Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorder- und Hintertheile befanden sich ebenfalls je zwei). Das Innere der
Thürme war mit Steinen und Geschossen gefüllt, und jeder trug sechs Bewaff¬
nete , worunter zwei Bogenschützen. Dann befand sich auf einem Gerüste eine
von Archimedes construirte Wurfmaschine, welche zwölfellige Pfeile und drei
Centner schwere Steine bis auf sechshundert Fuß schleuderte. An den Raaen
der drei Masten waren sogenannte Delphine angebracht, große Steine und
Vleimassen, durch welche man nahe Schiffe zum Sinken brachte, und welche
schon im peloponnesischen Kriege erwähnt werden. Das Schiff war außerdem
rings mit eisernen Spitzen besetzt, um das Entern zu erschweren, und mit be¬
weglichen Haken, um die feindlichen Fahrzeuge festzuhalten. An beiden Breit¬
seiten standen sechzig Gewappnete und ebensoviele an den Masten und an dem
Geschütze. Der eherne Mastkorb des Hauptmasts trug drei Mann, der des zweiten
zwei, der des dritten einen, und diesen wurde in Körben die Munition hinauf¬
gehaspelt. Vier hölzerne und acht eiserne Anker befanden sich an Bord und
außer vielen kleineren Booten ein Kutter, der dreitausend Centner Last tragen
konnte. Es existirte auch darauf ein besonderes Schiffsgericht, das aus dem
Kapitän, dem Ober- und Untersteuermann bestand und nach dem syrakusischen
Rechte entschied. Mhenäus, der die Beschreibung einem gewissen Moschion
entliehen hat, fügt noch das Epigramm hinzu, womit der attische Dichter
Archimelos dieses Schiff, das Hieron dem Könige von Aegypten schenkte, ver¬
herrlichte, und wofür er ein Honorar von baaren tausend Scheffeln Weizen
tax- und sportelfrei bis in den Piräus geliefert bekam!

Mit solchen Fortschritten stand die gleichzeitige römische Marine freilich in
grellem Contraste, wenn es auch sicher unwahr ist, daß die Römer vor dem
ersten punischen Krieg gar nicht an eine Kriegsflotte gedacht hätten. Die weit
ausgebreitete etruscische Piratenwirthschaft, die das tyrrhenische und adriatische
Meer beunruhigte, ging sie zu nahe an, als daß sie nichts zum Schutze ihrer
schon von Altens Martins gegründeten Hafenstadt Ostia und des damit zu¬
sammenhängenden Handels gethan, nichts von solchen Nachbarn gelernt haben
sollten. Bereits im Jahre 509 v. Chr. schloß ja Rom einen Seefahrtsvertrag
""t Karthago, und in dem zweiten vom Jahre 348 ist nicht blos von feind¬
lichen Kauffahrern die Rede, sondern auch von Seeraub und Anlegung über¬
seeischer Colonien und Festungen. Im Jahre 334 werden die Langschiffe der
etruscischen Stadt Antium von den Römern theils verbrannt, theils in die
Schiffswerft" nach Rom gebracht, wo man außerdem mit den Schnäbeln der
Zerstörten Schiffe die Rednerbühne decorirte. Fünfundzwanzig Jahre später er¬
wähnt Livius einer Bill, nach welcher zwei besondere Seepräfeeten zur Aus¬
rüstung und Ausbesserung der Flotte ernannt werden sollten, und gleich im
nächsten Jahre (308) landet eine römische Kriegsflotte bei Pompeji, das Schiffs-
vol? plündert die Umgegend und wird vom Landvolke endlich mit großem Ver-


Grenzboten II. 1SK3. 10

Vorder- und Hintertheile befanden sich ebenfalls je zwei). Das Innere der
Thürme war mit Steinen und Geschossen gefüllt, und jeder trug sechs Bewaff¬
nete , worunter zwei Bogenschützen. Dann befand sich auf einem Gerüste eine
von Archimedes construirte Wurfmaschine, welche zwölfellige Pfeile und drei
Centner schwere Steine bis auf sechshundert Fuß schleuderte. An den Raaen
der drei Masten waren sogenannte Delphine angebracht, große Steine und
Vleimassen, durch welche man nahe Schiffe zum Sinken brachte, und welche
schon im peloponnesischen Kriege erwähnt werden. Das Schiff war außerdem
rings mit eisernen Spitzen besetzt, um das Entern zu erschweren, und mit be¬
weglichen Haken, um die feindlichen Fahrzeuge festzuhalten. An beiden Breit¬
seiten standen sechzig Gewappnete und ebensoviele an den Masten und an dem
Geschütze. Der eherne Mastkorb des Hauptmasts trug drei Mann, der des zweiten
zwei, der des dritten einen, und diesen wurde in Körben die Munition hinauf¬
gehaspelt. Vier hölzerne und acht eiserne Anker befanden sich an Bord und
außer vielen kleineren Booten ein Kutter, der dreitausend Centner Last tragen
konnte. Es existirte auch darauf ein besonderes Schiffsgericht, das aus dem
Kapitän, dem Ober- und Untersteuermann bestand und nach dem syrakusischen
Rechte entschied. Mhenäus, der die Beschreibung einem gewissen Moschion
entliehen hat, fügt noch das Epigramm hinzu, womit der attische Dichter
Archimelos dieses Schiff, das Hieron dem Könige von Aegypten schenkte, ver¬
herrlichte, und wofür er ein Honorar von baaren tausend Scheffeln Weizen
tax- und sportelfrei bis in den Piräus geliefert bekam!

Mit solchen Fortschritten stand die gleichzeitige römische Marine freilich in
grellem Contraste, wenn es auch sicher unwahr ist, daß die Römer vor dem
ersten punischen Krieg gar nicht an eine Kriegsflotte gedacht hätten. Die weit
ausgebreitete etruscische Piratenwirthschaft, die das tyrrhenische und adriatische
Meer beunruhigte, ging sie zu nahe an, als daß sie nichts zum Schutze ihrer
schon von Altens Martins gegründeten Hafenstadt Ostia und des damit zu¬
sammenhängenden Handels gethan, nichts von solchen Nachbarn gelernt haben
sollten. Bereits im Jahre 509 v. Chr. schloß ja Rom einen Seefahrtsvertrag
""t Karthago, und in dem zweiten vom Jahre 348 ist nicht blos von feind¬
lichen Kauffahrern die Rede, sondern auch von Seeraub und Anlegung über¬
seeischer Colonien und Festungen. Im Jahre 334 werden die Langschiffe der
etruscischen Stadt Antium von den Römern theils verbrannt, theils in die
Schiffswerft« nach Rom gebracht, wo man außerdem mit den Schnäbeln der
Zerstörten Schiffe die Rednerbühne decorirte. Fünfundzwanzig Jahre später er¬
wähnt Livius einer Bill, nach welcher zwei besondere Seepräfeeten zur Aus¬
rüstung und Ausbesserung der Flotte ernannt werden sollten, und gleich im
nächsten Jahre (308) landet eine römische Kriegsflotte bei Pompeji, das Schiffs-
vol? plündert die Umgegend und wird vom Landvolke endlich mit großem Ver-


Grenzboten II. 1SK3. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0077" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188104"/>
            <p xml:id="ID_190" prev="#ID_189"> Vorder- und Hintertheile befanden sich ebenfalls je zwei). Das Innere der<lb/>
Thürme war mit Steinen und Geschossen gefüllt, und jeder trug sechs Bewaff¬<lb/>
nete , worunter zwei Bogenschützen. Dann befand sich auf einem Gerüste eine<lb/>
von Archimedes construirte Wurfmaschine, welche zwölfellige Pfeile und drei<lb/>
Centner schwere Steine bis auf sechshundert Fuß schleuderte. An den Raaen<lb/>
der drei Masten waren sogenannte Delphine angebracht, große Steine und<lb/>
Vleimassen, durch welche man nahe Schiffe zum Sinken brachte, und welche<lb/>
schon im peloponnesischen Kriege erwähnt werden. Das Schiff war außerdem<lb/>
rings mit eisernen Spitzen besetzt, um das Entern zu erschweren, und mit be¬<lb/>
weglichen Haken, um die feindlichen Fahrzeuge festzuhalten. An beiden Breit¬<lb/>
seiten standen sechzig Gewappnete und ebensoviele an den Masten und an dem<lb/>
Geschütze. Der eherne Mastkorb des Hauptmasts trug drei Mann, der des zweiten<lb/>
zwei, der des dritten einen, und diesen wurde in Körben die Munition hinauf¬<lb/>
gehaspelt. Vier hölzerne und acht eiserne Anker befanden sich an Bord und<lb/>
außer vielen kleineren Booten ein Kutter, der dreitausend Centner Last tragen<lb/>
konnte. Es existirte auch darauf ein besonderes Schiffsgericht, das aus dem<lb/>
Kapitän, dem Ober- und Untersteuermann bestand und nach dem syrakusischen<lb/>
Rechte entschied. Mhenäus, der die Beschreibung einem gewissen Moschion<lb/>
entliehen hat, fügt noch das Epigramm hinzu, womit der attische Dichter<lb/>
Archimelos dieses Schiff, das Hieron dem Könige von Aegypten schenkte, ver¬<lb/>
herrlichte, und wofür er ein Honorar von baaren tausend Scheffeln Weizen<lb/>
tax- und sportelfrei bis in den Piräus geliefert bekam!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_191" next="#ID_192"> Mit solchen Fortschritten stand die gleichzeitige römische Marine freilich in<lb/>
grellem Contraste, wenn es auch sicher unwahr ist, daß die Römer vor dem<lb/>
ersten punischen Krieg gar nicht an eine Kriegsflotte gedacht hätten. Die weit<lb/>
ausgebreitete etruscische Piratenwirthschaft, die das tyrrhenische und adriatische<lb/>
Meer beunruhigte, ging sie zu nahe an, als daß sie nichts zum Schutze ihrer<lb/>
schon von Altens Martins gegründeten Hafenstadt Ostia und des damit zu¬<lb/>
sammenhängenden Handels gethan, nichts von solchen Nachbarn gelernt haben<lb/>
sollten. Bereits im Jahre 509 v. Chr. schloß ja Rom einen Seefahrtsvertrag<lb/>
""t Karthago, und in dem zweiten vom Jahre 348 ist nicht blos von feind¬<lb/>
lichen Kauffahrern die Rede, sondern auch von Seeraub und Anlegung über¬<lb/>
seeischer Colonien und Festungen. Im Jahre 334 werden die Langschiffe der<lb/>
etruscischen Stadt Antium von den Römern theils verbrannt, theils in die<lb/>
Schiffswerft« nach Rom gebracht, wo man außerdem mit den Schnäbeln der<lb/>
Zerstörten Schiffe die Rednerbühne decorirte. Fünfundzwanzig Jahre später er¬<lb/>
wähnt Livius einer Bill, nach welcher zwei besondere Seepräfeeten zur Aus¬<lb/>
rüstung und Ausbesserung der Flotte ernannt werden sollten, und gleich im<lb/>
nächsten Jahre (308) landet eine römische Kriegsflotte bei Pompeji, das Schiffs-<lb/>
vol? plündert die Umgegend und wird vom Landvolke endlich mit großem Ver-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1SK3. 10</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0077] Vorder- und Hintertheile befanden sich ebenfalls je zwei). Das Innere der Thürme war mit Steinen und Geschossen gefüllt, und jeder trug sechs Bewaff¬ nete , worunter zwei Bogenschützen. Dann befand sich auf einem Gerüste eine von Archimedes construirte Wurfmaschine, welche zwölfellige Pfeile und drei Centner schwere Steine bis auf sechshundert Fuß schleuderte. An den Raaen der drei Masten waren sogenannte Delphine angebracht, große Steine und Vleimassen, durch welche man nahe Schiffe zum Sinken brachte, und welche schon im peloponnesischen Kriege erwähnt werden. Das Schiff war außerdem rings mit eisernen Spitzen besetzt, um das Entern zu erschweren, und mit be¬ weglichen Haken, um die feindlichen Fahrzeuge festzuhalten. An beiden Breit¬ seiten standen sechzig Gewappnete und ebensoviele an den Masten und an dem Geschütze. Der eherne Mastkorb des Hauptmasts trug drei Mann, der des zweiten zwei, der des dritten einen, und diesen wurde in Körben die Munition hinauf¬ gehaspelt. Vier hölzerne und acht eiserne Anker befanden sich an Bord und außer vielen kleineren Booten ein Kutter, der dreitausend Centner Last tragen konnte. Es existirte auch darauf ein besonderes Schiffsgericht, das aus dem Kapitän, dem Ober- und Untersteuermann bestand und nach dem syrakusischen Rechte entschied. Mhenäus, der die Beschreibung einem gewissen Moschion entliehen hat, fügt noch das Epigramm hinzu, womit der attische Dichter Archimelos dieses Schiff, das Hieron dem Könige von Aegypten schenkte, ver¬ herrlichte, und wofür er ein Honorar von baaren tausend Scheffeln Weizen tax- und sportelfrei bis in den Piräus geliefert bekam! Mit solchen Fortschritten stand die gleichzeitige römische Marine freilich in grellem Contraste, wenn es auch sicher unwahr ist, daß die Römer vor dem ersten punischen Krieg gar nicht an eine Kriegsflotte gedacht hätten. Die weit ausgebreitete etruscische Piratenwirthschaft, die das tyrrhenische und adriatische Meer beunruhigte, ging sie zu nahe an, als daß sie nichts zum Schutze ihrer schon von Altens Martins gegründeten Hafenstadt Ostia und des damit zu¬ sammenhängenden Handels gethan, nichts von solchen Nachbarn gelernt haben sollten. Bereits im Jahre 509 v. Chr. schloß ja Rom einen Seefahrtsvertrag ""t Karthago, und in dem zweiten vom Jahre 348 ist nicht blos von feind¬ lichen Kauffahrern die Rede, sondern auch von Seeraub und Anlegung über¬ seeischer Colonien und Festungen. Im Jahre 334 werden die Langschiffe der etruscischen Stadt Antium von den Römern theils verbrannt, theils in die Schiffswerft« nach Rom gebracht, wo man außerdem mit den Schnäbeln der Zerstörten Schiffe die Rednerbühne decorirte. Fünfundzwanzig Jahre später er¬ wähnt Livius einer Bill, nach welcher zwei besondere Seepräfeeten zur Aus¬ rüstung und Ausbesserung der Flotte ernannt werden sollten, und gleich im nächsten Jahre (308) landet eine römische Kriegsflotte bei Pompeji, das Schiffs- vol? plündert die Umgegend und wird vom Landvolke endlich mit großem Ver- Grenzboten II. 1SK3. 10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/77
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/77>, abgerufen am 27.09.2024.