 100-300,000 Aß drei Mann nebst Sold aufs
ganze Jahr, auf 300,000 bis zu einer Million fünf, auf noch ein größeres
Capital sieben Mann und auf den Senator acht. Daß die gestellten Leute aus
den freigelassenen Sklaven der Betreffenden bestanden, beweisen die von Livius
hinzugefügten Worte: „Die diesem Befehle gemäß von ihren Herren gestellten,
bewaffneten und ausgerüsteten Matrosen bestiegen die Schiffe mit gekochten
Speisen auf dreißig Tage". Als aber vier Jahre später diese Maßregel wieder¬
holt werden sollte, entschloß sich Vornehm und Gering, lieber der Staatskasse
das entbehrliche edle Metall aufzuopfern. Später kam es noch einmal um
Kriege zwischen Octavian und dem kühnen Sextus Pompejus vor, daß die
Senatoren, die Ritter und die Reichen halb freiwillig halb gezwungen sich einer
Zahl von 20,000 Sklaven durch Freilassung entäußerten, um Octavians Nuder¬
mannschaft zu completiren. Außer den Libertinen gab es aber auch, besonders


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188107"/>
            <p xml:id="ID_197" prev="#ID_196"> geschützen schießen ließ), und schreckten die Feinde durch Brandpfeile. Nach den<lb/>
mithridatischen Kriegen trug wieder die römische Gleichgiltigkeit gegen die<lb/>
Kriegsmarine das Meiste dazu bei, daß die seitdem in Schwung gekommene<lb/>
Piraterie der Jsaurier und Cilicier nach und nach solche Dimensionen annehmen<lb/>
konnte, daß endlich Italiens Küsten geplündert, seine Heerstraßen gefährdet, die<lb/>
römische Flotte in Ostia verbrannt, die Hauptstadt selbst beinahe in Hungers-<lb/>
noth versetzt wurde, und daß die Freibeuter, die ihr Handwerk mit kleinen<lb/>
Kapern begonnen hatten, zuletzt die Seeherrschaft mit tausend Fahrzeugen be¬<lb/>
haupteten, worunter sich viele Nangschiffe befanden, deren Hintertheile, wie<lb/>
Plutarch erzählt, ganz vergoldet waren und die purpurne Segel und mit<lb/>
Silber beschlagene Ruder führten. Die Flotte des Pompejus, welche endlich<lb/>
dem Barbarcskenunfug ein Ende machte, bestand zwar aus einigen Hunderten<lb/>
von Kriegsschissen, die aber zum größern Theil von den tributpflichtigen Pro-<lb/>
vincialen, besonders wieder von den getreuen Nhodiern gestellt worden waren.<lb/>
Von der geringen Neigung der Römer zum Seewesen zeugt auch die schlechtere<lb/>
Stellung der Matrosen und Seesoldaten bei ihnen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_198" next="#ID_199"> Zwar waren auch in Athen die Bürger für gewöhnliche Zeiten nicht zum<lb/>
Dienst auf der Flotte verpflichtet; aber Matrosen und Marinesoldaten standen<lb/>
doch im Solde der Landarmee ganz gleich. Dagegen bekam die Mannschaft der<lb/>
römischen Schiffe geringeren Sold, und die Schiffssoldaten starben oft so arm,<lb/>
daß man zu ihrem Begräbnisse Collecten anstellen mußte. Nur die am niedrig¬<lb/>
sten geschätzten Bürger, die unter 4000 Aß besaßen, und des Legionsdienstes<lb/>
darum für unwürdig gehalten wurden, zog man zur Flottenmannschaft, noch<lb/>
gewöhnlicher aber freigelassene Sklaven. Als während des zweiten punischen<lb/>
Kriegs einmal in der Staatskasse das Geld zur Anwerbung von Matrosen<lb/>
fehlte, mußten die Bürger selbst, je nach dem Census, die Mannschaft stellen,<lb/>
und zwar kam auf ein Vermögen von S0&#x2014;100.000 Aß ein Matrose nebst<lb/>
sechsmonatlichen Solde, auf 100-300,000 Aß drei Mann nebst Sold aufs<lb/>
ganze Jahr, auf 300,000 bis zu einer Million fünf, auf noch ein größeres<lb/>
Capital sieben Mann und auf den Senator acht. Daß die gestellten Leute aus<lb/>
den freigelassenen Sklaven der Betreffenden bestanden, beweisen die von Livius<lb/>
hinzugefügten Worte: &#x201E;Die diesem Befehle gemäß von ihren Herren gestellten,<lb/>
bewaffneten und ausgerüsteten Matrosen bestiegen die Schiffe mit gekochten<lb/>
Speisen auf dreißig Tage". Als aber vier Jahre später diese Maßregel wieder¬<lb/>
holt werden sollte, entschloß sich Vornehm und Gering, lieber der Staatskasse<lb/>
das entbehrliche edle Metall aufzuopfern. Später kam es noch einmal um<lb/>
Kriege zwischen Octavian und dem kühnen Sextus Pompejus vor, daß die<lb/>
Senatoren, die Ritter und die Reichen halb freiwillig halb gezwungen sich einer<lb/>
Zahl von 20,000 Sklaven durch Freilassung entäußerten, um Octavians Nuder¬<lb/>
mannschaft zu completiren. Außer den Libertinen gab es aber auch, besonders</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] geschützen schießen ließ), und schreckten die Feinde durch Brandpfeile. Nach den mithridatischen Kriegen trug wieder die römische Gleichgiltigkeit gegen die Kriegsmarine das Meiste dazu bei, daß die seitdem in Schwung gekommene Piraterie der Jsaurier und Cilicier nach und nach solche Dimensionen annehmen konnte, daß endlich Italiens Küsten geplündert, seine Heerstraßen gefährdet, die römische Flotte in Ostia verbrannt, die Hauptstadt selbst beinahe in Hungers- noth versetzt wurde, und daß die Freibeuter, die ihr Handwerk mit kleinen Kapern begonnen hatten, zuletzt die Seeherrschaft mit tausend Fahrzeugen be¬ haupteten, worunter sich viele Nangschiffe befanden, deren Hintertheile, wie Plutarch erzählt, ganz vergoldet waren und die purpurne Segel und mit Silber beschlagene Ruder führten. Die Flotte des Pompejus, welche endlich dem Barbarcskenunfug ein Ende machte, bestand zwar aus einigen Hunderten von Kriegsschissen, die aber zum größern Theil von den tributpflichtigen Pro- vincialen, besonders wieder von den getreuen Nhodiern gestellt worden waren. Von der geringen Neigung der Römer zum Seewesen zeugt auch die schlechtere Stellung der Matrosen und Seesoldaten bei ihnen. Zwar waren auch in Athen die Bürger für gewöhnliche Zeiten nicht zum Dienst auf der Flotte verpflichtet; aber Matrosen und Marinesoldaten standen doch im Solde der Landarmee ganz gleich. Dagegen bekam die Mannschaft der römischen Schiffe geringeren Sold, und die Schiffssoldaten starben oft so arm, daß man zu ihrem Begräbnisse Collecten anstellen mußte. Nur die am niedrig¬ sten geschätzten Bürger, die unter 4000 Aß besaßen, und des Legionsdienstes darum für unwürdig gehalten wurden, zog man zur Flottenmannschaft, noch gewöhnlicher aber freigelassene Sklaven. Als während des zweiten punischen Kriegs einmal in der Staatskasse das Geld zur Anwerbung von Matrosen fehlte, mußten die Bürger selbst, je nach dem Census, die Mannschaft stellen, und zwar kam auf ein Vermögen von S0—100.000 Aß ein Matrose nebst sechsmonatlichen Solde, auf 100-300,000 Aß drei Mann nebst Sold aufs ganze Jahr, auf 300,000 bis zu einer Million fünf, auf noch ein größeres Capital sieben Mann und auf den Senator acht. Daß die gestellten Leute aus den freigelassenen Sklaven der Betreffenden bestanden, beweisen die von Livius hinzugefügten Worte: „Die diesem Befehle gemäß von ihren Herren gestellten, bewaffneten und ausgerüsteten Matrosen bestiegen die Schiffe mit gekochten Speisen auf dreißig Tage". Als aber vier Jahre später diese Maßregel wieder¬ holt werden sollte, entschloß sich Vornehm und Gering, lieber der Staatskasse das entbehrliche edle Metall aufzuopfern. Später kam es noch einmal um Kriege zwischen Octavian und dem kühnen Sextus Pompejus vor, daß die Senatoren, die Ritter und die Reichen halb freiwillig halb gezwungen sich einer Zahl von 20,000 Sklaven durch Freilassung entäußerten, um Octavians Nuder¬ mannschaft zu completiren. Außer den Libertinen gab es aber auch, besonders

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/80
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/80>, abgerufen am 27.09.2024.