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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Zeit an verschiedenen Punkten erfolgende Losbrechen des Feindes, die augen¬
scheinliche Klugheit, welche seine Operationen leitete, die Größe der Truppen¬
corps, welche sie unternahmen, und das Bewußtsein, daß General Lee, seines
"alten Schlachtpferdcs", des Generals Longstreet beraubt, an Zahl weit schwä¬
cher war, als jemals seit er Maryland verlassen, Alles dies vereinigte sich, im
Generalstab Bedenken und Befürchtungen aufsteigen zu machen, über welche
man sich nur beruhigte, wenn man die heitere Ruhe des "alten Tycovn" (wie
sie ihn nennen) beobachtete. Ohne Hast und Aufregung traf er seine Vor¬
kehrungen, die in der Hauptsache dahin gingen, daß General Earlcy mit hin¬
reichenden Streitkräften in Fredericksburg verbleiben sollte, um die Höhen von
Hamiltons Crossing bis Maryes Heights und so weiter flußabwärts zu be¬
wachen, während die Generale Lee und Jackson mit dem Rest des Heeres sich
auf der Chaussee und dem Knüppeldamm langsam nach Westen wendeten. Am
Nachmittag des 29. April hielt der Neitergeneral Stuart das Vorrücken der Unio-
nisten in der Nachbarschaft von Kellys Fort auf, indem er die Spitze einer von
ihren Heersäulen zwischen dem Napidan und dem Rappahannock abschnitt und Ge¬
fangne von drei verschiedenen Armeecorps machte.

Die drei Corps, welche bei Kellys Fort den Uebergang über den Fluß
bewerkstelligten, wurden, wie man glaubt, durch zwei andere verstärkt, die bei
United States Fort herübergekommen waren und nun mit jenen vereint auf
der Chaussee, dem Knüppeldamm und der Straße nach Spvttsylvania Court
House. der directen Route von Fredericksburg nach der virginischen Central¬
bahn, in schöner breiter Front vordrangen. Die volle Stärke jedes Armee-
corps belief sich dem Vernehmen nach auf 20,000 Mann, doch wird man die
effective Stärke derselben geringer anschlagen müssen; jedenfalls aber nimmt
man an, daß Hovkers Armee an diesem Punkte 80,000 Mann betrug. Mit
ihnen marschirte eine Schaar von Sappeuren und Pionieren, S000 Mann stark,
Handwerksleute, gewöhnt Zimmermannsarbeit zu verrichten, Bäume zu fällen
und Brücken zu bauen, Holzschläger von Maine und Zimmerleute, Leute, die
Uniform tragen, damit man sie austauscht, wenn sie in Gefangenschaft ge¬
rathen, deren Waffen aber die Haue, die Schaufel und die Axt sind, und deren
Beschäftigung der Bau von Schanzwerken ist, während die Soldaten ruhen.
Man vergleiche damit die südliche Armee, die aus lauter Männern besteht,
welche größtentheils vor Beginn des Krieges nie mit Spaten und Axt hanthiert
haben, welche mit Werkzeugen gering an Zahl, abgebraucht und sämmtlich erst
von den Feinden erbeutet arbeiten, und welche bei dieser Gelegenheit im Ver¬
hältniß von drei erschöpften, müden und hungrigen gegen sieben frische und
wohlgenährte Leute kämpften.

General Lee, begierig zu erfahren, ob Hooker geradeaus auf Fredericks¬
burg zu marschiren oder tiefer ins Land hinein vorzudringen beabsichtige, de-


Zeit an verschiedenen Punkten erfolgende Losbrechen des Feindes, die augen¬
scheinliche Klugheit, welche seine Operationen leitete, die Größe der Truppen¬
corps, welche sie unternahmen, und das Bewußtsein, daß General Lee, seines
„alten Schlachtpferdcs", des Generals Longstreet beraubt, an Zahl weit schwä¬
cher war, als jemals seit er Maryland verlassen, Alles dies vereinigte sich, im
Generalstab Bedenken und Befürchtungen aufsteigen zu machen, über welche
man sich nur beruhigte, wenn man die heitere Ruhe des „alten Tycovn" (wie
sie ihn nennen) beobachtete. Ohne Hast und Aufregung traf er seine Vor¬
kehrungen, die in der Hauptsache dahin gingen, daß General Earlcy mit hin¬
reichenden Streitkräften in Fredericksburg verbleiben sollte, um die Höhen von
Hamiltons Crossing bis Maryes Heights und so weiter flußabwärts zu be¬
wachen, während die Generale Lee und Jackson mit dem Rest des Heeres sich
auf der Chaussee und dem Knüppeldamm langsam nach Westen wendeten. Am
Nachmittag des 29. April hielt der Neitergeneral Stuart das Vorrücken der Unio-
nisten in der Nachbarschaft von Kellys Fort auf, indem er die Spitze einer von
ihren Heersäulen zwischen dem Napidan und dem Rappahannock abschnitt und Ge¬
fangne von drei verschiedenen Armeecorps machte.

Die drei Corps, welche bei Kellys Fort den Uebergang über den Fluß
bewerkstelligten, wurden, wie man glaubt, durch zwei andere verstärkt, die bei
United States Fort herübergekommen waren und nun mit jenen vereint auf
der Chaussee, dem Knüppeldamm und der Straße nach Spvttsylvania Court
House. der directen Route von Fredericksburg nach der virginischen Central¬
bahn, in schöner breiter Front vordrangen. Die volle Stärke jedes Armee-
corps belief sich dem Vernehmen nach auf 20,000 Mann, doch wird man die
effective Stärke derselben geringer anschlagen müssen; jedenfalls aber nimmt
man an, daß Hovkers Armee an diesem Punkte 80,000 Mann betrug. Mit
ihnen marschirte eine Schaar von Sappeuren und Pionieren, S000 Mann stark,
Handwerksleute, gewöhnt Zimmermannsarbeit zu verrichten, Bäume zu fällen
und Brücken zu bauen, Holzschläger von Maine und Zimmerleute, Leute, die
Uniform tragen, damit man sie austauscht, wenn sie in Gefangenschaft ge¬
rathen, deren Waffen aber die Haue, die Schaufel und die Axt sind, und deren
Beschäftigung der Bau von Schanzwerken ist, während die Soldaten ruhen.
Man vergleiche damit die südliche Armee, die aus lauter Männern besteht,
welche größtentheils vor Beginn des Krieges nie mit Spaten und Axt hanthiert
haben, welche mit Werkzeugen gering an Zahl, abgebraucht und sämmtlich erst
von den Feinden erbeutet arbeiten, und welche bei dieser Gelegenheit im Ver¬
hältniß von drei erschöpften, müden und hungrigen gegen sieben frische und
wohlgenährte Leute kämpften.

General Lee, begierig zu erfahren, ob Hooker geradeaus auf Fredericks¬
burg zu marschiren oder tiefer ins Land hinein vorzudringen beabsichtige, de-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/500>, abgerufen am 27.09.2024.