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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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teil von kriegerischer Gewalt sich die Gesammtheit dieser Haufen verwandelt,
wenn Tod und Gefahr vor ihrer Front drohen. Vorwärts dringen sie, gerade
aus empor. Sie haben den Saum des von den feindlichen Kugeln zerrissenen
Waldes erreicht, sie stürzen in das offene Feld hinaus, und hier wankr zum
ersten Male Heaths Division unter dem Gewitter von Geschossen, das von der
Höhe ihnen entgegenfährt. In diesem kritischen Augenblick hält auch die nächst¬
folgende Division, wie man sagt, ungeschickt behandelt von ihrem Befehlshaber,
im Vorrücken inne und eine Niederlage scheint unvermeidlich. Aber rasch findet
sich der Mann, der dieser gefahrvollen Lage gewachsen war. General Robes
führt, seine Leute durch Zuruf und Geberde anfeuernd, die dritte oder Reserve¬
division herbei und stürmt mit ihr über Freund und Feind hinweg die Hohe
empor. Unter dem Einfluß ihres Beispiels ordnet sich Heaths Division von
Neuem, um mit jenen den Abhang zu ersteigen, und nicht eher ruhen sie, als
bis die wohlbekannte Schlachtfahne der Rebellen auf den dem Feinde entrissenen
Schanzen weht.

Und in ähnlichem unerschrocknen Ansturm wurde auch das stärkere Haupt-
bollwerk der Unionistcn genommen. Hier hatte man Baumstämme von der
Dicke eines Mannsschenkels gefällt, sie ihrer Aeste entkleidet und sie der Länge
nach zu einem vier Fuß hohen Verhau aufgethürmt, dessen Zwischenräume mit
Erde ausgefüllt waren. Besser nach den Regeln der Wissenschaft angelegte
Werke habe ich nirgends gesehen. Dennoch gingen sie verloren. Vier Bri¬
gaden von General Andersons Division erhielten Befehl, diese Schanzen zu
nehmen, welche stark genug schienen, um eine Belagerung auszuhalten, und von
einer Truppenmacht vertheidigt wurden, die weit zahlreicher war als die An¬
greifer. Mit einer unvergleichlichen Unerschrockenheit warfen sich Poseys Missis-
sippicr und Wrights Georgier auf die fast uneinnehmbaren Schanzen ihrer
Feinde. Mit bewundernswerthem Scharfblick hatte General Stuart sich auf
dem oben erwähnten Hügel Fairvicw festgesetzt, von dem er jetzt die Uankees
von der Flanke aus zwanzig gezogenen Kanonen beschoß, während Poseys und
Wrigbts Infanterie die Brüstung des Verhaus überstieg. Sie springen auf
und zwischen die gefällten Baumstämme und die verflochtenen Zweige, sie stür¬
zen sich wie Tiger mit weiten Sätzen in die Schanze und treiben die von pa¬
nischen Schrecken ergriffenen Yankees mit dem Bajonnet vor sich her. Nie
werde ich den wilden Schrei vergessen, welcher verkündete, daß der Feind ge¬
worfen war. Indem sie (allerdings wohl weit mehr durch Stuarts Kanonen
als durch die anstürmende Infanterie Vertrieben. D. Red.) Schanzen verließen,
welche entschlossene Männer gegen eine zehnfache Uebermacht vertheidigt haben
würden, und indem sie Tornister, Feldflaschen, Mäntel, Bücher, Karten, Zei¬
tungen, Gewehre hinter sich zurückließen, flüchteten sich die Unionisten angstvoll
zu ihrer Nachhut, und nicht eher hielten sie inne mit Laufen, als bis sie das


teil von kriegerischer Gewalt sich die Gesammtheit dieser Haufen verwandelt,
wenn Tod und Gefahr vor ihrer Front drohen. Vorwärts dringen sie, gerade
aus empor. Sie haben den Saum des von den feindlichen Kugeln zerrissenen
Waldes erreicht, sie stürzen in das offene Feld hinaus, und hier wankr zum
ersten Male Heaths Division unter dem Gewitter von Geschossen, das von der
Höhe ihnen entgegenfährt. In diesem kritischen Augenblick hält auch die nächst¬
folgende Division, wie man sagt, ungeschickt behandelt von ihrem Befehlshaber,
im Vorrücken inne und eine Niederlage scheint unvermeidlich. Aber rasch findet
sich der Mann, der dieser gefahrvollen Lage gewachsen war. General Robes
führt, seine Leute durch Zuruf und Geberde anfeuernd, die dritte oder Reserve¬
division herbei und stürmt mit ihr über Freund und Feind hinweg die Hohe
empor. Unter dem Einfluß ihres Beispiels ordnet sich Heaths Division von
Neuem, um mit jenen den Abhang zu ersteigen, und nicht eher ruhen sie, als
bis die wohlbekannte Schlachtfahne der Rebellen auf den dem Feinde entrissenen
Schanzen weht.

Und in ähnlichem unerschrocknen Ansturm wurde auch das stärkere Haupt-
bollwerk der Unionistcn genommen. Hier hatte man Baumstämme von der
Dicke eines Mannsschenkels gefällt, sie ihrer Aeste entkleidet und sie der Länge
nach zu einem vier Fuß hohen Verhau aufgethürmt, dessen Zwischenräume mit
Erde ausgefüllt waren. Besser nach den Regeln der Wissenschaft angelegte
Werke habe ich nirgends gesehen. Dennoch gingen sie verloren. Vier Bri¬
gaden von General Andersons Division erhielten Befehl, diese Schanzen zu
nehmen, welche stark genug schienen, um eine Belagerung auszuhalten, und von
einer Truppenmacht vertheidigt wurden, die weit zahlreicher war als die An¬
greifer. Mit einer unvergleichlichen Unerschrockenheit warfen sich Poseys Missis-
sippicr und Wrights Georgier auf die fast uneinnehmbaren Schanzen ihrer
Feinde. Mit bewundernswerthem Scharfblick hatte General Stuart sich auf
dem oben erwähnten Hügel Fairvicw festgesetzt, von dem er jetzt die Uankees
von der Flanke aus zwanzig gezogenen Kanonen beschoß, während Poseys und
Wrigbts Infanterie die Brüstung des Verhaus überstieg. Sie springen auf
und zwischen die gefällten Baumstämme und die verflochtenen Zweige, sie stür¬
zen sich wie Tiger mit weiten Sätzen in die Schanze und treiben die von pa¬
nischen Schrecken ergriffenen Yankees mit dem Bajonnet vor sich her. Nie
werde ich den wilden Schrei vergessen, welcher verkündete, daß der Feind ge¬
worfen war. Indem sie (allerdings wohl weit mehr durch Stuarts Kanonen
als durch die anstürmende Infanterie Vertrieben. D. Red.) Schanzen verließen,
welche entschlossene Männer gegen eine zehnfache Uebermacht vertheidigt haben
würden, und indem sie Tornister, Feldflaschen, Mäntel, Bücher, Karten, Zei¬
tungen, Gewehre hinter sich zurückließen, flüchteten sich die Unionisten angstvoll
zu ihrer Nachhut, und nicht eher hielten sie inne mit Laufen, als bis sie das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/505>, abgerufen am 27.09.2024.