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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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ren. Seit dem Aufschwünge von 1809 verzichtete man auf jede tiefere Theil¬
nahme der Unterthanen an den äußeren Beziehungen des Reiches, ja man
fürchtete sogar die patriotische Begeisterung für den Ruhm des Vaterlandes,
weil man glaubte, daß jede selbständige Regung im Staatskörper seine unbe¬
dingte Dispositionsfähigkeit für die Zwecke der Regierung vermindern werde.
Zum Unglück war aber die Einrichtung der Verwaltungsmaschine selbst eine so
unbehilfliche, schwerfällige, daß sie selbst den Anforderungen, die von Seiten
einer mechanischen Staatsanschauung an sie gestellt wurden, nicht gerecht wer¬
den konnte. Springer charakterisirt sie gut mit folgenden Worten: "Würde
Jemandem die Aufgabe gestellt, eine Maschine zu erfinden, die sich zwar mit
gewaltigem Lärm dreht, aber doch niemals fortbewegen kann, er fände dieselbe
in der Einrichtung der östreichischen Staatsverwaltung, wie sie unter Kaiser
Franz und zumeist durch seine Schuld sich ausgebildet hatte, auf das sinn¬
reichste gelöst." Wir müssen uns hier begnügen einzelne Züge aus dem wun¬
derlichen Bilde hervorzuheben. Bei den Hofstellen war die collegialische Be¬
handlung Regel; daneben war aber auch die sogenannte Präsidialbehandlung
gestattet, d. h. der Präsident konnte nach eigenem Belieben jeden Gegenstand
eigenmächtig ohne Zuziehung der Räthe entscheiden. Die bei diesem Verhält¬
nisse unausbleibliche Verwirrung wurde noch dadurch vermehrt, daß die Compe-
tenz der einzelnen Behörden sehr schlecht abgegrenzt war. Ueber viele der
wichtigsten Angelegenheiten beschlossen die Hvfstellen selbständig, während die
unbedeutendsten Dinge der Entscheidung des Kaisers vorbehalten waren. So
führt der Verfasser der Genesis (Graf Hartig) u. a. an, daß während nur der
Kaiser den einzelnen Mann vom Soldatendienst befreien konnte, die Feststellung
der Größe der Armee in der unbestrittenen Befugnis; des Hofkricgsrathes lag.
Neben diesen Behörden stand der Staatsrath, von dessen Wesen schon die Zeit¬
genossen nicht im Stande waren sich ein Bild zu entwerfen, da seine Befug¬
nisse sich aus alle möglichen Zweige der Staatsverwaltung erstreckten, ohne daß
jedoch bekannt war, was von diesen Dingen eigentlich zu seiner Wirksamkeit
gehörte. In der östreichischen Nationalcncyklovädie findet sich -folgende merk¬
würdige Charakteristik dieses Institutes: "Der Staatsrath stand nicht über den
Ministern, war ihnen aber auch nicht geradezu untergeordnet, war überhaupt
kein permanentes deliberations Kollegium, sondern nur mit der pa ship en Le i-
tung der Administration betraut." Neben diesen Behörden bestand nun noch
das Conferenzministerium. in dem aber nur der Minister des Auswärtigen ein
selbständiges Departement verwaltete. Die übrigen Minister hatten gar keinen
bestimmt umgrenzten Wirkungskreis, so daß sie nicht regelmäßig fördernd, son¬
dern nur, indem sie eigenmächtig oder auf besondere Anweisung des Kaisers in
die Thätigkeit der Fachbehörden eingriffen, hemmend und störend auf die Ver¬
waltung des Staates Einfluß ausüben konnten.


ren. Seit dem Aufschwünge von 1809 verzichtete man auf jede tiefere Theil¬
nahme der Unterthanen an den äußeren Beziehungen des Reiches, ja man
fürchtete sogar die patriotische Begeisterung für den Ruhm des Vaterlandes,
weil man glaubte, daß jede selbständige Regung im Staatskörper seine unbe¬
dingte Dispositionsfähigkeit für die Zwecke der Regierung vermindern werde.
Zum Unglück war aber die Einrichtung der Verwaltungsmaschine selbst eine so
unbehilfliche, schwerfällige, daß sie selbst den Anforderungen, die von Seiten
einer mechanischen Staatsanschauung an sie gestellt wurden, nicht gerecht wer¬
den konnte. Springer charakterisirt sie gut mit folgenden Worten: „Würde
Jemandem die Aufgabe gestellt, eine Maschine zu erfinden, die sich zwar mit
gewaltigem Lärm dreht, aber doch niemals fortbewegen kann, er fände dieselbe
in der Einrichtung der östreichischen Staatsverwaltung, wie sie unter Kaiser
Franz und zumeist durch seine Schuld sich ausgebildet hatte, auf das sinn¬
reichste gelöst." Wir müssen uns hier begnügen einzelne Züge aus dem wun¬
derlichen Bilde hervorzuheben. Bei den Hofstellen war die collegialische Be¬
handlung Regel; daneben war aber auch die sogenannte Präsidialbehandlung
gestattet, d. h. der Präsident konnte nach eigenem Belieben jeden Gegenstand
eigenmächtig ohne Zuziehung der Räthe entscheiden. Die bei diesem Verhält¬
nisse unausbleibliche Verwirrung wurde noch dadurch vermehrt, daß die Compe-
tenz der einzelnen Behörden sehr schlecht abgegrenzt war. Ueber viele der
wichtigsten Angelegenheiten beschlossen die Hvfstellen selbständig, während die
unbedeutendsten Dinge der Entscheidung des Kaisers vorbehalten waren. So
führt der Verfasser der Genesis (Graf Hartig) u. a. an, daß während nur der
Kaiser den einzelnen Mann vom Soldatendienst befreien konnte, die Feststellung
der Größe der Armee in der unbestrittenen Befugnis; des Hofkricgsrathes lag.
Neben diesen Behörden stand der Staatsrath, von dessen Wesen schon die Zeit¬
genossen nicht im Stande waren sich ein Bild zu entwerfen, da seine Befug¬
nisse sich aus alle möglichen Zweige der Staatsverwaltung erstreckten, ohne daß
jedoch bekannt war, was von diesen Dingen eigentlich zu seiner Wirksamkeit
gehörte. In der östreichischen Nationalcncyklovädie findet sich -folgende merk¬
würdige Charakteristik dieses Institutes: „Der Staatsrath stand nicht über den
Ministern, war ihnen aber auch nicht geradezu untergeordnet, war überhaupt
kein permanentes deliberations Kollegium, sondern nur mit der pa ship en Le i-
tung der Administration betraut." Neben diesen Behörden bestand nun noch
das Conferenzministerium. in dem aber nur der Minister des Auswärtigen ein
selbständiges Departement verwaltete. Die übrigen Minister hatten gar keinen
bestimmt umgrenzten Wirkungskreis, so daß sie nicht regelmäßig fördernd, son¬
dern nur, indem sie eigenmächtig oder auf besondere Anweisung des Kaisers in
die Thätigkeit der Fachbehörden eingriffen, hemmend und störend auf die Ver¬
waltung des Staates Einfluß ausüben konnten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/491>, abgerufen am 27.09.2024.