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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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selbe ruhen lassen wolle, für die weitere Auseinandersetzung seiner Pläne bat
er um eine Audienz. Diese fand statt, und der König, der sich die Sache über¬
legt haben mußte, zeigte sich gnädig. Als Pitt ihm bemerkte, er sehe besser aus,
als damals, wo er aus dem Ministerium getreten, war die Antwort: "das ist
nicht wunderbar, damals war ich im Begriff einen alten Freund zu verlieren,
jetzt soll ich ihn wiedergewinnen." -- Er gab die Aufnahme Grenvilles zu
und war nur in dem Punkte der Ausschließung von Fox unerschütterlich, und Pitt
zeigte sich hierin nachgiebig, wie uns scheint mit Recht; denn wenn gleich Fox der
Regierung gewiß mehr Stärke gegeben hätte, so war zu fürchten, daß ein zu star¬
ker Druck auf den kaum hergestellten König einen Rückfall der Geisteskrankheit
und damit die ganze drohende Regentschaftsfragc bringen könne, auch war Fox
entschlossen, keine andre Stelle als die des Premiers anzunehmen, und erzeigte
über seine Ausschließung nicht die geringste Gereiztheit. Daß andrerseits Pitt
gegen Addington nicht feindlich war. zeigte er bald darauf dadurch, daß er ihn
wieder ins Cabinet zog. Ebensowenig wird man ihn damals über seine Nach¬
giebigkeit in der katholischen Frage tadeln tonnen; denn das Eine, worauf es
ankam, war die Vertheidigung Englands gegen die beabsichtigte Landung Na¬
poleons von Boulogne.

Diesem einen Ziel widmete sich Pitt mit ganzer Kraft, bereits ehe er
wieder ins Amt trat, hatte er als I,ore1 WardM der Lüiuzuv ?orth auf das
eifrigste für die Volontairmiliz gearbeitet, die damals so wie jetzt durch die
Bewegung der Zeit hervorgerufen war; im Amte betrieb er mit der größten
Energie die Befestigung der Küste. Fox und Grenville spotteten in ihrem
Briefwechsel über Pitt, der um Hergaloppire, um Truppen und Befestigungen zu
prüfen. "Ich begieße meine Rhododendrons," schrieb Letzterer von seinem Land¬
sitz, "ohne an den neuen Besitzer zu denken, dem Bonaparte sie schenken mag."
Aber dieser Spott war übel angebracht; denn die Landung war bittrer Ernst,
alle Vorbereitungen dazu waren gemacht, Admiral Latouche Freville sollte durch
ein Scheinmanövcr auf Aegypten das englische Geschwader im Mittelmeer täu¬
schen, durch die Meerenge von Gibraltar segelnd die blockirten französischen
Linienschiffe in Brest und Rochefort entsetzen, und gedeckt von dieser Flotte ge¬
dachte Napoleon auf 6000 flachen Schiffen nach Kent überzusetzen. "Lassen
Sie uns sechs Stunden Meister des Kanals sein, und wir sind die Herren der
Welt," schrieb er an Freville, ja so sicher war er seiner Sache, daß bereits eine
Gedenkmünze auf den Sieg gravirt war. DWeeutc- vu ^Ivterrö, Herkules,
der den Antäus erdrückt, mit der Unterschrift: geschlagen in London 1804.
Da erkrankte der Admiral, auf dem das Gelingen des ganzen Planes ruhte,
und starb.

Nach dieser Seite hin befreit, wandte Pitt sich gegen Spanien, dessen
Minister Godvy die Neutralität zur Unterstützung Frankreichs brauchte, es kam


selbe ruhen lassen wolle, für die weitere Auseinandersetzung seiner Pläne bat
er um eine Audienz. Diese fand statt, und der König, der sich die Sache über¬
legt haben mußte, zeigte sich gnädig. Als Pitt ihm bemerkte, er sehe besser aus,
als damals, wo er aus dem Ministerium getreten, war die Antwort: „das ist
nicht wunderbar, damals war ich im Begriff einen alten Freund zu verlieren,
jetzt soll ich ihn wiedergewinnen." — Er gab die Aufnahme Grenvilles zu
und war nur in dem Punkte der Ausschließung von Fox unerschütterlich, und Pitt
zeigte sich hierin nachgiebig, wie uns scheint mit Recht; denn wenn gleich Fox der
Regierung gewiß mehr Stärke gegeben hätte, so war zu fürchten, daß ein zu star¬
ker Druck auf den kaum hergestellten König einen Rückfall der Geisteskrankheit
und damit die ganze drohende Regentschaftsfragc bringen könne, auch war Fox
entschlossen, keine andre Stelle als die des Premiers anzunehmen, und erzeigte
über seine Ausschließung nicht die geringste Gereiztheit. Daß andrerseits Pitt
gegen Addington nicht feindlich war. zeigte er bald darauf dadurch, daß er ihn
wieder ins Cabinet zog. Ebensowenig wird man ihn damals über seine Nach¬
giebigkeit in der katholischen Frage tadeln tonnen; denn das Eine, worauf es
ankam, war die Vertheidigung Englands gegen die beabsichtigte Landung Na¬
poleons von Boulogne.

Diesem einen Ziel widmete sich Pitt mit ganzer Kraft, bereits ehe er
wieder ins Amt trat, hatte er als I,ore1 WardM der Lüiuzuv ?orth auf das
eifrigste für die Volontairmiliz gearbeitet, die damals so wie jetzt durch die
Bewegung der Zeit hervorgerufen war; im Amte betrieb er mit der größten
Energie die Befestigung der Küste. Fox und Grenville spotteten in ihrem
Briefwechsel über Pitt, der um Hergaloppire, um Truppen und Befestigungen zu
prüfen. „Ich begieße meine Rhododendrons," schrieb Letzterer von seinem Land¬
sitz, „ohne an den neuen Besitzer zu denken, dem Bonaparte sie schenken mag."
Aber dieser Spott war übel angebracht; denn die Landung war bittrer Ernst,
alle Vorbereitungen dazu waren gemacht, Admiral Latouche Freville sollte durch
ein Scheinmanövcr auf Aegypten das englische Geschwader im Mittelmeer täu¬
schen, durch die Meerenge von Gibraltar segelnd die blockirten französischen
Linienschiffe in Brest und Rochefort entsetzen, und gedeckt von dieser Flotte ge¬
dachte Napoleon auf 6000 flachen Schiffen nach Kent überzusetzen. „Lassen
Sie uns sechs Stunden Meister des Kanals sein, und wir sind die Herren der
Welt," schrieb er an Freville, ja so sicher war er seiner Sache, daß bereits eine
Gedenkmünze auf den Sieg gravirt war. DWeeutc- vu ^Ivterrö, Herkules,
der den Antäus erdrückt, mit der Unterschrift: geschlagen in London 1804.
Da erkrankte der Admiral, auf dem das Gelingen des ganzen Planes ruhte,
und starb.

Nach dieser Seite hin befreit, wandte Pitt sich gegen Spanien, dessen
Minister Godvy die Neutralität zur Unterstützung Frankreichs brauchte, es kam


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/66>, abgerufen am 27.09.2024.