Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.Land der Vorsehung. Unvergänglich werden die Worte seiner großen Rede Ein Mann von solcher Einheit des Charakters war selbstverständlich Wenn nun diese Concentration des Charakters auf ein großes Ziel das Grenzboten II. 1303. 9
Land der Vorsehung. Unvergänglich werden die Worte seiner großen Rede Ein Mann von solcher Einheit des Charakters war selbstverständlich Wenn nun diese Concentration des Charakters auf ein großes Ziel das Grenzboten II. 1303. 9
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Land der Vorsehung. Unvergänglich werden die Worte seiner großen Rede
über den Krieg gegen Frankreich sein, wo er Englands Verfassung mit
der gemäßigten Zone verglich, die gleich weit vom Eise des Poles und der
verdorrenden Hitze des Aequators entfernt, von der Güte der Vorsehung
für die reichlichste Entwicklung ausersehen, eine Verfassung, nach der kein
Mann so hock oder reich sein könne, um nicht dem Gesetze unterworfen zu sein,
und Niemand so arm und unbedeutend, um nicht unter seinem Schutze zu stehen.
Ein Mann von solcher Einheit des Charakters war selbstverständlich
stolz, in befreundeten Staatsmännern sah er nur Trabanten, für sich selbst
konnte er keinen Platz denken als den ersten, aber im Vollgefühl seiner
persönlichen Bedeutung lehnte er auch jeden falschen Weihrauch ab, er
wußte, daß er desselben nicht bedürfte. Als der Lordmayor seine Gesundheit
als des Retters von Europa ausbrachte, erwiderte er: „Ich danke für die Ehre,
die Sie mir erwiesen, aber Europa kann nicht durch einen Mann gerettet wer¬
den; England hat sich durch seine Anstrengungen gerettet und wird, wie ich
hoffe, Europa durch sein Beispiel retten." Es braucht kaum erwählt! zu wer¬
den, daß ein solcher Stolz über alle Eitelkeit erhaben war. äußerliche Aus¬
zeichnungen verachtete er und spottete über die Leute, die danach trachteten.
„Lord Abercom," erzählte er einmal, „kam heute mit so feierlicher Miene zu mir,
daß ich glaubte, er wünsche zum Kaiser von Deutschland gewählt zu werden,
ich war sehr erleichtert, als ich hörte, daß er nur das Hoscnband verlangte."
Niemals wagte der König ihm eine Pairie anzubieten, aber er wußte wohl,
daß Herzöge und Millionäre nach einem Gruße von ihm geizten. Die Sorg¬
losigkeit um seinen Ruhm ging so weit, daß er nicht einmal für die Erhaltung
seines Ruhmes als großer Redner besorgt war, er gab sich nicht die Mühe,
seine Reden der Nachwelt zu überliefern. Er war in einem Grade uneigen¬
nützig, der bis zur höchsten Sorglosigkeit in Geldsacken ging; bei einem be¬
trächtlichen Einkommen ohne alle kostbaren Neigungen brachte der einzeln¬
stehende Mann es durch schlechte Wirthschaft dahin, eine große Schuldenlast
anzuhäufen; diese unglücklichen ökonomischen Verhältnisse vereitelten auch seine
Verbindung mit Miß Eden. So widerwärtig diese Gene Pitt war, so konnte
doch sein Stolz es nicht über sich gewinnen, ein ihm von der City angebotenes
Geschenk von 100,000 Pfd. Se. anzunehmen, ebenso lehnte er die Bezahlung
seiner Schulden durch den König ab, widmete aber seinen Angelegenheiten
darum doch nicht mehr Sorgfalt. Erst nach seinem Tode bezahlte das Parla¬
ment die Schulden und setzte seiner Nichte Lady Hefter Stanhope eine Pen¬
sion aus.
Wenn nun diese Concentration des Charakters auf ein großes Ziel das
Geheimniß seiner Erfolge ist, so liegt in dieser Einseitigkeit auch wieder die
Ursache seiner Fehler. Es taugt nicht für einen Staatsmann, von Cambridge
Grenzboten II. 1303. 9
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