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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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dem bischöflichen Sprengel von Przemisl wurde der 10. März zum Andenken
an die Stiftung der Kirche, welche durch sie in Rothrußland geschehen sein soll,
feierlich begangen, und auch im Erzbisthum Gnesen hat sich dies Ehrengedächt¬
niß Eingang verschafft. Tiefe Wurzeln hat es freilich nicht geschlagen. Nicht
innerlich; denn von Methodius Geiste ist in dem Sprengel des Herrn v. Przy-
luski nichts zu spüren. Da ist keine Achtung vor der Nationalität, weder vor
der der 100,000 deutschen Katholiken, welchen von ihren Kirchenobersten zuge-
muthet wird, ihrem Vaterlande, ihrer Sprache zu Gunsten der polnischen zu
entsagen, noch vor derjenigen der Polen; denn die lateinischen Gottesdienste
haben den Sprachenstreit überlebt. Nicht äußerlich, denn als der Heilige des
Landes wird Se. Adelbert v. Prag, solely Woyciech geehrt und ihm unser
"Jürgetag" 23. April geweiht. Und gewiß mit mehr Recht, als Cyrill und
Methodius. Ihre Erwähnung im Gebet besagt aber nur, daß die später zu
Polen gekommenen Länder Rothrußland und Kleinpolen (Chrobatien) mit Cra-
cau (Przemisl), zur Zeit, da jene Männer das Christenthum in ganz andere
Gegenden des großen mährischen Reiches pflanzten, zu diesem gehörten. Von
einer Missionswirksamkeit der Beiden im eigentlichen Polen -- und nun gar
im Bisthum Gnesen -- wissen die Quellen nichts; ja sie würden uns den Be¬
weis, daß eine solche bestimmt nicht stattgefunden hat, ziemlich leicht machen.
Im Jahre 863, vorher gewiß nicht, beschritten Konstantin, der 868 zu Rom
den Namen Cyrill angenommen hat, und Methodius die äußerste Grenze jener
slawischen Gebiete, deren Wohlthäter sie geworden sind. Der Hof Nastislaws,
an dem sie sich zuerst niederließen, ist an einem in südöstlicher Richtung von
dem heutigen Mähren weit entlegnen Punkte zu suchen. Fünf Jahre später
folgten sie einem Rufe nach Rom. Cyrill ist dort Mönch geworden und am
14. Februar 869 gestorben. Methodius kehrte zurück und arbeitete noch siebzehn
Jahre unter viel Mühsal und Leiden für seine großen Pläne. Auch hat er
seine Wohnung weiter nach Westen und nach Norden genommen; aber nicht
einmal bis zu dem jetzigen Mähren ist er vorgedrungen, und die Documente,
welche ihm kirchliche Acte in Brünn und Olmütz zuschreiben, sind anerkannt
unecht. Von Brünn aber bis zur Erzdiöcese Gnesen sollen noch einige Meilen
Weges sein.

Unter solchen Umständen kann nur ein ?rusg.in und ?o1leto^6rec (Preuße
und Polenfresser) läugnen, daß wir mit zwingender Gewalt auf das Jahr
1863 als auf das tausendjährige Jubiläum der Einführung des Christenthums
in Polen und der Thronbesteigung Piasts gewiesen sind. Wenigstens hat Herr
Erzbischof Leo v. Przylusti von dem Papste die Genehmigung zu einer sol¬
chen Feier erlangt, und ich mache diesen beiden großen Kirchenhisto¬
rikern mein Kompliment. Leider ist der Bischof von Pelplin, der
durch seine Diöcese Thorn der gnesener Erzdiöcese angehört, Herr v. der Mar-


dem bischöflichen Sprengel von Przemisl wurde der 10. März zum Andenken
an die Stiftung der Kirche, welche durch sie in Rothrußland geschehen sein soll,
feierlich begangen, und auch im Erzbisthum Gnesen hat sich dies Ehrengedächt¬
niß Eingang verschafft. Tiefe Wurzeln hat es freilich nicht geschlagen. Nicht
innerlich; denn von Methodius Geiste ist in dem Sprengel des Herrn v. Przy-
luski nichts zu spüren. Da ist keine Achtung vor der Nationalität, weder vor
der der 100,000 deutschen Katholiken, welchen von ihren Kirchenobersten zuge-
muthet wird, ihrem Vaterlande, ihrer Sprache zu Gunsten der polnischen zu
entsagen, noch vor derjenigen der Polen; denn die lateinischen Gottesdienste
haben den Sprachenstreit überlebt. Nicht äußerlich, denn als der Heilige des
Landes wird Se. Adelbert v. Prag, solely Woyciech geehrt und ihm unser
„Jürgetag" 23. April geweiht. Und gewiß mit mehr Recht, als Cyrill und
Methodius. Ihre Erwähnung im Gebet besagt aber nur, daß die später zu
Polen gekommenen Länder Rothrußland und Kleinpolen (Chrobatien) mit Cra-
cau (Przemisl), zur Zeit, da jene Männer das Christenthum in ganz andere
Gegenden des großen mährischen Reiches pflanzten, zu diesem gehörten. Von
einer Missionswirksamkeit der Beiden im eigentlichen Polen — und nun gar
im Bisthum Gnesen — wissen die Quellen nichts; ja sie würden uns den Be¬
weis, daß eine solche bestimmt nicht stattgefunden hat, ziemlich leicht machen.
Im Jahre 863, vorher gewiß nicht, beschritten Konstantin, der 868 zu Rom
den Namen Cyrill angenommen hat, und Methodius die äußerste Grenze jener
slawischen Gebiete, deren Wohlthäter sie geworden sind. Der Hof Nastislaws,
an dem sie sich zuerst niederließen, ist an einem in südöstlicher Richtung von
dem heutigen Mähren weit entlegnen Punkte zu suchen. Fünf Jahre später
folgten sie einem Rufe nach Rom. Cyrill ist dort Mönch geworden und am
14. Februar 869 gestorben. Methodius kehrte zurück und arbeitete noch siebzehn
Jahre unter viel Mühsal und Leiden für seine großen Pläne. Auch hat er
seine Wohnung weiter nach Westen und nach Norden genommen; aber nicht
einmal bis zu dem jetzigen Mähren ist er vorgedrungen, und die Documente,
welche ihm kirchliche Acte in Brünn und Olmütz zuschreiben, sind anerkannt
unecht. Von Brünn aber bis zur Erzdiöcese Gnesen sollen noch einige Meilen
Weges sein.

Unter solchen Umständen kann nur ein ?rusg.in und ?o1leto^6rec (Preuße
und Polenfresser) läugnen, daß wir mit zwingender Gewalt auf das Jahr
1863 als auf das tausendjährige Jubiläum der Einführung des Christenthums
in Polen und der Thronbesteigung Piasts gewiesen sind. Wenigstens hat Herr
Erzbischof Leo v. Przylusti von dem Papste die Genehmigung zu einer sol¬
chen Feier erlangt, und ich mache diesen beiden großen Kirchenhisto¬
rikern mein Kompliment. Leider ist der Bischof von Pelplin, der
durch seine Diöcese Thorn der gnesener Erzdiöcese angehört, Herr v. der Mar-


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[0472] dem bischöflichen Sprengel von Przemisl wurde der 10. März zum Andenken an die Stiftung der Kirche, welche durch sie in Rothrußland geschehen sein soll, feierlich begangen, und auch im Erzbisthum Gnesen hat sich dies Ehrengedächt¬ niß Eingang verschafft. Tiefe Wurzeln hat es freilich nicht geschlagen. Nicht innerlich; denn von Methodius Geiste ist in dem Sprengel des Herrn v. Przy- luski nichts zu spüren. Da ist keine Achtung vor der Nationalität, weder vor der der 100,000 deutschen Katholiken, welchen von ihren Kirchenobersten zuge- muthet wird, ihrem Vaterlande, ihrer Sprache zu Gunsten der polnischen zu entsagen, noch vor derjenigen der Polen; denn die lateinischen Gottesdienste haben den Sprachenstreit überlebt. Nicht äußerlich, denn als der Heilige des Landes wird Se. Adelbert v. Prag, solely Woyciech geehrt und ihm unser „Jürgetag" 23. April geweiht. Und gewiß mit mehr Recht, als Cyrill und Methodius. Ihre Erwähnung im Gebet besagt aber nur, daß die später zu Polen gekommenen Länder Rothrußland und Kleinpolen (Chrobatien) mit Cra- cau (Przemisl), zur Zeit, da jene Männer das Christenthum in ganz andere Gegenden des großen mährischen Reiches pflanzten, zu diesem gehörten. Von einer Missionswirksamkeit der Beiden im eigentlichen Polen — und nun gar im Bisthum Gnesen — wissen die Quellen nichts; ja sie würden uns den Be¬ weis, daß eine solche bestimmt nicht stattgefunden hat, ziemlich leicht machen. Im Jahre 863, vorher gewiß nicht, beschritten Konstantin, der 868 zu Rom den Namen Cyrill angenommen hat, und Methodius die äußerste Grenze jener slawischen Gebiete, deren Wohlthäter sie geworden sind. Der Hof Nastislaws, an dem sie sich zuerst niederließen, ist an einem in südöstlicher Richtung von dem heutigen Mähren weit entlegnen Punkte zu suchen. Fünf Jahre später folgten sie einem Rufe nach Rom. Cyrill ist dort Mönch geworden und am 14. Februar 869 gestorben. Methodius kehrte zurück und arbeitete noch siebzehn Jahre unter viel Mühsal und Leiden für seine großen Pläne. Auch hat er seine Wohnung weiter nach Westen und nach Norden genommen; aber nicht einmal bis zu dem jetzigen Mähren ist er vorgedrungen, und die Documente, welche ihm kirchliche Acte in Brünn und Olmütz zuschreiben, sind anerkannt unecht. Von Brünn aber bis zur Erzdiöcese Gnesen sollen noch einige Meilen Weges sein. Unter solchen Umständen kann nur ein ?rusg.in und ?o1leto^6rec (Preuße und Polenfresser) läugnen, daß wir mit zwingender Gewalt auf das Jahr 1863 als auf das tausendjährige Jubiläum der Einführung des Christenthums in Polen und der Thronbesteigung Piasts gewiesen sind. Wenigstens hat Herr Erzbischof Leo v. Przylusti von dem Papste die Genehmigung zu einer sol¬ chen Feier erlangt, und ich mache diesen beiden großen Kirchenhisto¬ rikern mein Kompliment. Leider ist der Bischof von Pelplin, der durch seine Diöcese Thorn der gnesener Erzdiöcese angehört, Herr v. der Mar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/472>, abgerufen am 27.09.2024.