Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den im Einlösungsscheine) umzutauschen. In diesen Einlösungsscheinen, die
einen festen Cours (wiener Währung) haben sollten, waren fortan die Steuern
zu bezahlen, die dadurch um das Fünffache erhöht wurden, ebenso aber auch
von Seiten des Staates die Gehalte der Beamten. Die Maßregel, ein offe¬
ner Staatsbantervtt, war so gewaltsam, wie möglich; indessen man war dem
zwingenden Gesetze der Noth gefolgt, und wie die Sachen einmal lagen, war
ohne einen gewaltsamen Schritt ein völliger Ruin des Staats gar nicht abzu¬
wenden. Die größte Erbitterung richtete sich auch nicht gegen die Herabsetzung
der Zettel, sondern gegen die von der Negierung unternommene Regulirung
der seit dem Jahre 1799 eingegangenen Privatschulden. Es wurde eine scena
des Courses der Bantozettcl für jeden einzelnen Monat von 1799 bis 1810
aufgestellt, und nach den Sätzen .dieser Scala alle Privatschulden regulirt.
War eine Schuld von 1000 Gulden eingegangen zu einer Zeit, wo der
Cours der Banknoten auf 110 stand, zahlten sie mit 909^1 Fi. zurück, wäh¬
rend eine Schuld von demselben Betrage aus dem Jahre 1810 auf 200 Fi.
reducirt wurde. Das Bedenklichste hierbei war, daß die Schuldenreduction
alle in Folge der Börsenspeculation sehr bedeutenden Schwankungen in dem
Course der Zettel von 1799 bis 1810 mitmachte. Es ist leicht begreiflich, daß
das Patent eine völlige Bermögensrevolutivn hervorrief und den Staats¬
angehörigen die ungeheuersten Opfer auferlegte. Und leider waren diese Opfer
umsonst gebracht. Da eine Silberdeckung für die Einlösungsscheine nicht vor¬
handen war, so verfielen sie alsbald demselben Mißtrauen und folglich auch
denselben Coursschwankungen, wie die alten Bcmkzettcl, Die abschreckenden
Exempel, die Graf Wallis an einzelnen Kaufleuten statuirte, welche die Preise
ihrer Waaren gesteigert hatten, hielten die Scheine ebensowenig auf pari, wie
die Edicte des Conventes das Sinken der Assignaten hatten verhindern
können.

Wir haben die merkwürdige Episode aus der Finanzgeschichte Oestreichs,
die von Springer mit ausgezeichneter Klarheit dargelegt ist, etwas ausführlicher
behandelt, weil sie in der That für die Zustände charakteristisch ist. Wie das
Patent zu einem heftigen Conflicte mit Ungarn führte, wollen wir in einem
andern Zusammenhange darstellen. Auf den weiteren Verlauf der finanziellen
Leidensgeschichte Oestreichs in der Periode bis 1848 einzugehen. müssen wir
uns versagen; wir verweisen den Leser auf die betreffenden Abschnitte des Bu¬
ches selbst, deren Studium einem jeden dringend zu empfehlen ist, der sich
über das chronische, allen Heilmitteln Trotz bietende, alle äußeren und inneren
Krisen des Staates überlebende Leiden Oestreichs genauer unterrichten will.

Diese tiefe Zerrüttung in der wichtigsten und unentbehrlichsten Function
des Staatskörpers erscheint in einem um so grelleren Lichte, wenn man bedenkt,
daß alle thätigen Lebensäußerungen des Staates nach Außen gerichtet waren,


den im Einlösungsscheine) umzutauschen. In diesen Einlösungsscheinen, die
einen festen Cours (wiener Währung) haben sollten, waren fortan die Steuern
zu bezahlen, die dadurch um das Fünffache erhöht wurden, ebenso aber auch
von Seiten des Staates die Gehalte der Beamten. Die Maßregel, ein offe¬
ner Staatsbantervtt, war so gewaltsam, wie möglich; indessen man war dem
zwingenden Gesetze der Noth gefolgt, und wie die Sachen einmal lagen, war
ohne einen gewaltsamen Schritt ein völliger Ruin des Staats gar nicht abzu¬
wenden. Die größte Erbitterung richtete sich auch nicht gegen die Herabsetzung
der Zettel, sondern gegen die von der Negierung unternommene Regulirung
der seit dem Jahre 1799 eingegangenen Privatschulden. Es wurde eine scena
des Courses der Bantozettcl für jeden einzelnen Monat von 1799 bis 1810
aufgestellt, und nach den Sätzen .dieser Scala alle Privatschulden regulirt.
War eine Schuld von 1000 Gulden eingegangen zu einer Zeit, wo der
Cours der Banknoten auf 110 stand, zahlten sie mit 909^1 Fi. zurück, wäh¬
rend eine Schuld von demselben Betrage aus dem Jahre 1810 auf 200 Fi.
reducirt wurde. Das Bedenklichste hierbei war, daß die Schuldenreduction
alle in Folge der Börsenspeculation sehr bedeutenden Schwankungen in dem
Course der Zettel von 1799 bis 1810 mitmachte. Es ist leicht begreiflich, daß
das Patent eine völlige Bermögensrevolutivn hervorrief und den Staats¬
angehörigen die ungeheuersten Opfer auferlegte. Und leider waren diese Opfer
umsonst gebracht. Da eine Silberdeckung für die Einlösungsscheine nicht vor¬
handen war, so verfielen sie alsbald demselben Mißtrauen und folglich auch
denselben Coursschwankungen, wie die alten Bcmkzettcl, Die abschreckenden
Exempel, die Graf Wallis an einzelnen Kaufleuten statuirte, welche die Preise
ihrer Waaren gesteigert hatten, hielten die Scheine ebensowenig auf pari, wie
die Edicte des Conventes das Sinken der Assignaten hatten verhindern
können.

Wir haben die merkwürdige Episode aus der Finanzgeschichte Oestreichs,
die von Springer mit ausgezeichneter Klarheit dargelegt ist, etwas ausführlicher
behandelt, weil sie in der That für die Zustände charakteristisch ist. Wie das
Patent zu einem heftigen Conflicte mit Ungarn führte, wollen wir in einem
andern Zusammenhange darstellen. Auf den weiteren Verlauf der finanziellen
Leidensgeschichte Oestreichs in der Periode bis 1848 einzugehen. müssen wir
uns versagen; wir verweisen den Leser auf die betreffenden Abschnitte des Bu¬
ches selbst, deren Studium einem jeden dringend zu empfehlen ist, der sich
über das chronische, allen Heilmitteln Trotz bietende, alle äußeren und inneren
Krisen des Staates überlebende Leiden Oestreichs genauer unterrichten will.

Diese tiefe Zerrüttung in der wichtigsten und unentbehrlichsten Function
des Staatskörpers erscheint in einem um so grelleren Lichte, wenn man bedenkt,
daß alle thätigen Lebensäußerungen des Staates nach Außen gerichtet waren,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188521"/>
          <p xml:id="ID_1682" prev="#ID_1681"> den im Einlösungsscheine) umzutauschen. In diesen Einlösungsscheinen, die<lb/>
einen festen Cours (wiener Währung) haben sollten, waren fortan die Steuern<lb/>
zu bezahlen, die dadurch um das Fünffache erhöht wurden, ebenso aber auch<lb/>
von Seiten des Staates die Gehalte der Beamten. Die Maßregel, ein offe¬<lb/>
ner Staatsbantervtt, war so gewaltsam, wie möglich; indessen man war dem<lb/>
zwingenden Gesetze der Noth gefolgt, und wie die Sachen einmal lagen, war<lb/>
ohne einen gewaltsamen Schritt ein völliger Ruin des Staats gar nicht abzu¬<lb/>
wenden. Die größte Erbitterung richtete sich auch nicht gegen die Herabsetzung<lb/>
der Zettel, sondern gegen die von der Negierung unternommene Regulirung<lb/>
der seit dem Jahre 1799 eingegangenen Privatschulden. Es wurde eine scena<lb/>
des Courses der Bantozettcl für jeden einzelnen Monat von 1799 bis 1810<lb/>
aufgestellt, und nach den Sätzen .dieser Scala alle Privatschulden regulirt.<lb/>
War eine Schuld von 1000 Gulden eingegangen zu einer Zeit, wo der<lb/>
Cours der Banknoten auf 110 stand, zahlten sie mit 909^1 Fi. zurück, wäh¬<lb/>
rend eine Schuld von demselben Betrage aus dem Jahre 1810 auf 200 Fi.<lb/>
reducirt wurde. Das Bedenklichste hierbei war, daß die Schuldenreduction<lb/>
alle in Folge der Börsenspeculation sehr bedeutenden Schwankungen in dem<lb/>
Course der Zettel von 1799 bis 1810 mitmachte. Es ist leicht begreiflich, daß<lb/>
das Patent eine völlige Bermögensrevolutivn hervorrief und den Staats¬<lb/>
angehörigen die ungeheuersten Opfer auferlegte. Und leider waren diese Opfer<lb/>
umsonst gebracht. Da eine Silberdeckung für die Einlösungsscheine nicht vor¬<lb/>
handen war, so verfielen sie alsbald demselben Mißtrauen und folglich auch<lb/>
denselben Coursschwankungen, wie die alten Bcmkzettcl, Die abschreckenden<lb/>
Exempel, die Graf Wallis an einzelnen Kaufleuten statuirte, welche die Preise<lb/>
ihrer Waaren gesteigert hatten, hielten die Scheine ebensowenig auf pari, wie<lb/>
die Edicte des Conventes das Sinken der Assignaten hatten verhindern<lb/>
können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1683"> Wir haben die merkwürdige Episode aus der Finanzgeschichte Oestreichs,<lb/>
die von Springer mit ausgezeichneter Klarheit dargelegt ist, etwas ausführlicher<lb/>
behandelt, weil sie in der That für die Zustände charakteristisch ist. Wie das<lb/>
Patent zu einem heftigen Conflicte mit Ungarn führte, wollen wir in einem<lb/>
andern Zusammenhange darstellen. Auf den weiteren Verlauf der finanziellen<lb/>
Leidensgeschichte Oestreichs in der Periode bis 1848 einzugehen. müssen wir<lb/>
uns versagen; wir verweisen den Leser auf die betreffenden Abschnitte des Bu¬<lb/>
ches selbst, deren Studium einem jeden dringend zu empfehlen ist, der sich<lb/>
über das chronische, allen Heilmitteln Trotz bietende, alle äußeren und inneren<lb/>
Krisen des Staates überlebende Leiden Oestreichs genauer unterrichten will.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1684" next="#ID_1685"> Diese tiefe Zerrüttung in der wichtigsten und unentbehrlichsten Function<lb/>
des Staatskörpers erscheint in einem um so grelleren Lichte, wenn man bedenkt,<lb/>
daß alle thätigen Lebensäußerungen des Staates nach Außen gerichtet waren,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] den im Einlösungsscheine) umzutauschen. In diesen Einlösungsscheinen, die einen festen Cours (wiener Währung) haben sollten, waren fortan die Steuern zu bezahlen, die dadurch um das Fünffache erhöht wurden, ebenso aber auch von Seiten des Staates die Gehalte der Beamten. Die Maßregel, ein offe¬ ner Staatsbantervtt, war so gewaltsam, wie möglich; indessen man war dem zwingenden Gesetze der Noth gefolgt, und wie die Sachen einmal lagen, war ohne einen gewaltsamen Schritt ein völliger Ruin des Staats gar nicht abzu¬ wenden. Die größte Erbitterung richtete sich auch nicht gegen die Herabsetzung der Zettel, sondern gegen die von der Negierung unternommene Regulirung der seit dem Jahre 1799 eingegangenen Privatschulden. Es wurde eine scena des Courses der Bantozettcl für jeden einzelnen Monat von 1799 bis 1810 aufgestellt, und nach den Sätzen .dieser Scala alle Privatschulden regulirt. War eine Schuld von 1000 Gulden eingegangen zu einer Zeit, wo der Cours der Banknoten auf 110 stand, zahlten sie mit 909^1 Fi. zurück, wäh¬ rend eine Schuld von demselben Betrage aus dem Jahre 1810 auf 200 Fi. reducirt wurde. Das Bedenklichste hierbei war, daß die Schuldenreduction alle in Folge der Börsenspeculation sehr bedeutenden Schwankungen in dem Course der Zettel von 1799 bis 1810 mitmachte. Es ist leicht begreiflich, daß das Patent eine völlige Bermögensrevolutivn hervorrief und den Staats¬ angehörigen die ungeheuersten Opfer auferlegte. Und leider waren diese Opfer umsonst gebracht. Da eine Silberdeckung für die Einlösungsscheine nicht vor¬ handen war, so verfielen sie alsbald demselben Mißtrauen und folglich auch denselben Coursschwankungen, wie die alten Bcmkzettcl, Die abschreckenden Exempel, die Graf Wallis an einzelnen Kaufleuten statuirte, welche die Preise ihrer Waaren gesteigert hatten, hielten die Scheine ebensowenig auf pari, wie die Edicte des Conventes das Sinken der Assignaten hatten verhindern können. Wir haben die merkwürdige Episode aus der Finanzgeschichte Oestreichs, die von Springer mit ausgezeichneter Klarheit dargelegt ist, etwas ausführlicher behandelt, weil sie in der That für die Zustände charakteristisch ist. Wie das Patent zu einem heftigen Conflicte mit Ungarn führte, wollen wir in einem andern Zusammenhange darstellen. Auf den weiteren Verlauf der finanziellen Leidensgeschichte Oestreichs in der Periode bis 1848 einzugehen. müssen wir uns versagen; wir verweisen den Leser auf die betreffenden Abschnitte des Bu¬ ches selbst, deren Studium einem jeden dringend zu empfehlen ist, der sich über das chronische, allen Heilmitteln Trotz bietende, alle äußeren und inneren Krisen des Staates überlebende Leiden Oestreichs genauer unterrichten will. Diese tiefe Zerrüttung in der wichtigsten und unentbehrlichsten Function des Staatskörpers erscheint in einem um so grelleren Lichte, wenn man bedenkt, daß alle thätigen Lebensäußerungen des Staates nach Außen gerichtet waren,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/494>, abgerufen am 27.09.2024.