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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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mandtheit und Schnelligkeit wegen bewundert! Besonders die ägyptischen Könige
zeichneten sich durch Zahl und Größe ihrer Schiffe aus. Ptolemäus Phila-
delphus besaß, wenn Athenäus recht unterrichtet ist, 2 Dreißigdecker, 1 Zwan-
zigdccker, 4 Dreizehndecker, 2 Zwölfdccker, 14 Elfdecker, 30 Neundecker,
37 Siebendecker, S Sechsdeckcr, 17 Fünfdeckcr und doppelt so viel als die
Gesammtsunune Vierdecker und leichtere Fahrzeuge. Ptolemäus der Vierte,
Philopater. hatte den für sein Volk kostspieligen Ruhm, den Leviathan der
alten Welt zu besitzen. Dieses Riesenschiff maß 420 Fuß in die Länge iber
Great Eastern mißt bekanntlich 680 Fuß), S7 Fuß in die Breite, und war vom
Kiel bis zum Kraus des Hintertheils 80 Fuß hoch. Es brauchte nicht weniger
als 4000 Ruderer und außerdem 400 Matrosen, und sein Verdeck faßte
3000 Soldaten. Die längsten Ruder seiner vierzig Ruderbankrcihen gibt Athe¬
näus auf S7 Fuß an. Da nun im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert
ein Galecrcnruder des Mittelmeers bei einer ungefähr gleichen Länge sechs
Ruderknechte erforderte, so begreift man nicht, wie von der viel bedeutenderen Höhe
jener ägyptischen Galeere aus die obersten Ruder regiert werden konnten, man
müßte denn einiges Gewicht darauf legen wollen, daß Athenäus sagt, die
Rudergriffc seien mit Blei gefüttert gewesen. Uebrigens verfehlte das Schiff
ganz seinen Zweck, denn Plutarch schreibt: "Es war zu nichts nütze als zum
Ansehen, unterschied sich kaum von feststehenden Gebäuden und bewegte sich
unsicher und nicht ohne große Mühe."

Viel interessanter als dieser Vicrzigdecker war ein fast gleichzeitig mit Beihilfe
des genialen Archimedes von König Hieron in Syrakus erbautes Schiff, das zwar
zum Getreidetranspvrt bestimmt, aber zugleich als Kriegsschiff armirt war und
sich außer der Prachtverschwcndung durch höchst sinnreiche Einrichtungen aus¬
zeichnete, die gleichmäßig auf Bequemlichkeit und Vertheidigung abzielten und
wohl würdig gewesen wären bei der Mit- und Nachwelt mehr Nachahmung zu fin¬
den. Das Holz zu seinem Rumpfe kam dem zu sechzig Trierer nöthigen Ma¬
terial gleich, und dreihundert Zimmerleute vollendeten es in sechs Monaten.
Sehr bemerkenswert!) ist dabei, daß das ganze Holzwerk außen mit bleiernen
Platten beschlagen wurde. Die "Syrakosia" hatte zwanzig Ruderreihen und,
wie erwähnt, drei völlig von einander geschiedene, durch Treppen verbundene
Verdecke, deren unterstes für die Frachtladung (sie betrug die Kleinigkeit von
60,000 Scheffeln Getreide, 20,000 Talenten Wolle ", 120 Pfund, 10,000 Faß
finnisches Pökelfleisch), das Mitteldeck für die Kajüten (darunter waren dreißig
Matrosenkajüten mit je vier Bettstellen), das oberste für die Marinesoldaten be¬
stimmt war. Denn an bloße Gallerten zu denken ist hier unmöglich, da dann
weder Platz für Wohnungen, ein Gymnasium, eine Bibliothek, für die Pferdeställe,
den Fischteich, die Küchen, Lauben und Spaziergänge vorhanden gewesen wäre,
noch mitten auf dem Verdecke vier Thürme hätten stehen können (aus dem


mandtheit und Schnelligkeit wegen bewundert! Besonders die ägyptischen Könige
zeichneten sich durch Zahl und Größe ihrer Schiffe aus. Ptolemäus Phila-
delphus besaß, wenn Athenäus recht unterrichtet ist, 2 Dreißigdecker, 1 Zwan-
zigdccker, 4 Dreizehndecker, 2 Zwölfdccker, 14 Elfdecker, 30 Neundecker,
37 Siebendecker, S Sechsdeckcr, 17 Fünfdeckcr und doppelt so viel als die
Gesammtsunune Vierdecker und leichtere Fahrzeuge. Ptolemäus der Vierte,
Philopater. hatte den für sein Volk kostspieligen Ruhm, den Leviathan der
alten Welt zu besitzen. Dieses Riesenschiff maß 420 Fuß in die Länge iber
Great Eastern mißt bekanntlich 680 Fuß), S7 Fuß in die Breite, und war vom
Kiel bis zum Kraus des Hintertheils 80 Fuß hoch. Es brauchte nicht weniger
als 4000 Ruderer und außerdem 400 Matrosen, und sein Verdeck faßte
3000 Soldaten. Die längsten Ruder seiner vierzig Ruderbankrcihen gibt Athe¬
näus auf S7 Fuß an. Da nun im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert
ein Galecrcnruder des Mittelmeers bei einer ungefähr gleichen Länge sechs
Ruderknechte erforderte, so begreift man nicht, wie von der viel bedeutenderen Höhe
jener ägyptischen Galeere aus die obersten Ruder regiert werden konnten, man
müßte denn einiges Gewicht darauf legen wollen, daß Athenäus sagt, die
Rudergriffc seien mit Blei gefüttert gewesen. Uebrigens verfehlte das Schiff
ganz seinen Zweck, denn Plutarch schreibt: „Es war zu nichts nütze als zum
Ansehen, unterschied sich kaum von feststehenden Gebäuden und bewegte sich
unsicher und nicht ohne große Mühe."

Viel interessanter als dieser Vicrzigdecker war ein fast gleichzeitig mit Beihilfe
des genialen Archimedes von König Hieron in Syrakus erbautes Schiff, das zwar
zum Getreidetranspvrt bestimmt, aber zugleich als Kriegsschiff armirt war und
sich außer der Prachtverschwcndung durch höchst sinnreiche Einrichtungen aus¬
zeichnete, die gleichmäßig auf Bequemlichkeit und Vertheidigung abzielten und
wohl würdig gewesen wären bei der Mit- und Nachwelt mehr Nachahmung zu fin¬
den. Das Holz zu seinem Rumpfe kam dem zu sechzig Trierer nöthigen Ma¬
terial gleich, und dreihundert Zimmerleute vollendeten es in sechs Monaten.
Sehr bemerkenswert!) ist dabei, daß das ganze Holzwerk außen mit bleiernen
Platten beschlagen wurde. Die „Syrakosia" hatte zwanzig Ruderreihen und,
wie erwähnt, drei völlig von einander geschiedene, durch Treppen verbundene
Verdecke, deren unterstes für die Frachtladung (sie betrug die Kleinigkeit von
60,000 Scheffeln Getreide, 20,000 Talenten Wolle », 120 Pfund, 10,000 Faß
finnisches Pökelfleisch), das Mitteldeck für die Kajüten (darunter waren dreißig
Matrosenkajüten mit je vier Bettstellen), das oberste für die Marinesoldaten be¬
stimmt war. Denn an bloße Gallerten zu denken ist hier unmöglich, da dann
weder Platz für Wohnungen, ein Gymnasium, eine Bibliothek, für die Pferdeställe,
den Fischteich, die Küchen, Lauben und Spaziergänge vorhanden gewesen wäre,
noch mitten auf dem Verdecke vier Thürme hätten stehen können (aus dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/76>, abgerufen am 27.09.2024.