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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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nicht Pitts Freunde Grenville und Windham ausnehmen, und darüber scheiterte
die ganze Verständigung, an ihre Stelle trat sogar Bitterkeit. Als die Ver¬
letzung des Friedens von Amiens zu einer erneuten Kriegserklärung geführt
hatte, sprach Pitt im Unterhause, wo er nach langer Pause zum ersten Male
wieder erschien, energisch sür den Krieg, aber beobachtete ein beredtes Still¬
schweigen .hinsichtlich der Minister; als bald darauf ein Tadelsvotum gegen die¬
selben beantragt wurde, wollte Pitt zwar nicht dafür, aber auch nicht dagegen
stimmen, sondern schlug Tagesordnung vor, er feuerte, wie Canning sagt, über
die Köpfe des Ministeriums weg. Ein Plänkelgefecht von Flugschriften ent¬
spann sich zwischen den gegenseitigen Anhängern, die Freunde Pitts drängten
ihn, sich mit Fox zum Sturz des Ministeriums zu verbinden, er lehnte dies ab
und behielt sich nur vor, Maßregeln, die ihm gefählich schienen, zu bekämpfen.
Dies that er wiederholt, die Mehrheit des Ministeriums schmolz rasch zusammen,
und als bei den Lords eine Resolution gegen dasselbe nur mit einer Stimme
abgelehnt wurde, gab Addington seine Entlassung. Pitts Benehmen während
dieser ganzen Zeit war tadellos, alle seine vertraulichen Briefe, sowie Berichte
über intime Gespräche, liegen jetzt gedruckt vor, und nirgend ist eine Spur von
Intrigue, er durfte im Gegentheil in einem Briefe an den König, der vor dem
Fall des Cabinets geschrieben, aber erst nach demselben übergeben wurde, sagen,
daß, weit entfernt dem Ministerium Schwierigkeiten zu bereiten, er gesucht
habe dasselbe auf Fehler aufmerksam zu machen und geholfen sie zu verbessern,
aber er habe einsehen müssen, daß es vergeblich sei den Kampf gegen die un¬
erhörten Anstrengungen des Feindes mit Nachdruck zu führen, so lange die
Verwaltung in ihrer jetzigen Gestalt bleibe. Als Pitt darauf vom König auf¬
gefordert ward, die Bildung eines neuen Cabinetes zu übernehmen, legte er
ihm seinen Plan vor, dasselbe auf der breitesten Grundlage zu bauen, um alle
Talente für den großen Kampf gegen Frankreich zu vereinigen. Der König
antwortete in gereiztem Tone, es thue ihm leid, daß Pitt einen Mann ver¬
unglimpfe, der ihm so loyal beigestanden, als er selbst den unverantwortlichen
Schritt gethan, wegen der Katholikenemancipation zu resigniren, er verlange
eine Erklärung, daß nicht ferner an der Testacte, dem Palladium der englischen
Kirche, gerüttelt werde. Es erstaune ihn, daß man darandenken könne, einen
Mann wie Fox. der wegen seines Benehmens aus dem Geheimen Rath ge¬
stoßen, vor Seine Königliche Gegenwart zu bringen. Wenn Pitt noch ferner
daran denken sollte, solche Personen vorzuschlagen, so müsse er sich an andre
Männer wenden.

Pitt entgegnete mit großer Würde, er habe gegen Addington nicht um
persönlicher Motive willen, sondern im Interesse des Staates sprechen müssen,
seine Ansichten hinsichtlich der Emancipation seien unverändert, aber er halte
die Beendigung der gegenwärtigen Krisis augenblicklich sür so viel wichtiger,
daß er bei dem erklärten Widerwillen des Königs gegen jene Maßregel die-


nicht Pitts Freunde Grenville und Windham ausnehmen, und darüber scheiterte
die ganze Verständigung, an ihre Stelle trat sogar Bitterkeit. Als die Ver¬
letzung des Friedens von Amiens zu einer erneuten Kriegserklärung geführt
hatte, sprach Pitt im Unterhause, wo er nach langer Pause zum ersten Male
wieder erschien, energisch sür den Krieg, aber beobachtete ein beredtes Still¬
schweigen .hinsichtlich der Minister; als bald darauf ein Tadelsvotum gegen die¬
selben beantragt wurde, wollte Pitt zwar nicht dafür, aber auch nicht dagegen
stimmen, sondern schlug Tagesordnung vor, er feuerte, wie Canning sagt, über
die Köpfe des Ministeriums weg. Ein Plänkelgefecht von Flugschriften ent¬
spann sich zwischen den gegenseitigen Anhängern, die Freunde Pitts drängten
ihn, sich mit Fox zum Sturz des Ministeriums zu verbinden, er lehnte dies ab
und behielt sich nur vor, Maßregeln, die ihm gefählich schienen, zu bekämpfen.
Dies that er wiederholt, die Mehrheit des Ministeriums schmolz rasch zusammen,
und als bei den Lords eine Resolution gegen dasselbe nur mit einer Stimme
abgelehnt wurde, gab Addington seine Entlassung. Pitts Benehmen während
dieser ganzen Zeit war tadellos, alle seine vertraulichen Briefe, sowie Berichte
über intime Gespräche, liegen jetzt gedruckt vor, und nirgend ist eine Spur von
Intrigue, er durfte im Gegentheil in einem Briefe an den König, der vor dem
Fall des Cabinets geschrieben, aber erst nach demselben übergeben wurde, sagen,
daß, weit entfernt dem Ministerium Schwierigkeiten zu bereiten, er gesucht
habe dasselbe auf Fehler aufmerksam zu machen und geholfen sie zu verbessern,
aber er habe einsehen müssen, daß es vergeblich sei den Kampf gegen die un¬
erhörten Anstrengungen des Feindes mit Nachdruck zu führen, so lange die
Verwaltung in ihrer jetzigen Gestalt bleibe. Als Pitt darauf vom König auf¬
gefordert ward, die Bildung eines neuen Cabinetes zu übernehmen, legte er
ihm seinen Plan vor, dasselbe auf der breitesten Grundlage zu bauen, um alle
Talente für den großen Kampf gegen Frankreich zu vereinigen. Der König
antwortete in gereiztem Tone, es thue ihm leid, daß Pitt einen Mann ver¬
unglimpfe, der ihm so loyal beigestanden, als er selbst den unverantwortlichen
Schritt gethan, wegen der Katholikenemancipation zu resigniren, er verlange
eine Erklärung, daß nicht ferner an der Testacte, dem Palladium der englischen
Kirche, gerüttelt werde. Es erstaune ihn, daß man darandenken könne, einen
Mann wie Fox. der wegen seines Benehmens aus dem Geheimen Rath ge¬
stoßen, vor Seine Königliche Gegenwart zu bringen. Wenn Pitt noch ferner
daran denken sollte, solche Personen vorzuschlagen, so müsse er sich an andre
Männer wenden.

Pitt entgegnete mit großer Würde, er habe gegen Addington nicht um
persönlicher Motive willen, sondern im Interesse des Staates sprechen müssen,
seine Ansichten hinsichtlich der Emancipation seien unverändert, aber er halte
die Beendigung der gegenwärtigen Krisis augenblicklich sür so viel wichtiger,
daß er bei dem erklärten Widerwillen des Königs gegen jene Maßregel die-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/65>, abgerufen am 27.09.2024.