Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Freitag den 1. Mai Abends verließ ich mit einem Virginischer Geistlichen
Richmond zu Pferde, indem wir der Telcgraphenstraßc nach Frcdericksburg
folgten. Die Bekanntschaft meines Freundes mit der Gegend um Richmond
war nicht der Art, daß sie uns vor dem Verirren in den Sümpfen des aus¬
getretenen Chickahominy sicher gestellt hätte, durch die wir uns mühsam nach
den Morästen von Hannover hindurcharbeiteten, der trübseligster Wüste von
Sumpf und schwammigem Buschwerk, auf welcher je ein sterblich Auge ruhte.
Lassen wir jeden Gedanken an Widerstand bei Seite, so würde schon dieser
breite Gürtel von Morästen den großen Theil des Jahres ein schwer übcr-
schreitbares Hinderniß für eine Jnvasiousarmee sein, während im Hochsommer
wenigstens sein giftiger Hauch ihr schaden würde, falls sie sich hier lagerte.
Als wir bei Hellem Mondscheine weiter ritten, quakten die Baumfrösche und
Ochsenfrösche rings um uns in so dissonanten Chören, daß es selbst Aristo-
phanes schwer gefallen sein würde, sie nachzuahmen, und zu gleicher Zeit er¬
schallte in den Wäldern der Nuf des Whippurwill, dieses unermüdlichen und
nie ruhenden Nachtvogels, und ließ mich die Genauigkeit bewundern, mit der
seine drei Noten fortwährend wiederholt wurden. Zwischen ein und zwei Uhr
waren wir noch nicht weiter als bis nach Ahstand, etwa sechzehn Meilen von
Richmond gekommen, wo wir uns auf ein paar Stunden schlafen legten.
Sechsunddreißig Stunden später wurde Ahstand von der Kavallerie der Unio-
nisten überfallen, welche hier einigen Schaden an der Eisenbahn anrichtete.
Am Sonnabend trabten wir weiter von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
und wurden für unsre Anstrengung belohnt, indem wir von vier Uhr Nach¬
mittags bis nach Dunkelwerden heftiges Feuer aus schwerem Geschütz vernah¬
men, welches uns sagte, daß wir uns der Gegend näherten, wo die blutigste
Schlacht dieses Krieges geschlagen werden sollte. Indem wir bei Guineys
Station schliefen, waren wir am Morgen des Sonntag gegen neun Uhr ganz
nahe bei Chanccllorsville.

Am 29. April war unter der Hülle eines dicken Nebels eine starke Masse
von Unionisten auf Pontons unterhalb Frederictsburg unbehindert über den Nappa-
hannvck gesetzt und hatte sich, immer hart an die Uferbank sich haltend, rechts
und links ausgebreitet. Mehre Feldwachen der Conföderirten wurden von ih¬
nen überrascht und umringt, bevor sie nur wußten, daß ein Soldat der Union
den Fluß überschritten. Zu gleicher Zeit war ein weit stärkeres Corps von
Unionisten bei Kcllys Fort und andern benachbarten Furten über den Nord-
arm des Rappahannock gegangen und General Stonemcm schlug mit einem ge¬
waltigen Reitergeschwader und mehren Geschützen den Weg nach Culpeppcr
Court House ,ein und breitete sich ungestraft über Virginien aus, indem er
seine Leute in kleinere Corps theilte, welche verschiedene Nazzias ausführten
und volle sieben Tage unbehelligt blieben. Dieses plötzliche und zu gleicher


„Freitag den 1. Mai Abends verließ ich mit einem Virginischer Geistlichen
Richmond zu Pferde, indem wir der Telcgraphenstraßc nach Frcdericksburg
folgten. Die Bekanntschaft meines Freundes mit der Gegend um Richmond
war nicht der Art, daß sie uns vor dem Verirren in den Sümpfen des aus¬
getretenen Chickahominy sicher gestellt hätte, durch die wir uns mühsam nach
den Morästen von Hannover hindurcharbeiteten, der trübseligster Wüste von
Sumpf und schwammigem Buschwerk, auf welcher je ein sterblich Auge ruhte.
Lassen wir jeden Gedanken an Widerstand bei Seite, so würde schon dieser
breite Gürtel von Morästen den großen Theil des Jahres ein schwer übcr-
schreitbares Hinderniß für eine Jnvasiousarmee sein, während im Hochsommer
wenigstens sein giftiger Hauch ihr schaden würde, falls sie sich hier lagerte.
Als wir bei Hellem Mondscheine weiter ritten, quakten die Baumfrösche und
Ochsenfrösche rings um uns in so dissonanten Chören, daß es selbst Aristo-
phanes schwer gefallen sein würde, sie nachzuahmen, und zu gleicher Zeit er¬
schallte in den Wäldern der Nuf des Whippurwill, dieses unermüdlichen und
nie ruhenden Nachtvogels, und ließ mich die Genauigkeit bewundern, mit der
seine drei Noten fortwährend wiederholt wurden. Zwischen ein und zwei Uhr
waren wir noch nicht weiter als bis nach Ahstand, etwa sechzehn Meilen von
Richmond gekommen, wo wir uns auf ein paar Stunden schlafen legten.
Sechsunddreißig Stunden später wurde Ahstand von der Kavallerie der Unio-
nisten überfallen, welche hier einigen Schaden an der Eisenbahn anrichtete.
Am Sonnabend trabten wir weiter von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
und wurden für unsre Anstrengung belohnt, indem wir von vier Uhr Nach¬
mittags bis nach Dunkelwerden heftiges Feuer aus schwerem Geschütz vernah¬
men, welches uns sagte, daß wir uns der Gegend näherten, wo die blutigste
Schlacht dieses Krieges geschlagen werden sollte. Indem wir bei Guineys
Station schliefen, waren wir am Morgen des Sonntag gegen neun Uhr ganz
nahe bei Chanccllorsville.

Am 29. April war unter der Hülle eines dicken Nebels eine starke Masse
von Unionisten auf Pontons unterhalb Frederictsburg unbehindert über den Nappa-
hannvck gesetzt und hatte sich, immer hart an die Uferbank sich haltend, rechts
und links ausgebreitet. Mehre Feldwachen der Conföderirten wurden von ih¬
nen überrascht und umringt, bevor sie nur wußten, daß ein Soldat der Union
den Fluß überschritten. Zu gleicher Zeit war ein weit stärkeres Corps von
Unionisten bei Kcllys Fort und andern benachbarten Furten über den Nord-
arm des Rappahannock gegangen und General Stonemcm schlug mit einem ge¬
waltigen Reitergeschwader und mehren Geschützen den Weg nach Culpeppcr
Court House ,ein und breitete sich ungestraft über Virginien aus, indem er
seine Leute in kleinere Corps theilte, welche verschiedene Nazzias ausführten
und volle sieben Tage unbehelligt blieben. Dieses plötzliche und zu gleicher


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188526"/>
          <p xml:id="ID_1696"> &#x201E;Freitag den 1. Mai Abends verließ ich mit einem Virginischer Geistlichen<lb/>
Richmond zu Pferde, indem wir der Telcgraphenstraßc nach Frcdericksburg<lb/>
folgten. Die Bekanntschaft meines Freundes mit der Gegend um Richmond<lb/>
war nicht der Art, daß sie uns vor dem Verirren in den Sümpfen des aus¬<lb/>
getretenen Chickahominy sicher gestellt hätte, durch die wir uns mühsam nach<lb/>
den Morästen von Hannover hindurcharbeiteten, der trübseligster Wüste von<lb/>
Sumpf und schwammigem Buschwerk, auf welcher je ein sterblich Auge ruhte.<lb/>
Lassen wir jeden Gedanken an Widerstand bei Seite, so würde schon dieser<lb/>
breite Gürtel von Morästen den großen Theil des Jahres ein schwer übcr-<lb/>
schreitbares Hinderniß für eine Jnvasiousarmee sein, während im Hochsommer<lb/>
wenigstens sein giftiger Hauch ihr schaden würde, falls sie sich hier lagerte.<lb/>
Als wir bei Hellem Mondscheine weiter ritten, quakten die Baumfrösche und<lb/>
Ochsenfrösche rings um uns in so dissonanten Chören, daß es selbst Aristo-<lb/>
phanes schwer gefallen sein würde, sie nachzuahmen, und zu gleicher Zeit er¬<lb/>
schallte in den Wäldern der Nuf des Whippurwill, dieses unermüdlichen und<lb/>
nie ruhenden Nachtvogels, und ließ mich die Genauigkeit bewundern, mit der<lb/>
seine drei Noten fortwährend wiederholt wurden. Zwischen ein und zwei Uhr<lb/>
waren wir noch nicht weiter als bis nach Ahstand, etwa sechzehn Meilen von<lb/>
Richmond gekommen, wo wir uns auf ein paar Stunden schlafen legten.<lb/>
Sechsunddreißig Stunden später wurde Ahstand von der Kavallerie der Unio-<lb/>
nisten überfallen, welche hier einigen Schaden an der Eisenbahn anrichtete.<lb/>
Am Sonnabend trabten wir weiter von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang<lb/>
und wurden für unsre Anstrengung belohnt, indem wir von vier Uhr Nach¬<lb/>
mittags bis nach Dunkelwerden heftiges Feuer aus schwerem Geschütz vernah¬<lb/>
men, welches uns sagte, daß wir uns der Gegend näherten, wo die blutigste<lb/>
Schlacht dieses Krieges geschlagen werden sollte. Indem wir bei Guineys<lb/>
Station schliefen, waren wir am Morgen des Sonntag gegen neun Uhr ganz<lb/>
nahe bei Chanccllorsville.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1697" next="#ID_1698"> Am 29. April war unter der Hülle eines dicken Nebels eine starke Masse<lb/>
von Unionisten auf Pontons unterhalb Frederictsburg unbehindert über den Nappa-<lb/>
hannvck gesetzt und hatte sich, immer hart an die Uferbank sich haltend, rechts<lb/>
und links ausgebreitet. Mehre Feldwachen der Conföderirten wurden von ih¬<lb/>
nen überrascht und umringt, bevor sie nur wußten, daß ein Soldat der Union<lb/>
den Fluß überschritten. Zu gleicher Zeit war ein weit stärkeres Corps von<lb/>
Unionisten bei Kcllys Fort und andern benachbarten Furten über den Nord-<lb/>
arm des Rappahannock gegangen und General Stonemcm schlug mit einem ge¬<lb/>
waltigen Reitergeschwader und mehren Geschützen den Weg nach Culpeppcr<lb/>
Court House ,ein und breitete sich ungestraft über Virginien aus, indem er<lb/>
seine Leute in kleinere Corps theilte, welche verschiedene Nazzias ausführten<lb/>
und volle sieben Tage unbehelligt blieben.  Dieses plötzliche und zu gleicher</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0499] „Freitag den 1. Mai Abends verließ ich mit einem Virginischer Geistlichen Richmond zu Pferde, indem wir der Telcgraphenstraßc nach Frcdericksburg folgten. Die Bekanntschaft meines Freundes mit der Gegend um Richmond war nicht der Art, daß sie uns vor dem Verirren in den Sümpfen des aus¬ getretenen Chickahominy sicher gestellt hätte, durch die wir uns mühsam nach den Morästen von Hannover hindurcharbeiteten, der trübseligster Wüste von Sumpf und schwammigem Buschwerk, auf welcher je ein sterblich Auge ruhte. Lassen wir jeden Gedanken an Widerstand bei Seite, so würde schon dieser breite Gürtel von Morästen den großen Theil des Jahres ein schwer übcr- schreitbares Hinderniß für eine Jnvasiousarmee sein, während im Hochsommer wenigstens sein giftiger Hauch ihr schaden würde, falls sie sich hier lagerte. Als wir bei Hellem Mondscheine weiter ritten, quakten die Baumfrösche und Ochsenfrösche rings um uns in so dissonanten Chören, daß es selbst Aristo- phanes schwer gefallen sein würde, sie nachzuahmen, und zu gleicher Zeit er¬ schallte in den Wäldern der Nuf des Whippurwill, dieses unermüdlichen und nie ruhenden Nachtvogels, und ließ mich die Genauigkeit bewundern, mit der seine drei Noten fortwährend wiederholt wurden. Zwischen ein und zwei Uhr waren wir noch nicht weiter als bis nach Ahstand, etwa sechzehn Meilen von Richmond gekommen, wo wir uns auf ein paar Stunden schlafen legten. Sechsunddreißig Stunden später wurde Ahstand von der Kavallerie der Unio- nisten überfallen, welche hier einigen Schaden an der Eisenbahn anrichtete. Am Sonnabend trabten wir weiter von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und wurden für unsre Anstrengung belohnt, indem wir von vier Uhr Nach¬ mittags bis nach Dunkelwerden heftiges Feuer aus schwerem Geschütz vernah¬ men, welches uns sagte, daß wir uns der Gegend näherten, wo die blutigste Schlacht dieses Krieges geschlagen werden sollte. Indem wir bei Guineys Station schliefen, waren wir am Morgen des Sonntag gegen neun Uhr ganz nahe bei Chanccllorsville. Am 29. April war unter der Hülle eines dicken Nebels eine starke Masse von Unionisten auf Pontons unterhalb Frederictsburg unbehindert über den Nappa- hannvck gesetzt und hatte sich, immer hart an die Uferbank sich haltend, rechts und links ausgebreitet. Mehre Feldwachen der Conföderirten wurden von ih¬ nen überrascht und umringt, bevor sie nur wußten, daß ein Soldat der Union den Fluß überschritten. Zu gleicher Zeit war ein weit stärkeres Corps von Unionisten bei Kcllys Fort und andern benachbarten Furten über den Nord- arm des Rappahannock gegangen und General Stonemcm schlug mit einem ge¬ waltigen Reitergeschwader und mehren Geschützen den Weg nach Culpeppcr Court House ,ein und breitete sich ungestraft über Virginien aus, indem er seine Leute in kleinere Corps theilte, welche verschiedene Nazzias ausführten und volle sieben Tage unbehelligt blieben. Dieses plötzliche und zu gleicher

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/499
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/499>, abgerufen am 27.09.2024.