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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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zu sagen nur Kapitelüberschriften, und doch rollten seine Perioden tadellos von
Anfang bis zu Ende, kein Angriff traf ihn noch so unerwartet, wo er nicht
sofort aus jeden Punkt zu erwidern bereit war. Von seinen Leistungen und
dem Eindruck, den sie machten, können wir uns nach den mangelhaften Auf¬
zeichnungen seiner Reden, die auf uns gekommen sind, kaum einen richtigen
Begriff machen. Noch weniger können wir hier versuchen, nach jenen Auf¬
zeichnungen, welche immerhin drei starke Bände ausmachen, ein Bild seiner Be-
redtsamkeit zu geben, nur der Schluß seiner großen Rede gegen den Sklaven¬
handel möge hier Platz finden.

"Es gab eine Zeit, wo der Sklavenhandel auch bei uns zu Hause war,
wo Sklaven einen festen Artikel unsrer Ausfuhr bildeten. Wie die Geschicht¬
schreiber uns erzählen, wurden Massen davon wie Vieh von der britischen
Küste weggeschleppt und auf dem römischen Markte verkauft. -- Jetzt behauptet
man, um den afrikanischen Sklavenhandel zu rechtfertigen, Afrika sei aller
Civilisation unfähig, die Vorsehung habe nie beabsichtigt, dies Land aus einem
Zustand der Barbarei zu erheben, habe es vielmehr nur zur Zucht von Skla¬
ven für uns freie und aufgeklärte Europäer bestimmt? Warumhätte denn nicht
einst dies Argument gegen das alte Britannien angewendet werden können,
warum konnte nicht ein römischer Senator aus die britischen Barbaren weisen
und rufen: da ist ein Volk, das sich niemals zur Gesittung erheben wird, da
ist ein Volk, das bestimmt ist, niemals frei zu werden? -- Wir sind lange
aus der Barbarei aufgetaucht, wir haben fast vergessen, daß wir einst
Barbaren waren, aber uns fehlt noch Eins, um 'uns ganz von dem Vor¬
wurf frei zu machen, daß wir bis aus diese Stunde als Barbaren gehandelt
haben, denn bis zu dieser Stunde treiben wir den^ barbarischen Sklaven¬
handel.

Ich hoffe, dieser Handel wird nicht länger zum Verderben ,jedes edeln
Keimes aus jenem weiten Continent fortgeführt werden, ich hoffe, wir werden
uns nicht zu gut dünken, wenn wir seine Einwohner wieder als mensch¬
liche Wesen betrachten, wenn wir ihnen die Möglichkeit der Gesittung geben
und die Aussicht, einst derselben Segnungen theilhaftig zu werden, welche uns
durch die Gnade der Vorsehung so viel früher geworden sind. Wenn wir
dieser Stimme der Vernunft und Pflicht Gehör leihen und darnach handeln,
so können einige von uns es vielleicht erleben, das Gegentheil des Bildes in
Afrika zu sehen, von dem sich jetzt unsre Blicke mit Scham und Neue ab¬
wenden müssen. Wir können die Eingebornen Afrikas in friedlichem Genuß
'hr Leben durch Gewerbfleiß und Handel verschönen sehen, sehen, wie die
Strahlen der Religion und der Wissenschaft die Finsterniß des Aberglaubens
und der Unwissenheit vertreiben. Dann wird Europa in seiner Theilnahme
<w Afrikas Fortschritt reich belohnt werden für die Gerechtigkeit, die es seiner


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zu sagen nur Kapitelüberschriften, und doch rollten seine Perioden tadellos von
Anfang bis zu Ende, kein Angriff traf ihn noch so unerwartet, wo er nicht
sofort aus jeden Punkt zu erwidern bereit war. Von seinen Leistungen und
dem Eindruck, den sie machten, können wir uns nach den mangelhaften Auf¬
zeichnungen seiner Reden, die auf uns gekommen sind, kaum einen richtigen
Begriff machen. Noch weniger können wir hier versuchen, nach jenen Auf¬
zeichnungen, welche immerhin drei starke Bände ausmachen, ein Bild seiner Be-
redtsamkeit zu geben, nur der Schluß seiner großen Rede gegen den Sklaven¬
handel möge hier Platz finden.

„Es gab eine Zeit, wo der Sklavenhandel auch bei uns zu Hause war,
wo Sklaven einen festen Artikel unsrer Ausfuhr bildeten. Wie die Geschicht¬
schreiber uns erzählen, wurden Massen davon wie Vieh von der britischen
Küste weggeschleppt und auf dem römischen Markte verkauft. — Jetzt behauptet
man, um den afrikanischen Sklavenhandel zu rechtfertigen, Afrika sei aller
Civilisation unfähig, die Vorsehung habe nie beabsichtigt, dies Land aus einem
Zustand der Barbarei zu erheben, habe es vielmehr nur zur Zucht von Skla¬
ven für uns freie und aufgeklärte Europäer bestimmt? Warumhätte denn nicht
einst dies Argument gegen das alte Britannien angewendet werden können,
warum konnte nicht ein römischer Senator aus die britischen Barbaren weisen
und rufen: da ist ein Volk, das sich niemals zur Gesittung erheben wird, da
ist ein Volk, das bestimmt ist, niemals frei zu werden? — Wir sind lange
aus der Barbarei aufgetaucht, wir haben fast vergessen, daß wir einst
Barbaren waren, aber uns fehlt noch Eins, um 'uns ganz von dem Vor¬
wurf frei zu machen, daß wir bis aus diese Stunde als Barbaren gehandelt
haben, denn bis zu dieser Stunde treiben wir den^ barbarischen Sklaven¬
handel.

Ich hoffe, dieser Handel wird nicht länger zum Verderben ,jedes edeln
Keimes aus jenem weiten Continent fortgeführt werden, ich hoffe, wir werden
uns nicht zu gut dünken, wenn wir seine Einwohner wieder als mensch¬
liche Wesen betrachten, wenn wir ihnen die Möglichkeit der Gesittung geben
und die Aussicht, einst derselben Segnungen theilhaftig zu werden, welche uns
durch die Gnade der Vorsehung so viel früher geworden sind. Wenn wir
dieser Stimme der Vernunft und Pflicht Gehör leihen und darnach handeln,
so können einige von uns es vielleicht erleben, das Gegentheil des Bildes in
Afrika zu sehen, von dem sich jetzt unsre Blicke mit Scham und Neue ab¬
wenden müssen. Wir können die Eingebornen Afrikas in friedlichem Genuß
'hr Leben durch Gewerbfleiß und Handel verschönen sehen, sehen, wie die
Strahlen der Religion und der Wissenschaft die Finsterniß des Aberglaubens
und der Unwissenheit vertreiben. Dann wird Europa in seiner Theilnahme
<w Afrikas Fortschritt reich belohnt werden für die Gerechtigkeit, die es seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/71>, abgerufen am 27.09.2024.