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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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noch keinen Erfolg von Bedeutung aufweisen können, so ist doch auch auf
diesem Gebiete wie auf allen andern nicht schwer zu sagen, wer zuletzt das
Feld behalten wird. Ueber kurz oder lang muß zwischen den Streitenden ein
Compromiß zu Stande kommen, welches im Wesentlichen ein Sieg der deut¬
schen Methode sein und von dem schwedischen System nur das als brauchbar
sanctionircn wird, was wirklich rationell ist.

Mit dem Jahre 18S9 änderte sich Vieles zu Gunsten der außerhalb der
Schule noch bestehenden Turnern, nachdem in Preußen schon im October
des vorhergehenden Jahres mit dem Eintritt der Regentschaft sich bessere Aus¬
sichten eröffnet hatten. Die Aufregung, welche infolge des italienischen Krieges
große Theile der Nation ergriff, lenkte die Blicke wieder auf die Leibesübungen,
die Erwartung eines Kampfes mit Frankreich brachte neues Leben auf die
Turnplätze, und die in Preußen gestattete größere Freiheit der Bewegung wirkte
auch auf die übrigen deutschen Länder. So kam es, daß, als im Frühjahr
1860 an Deutschlands turnende Jugend der Ruf zur Sammlung erging, der
Gedanke eines allgemeinen Turnfestes nicht nur unter den Turnern, sondern
im ganzen Volke freudigen Anklang fand. Was nun folgte, steht noch im
frischen Angedenken. Die Tage des ersten deutschen Turnfestes, welches vom
16. bis 19. Juni 1860 zu Coburg abgehalten wurde, wurden zu Vorboten
eines kaum geahnten Umschwunges im gesammten Volksleben, soweit dasselbe
von den Strömungen der Zeit überhaupt direct berührt wird. Turnen wurde
die Losung der erwachsenen Jugend in den Städten, Hunderte neuer Turn¬
vereine entstanden, das Schulturnen wurde fortan lebhafter gefördert, und auch
auf andern Gebieten regte sichs mit Macht: dem allgemeinen deutschen Turn¬
fest zu Coburg folgte wenige Monate später in derselben Stadt ein erstes deut¬
sches Sängerfest, und das nächste Jahr führte zum ersten Mal Deutschlands
Schützen in Gotha zusammen.

Nachdem Wie in Coburg auch auf dem Turntag, der sich mit dem zweiten
deutschen Turnfest zu Berlin (10. bis 12. August 1861) verband, der Antrag
auf Gründung eines allgemeinen Turnerbundes abgelehnt worden, beschloß
man wenigstens durch Einsetzung eines ständigen Ausschusses, der die laufenden
Tagesfragen der einzelnen Turnvereine erledigen sollte, eine Art Mittelpunkt
für das deutsche Turnwesen zu'schaffen. Dieser Ausschuß trat am 28. Decem¬
ber 1861 zu Gotha zusammen und beschloß hauptsächlich Folgendes:

1) Die laufenden Geschäfte des Ausschusses besorgt Dr. Götz in Lindenau
bei Leipzig. Derselbe bildet mit Georgii aus Eßlingen und Dr. E. Angerstein
aus Berlin den engeren Ausschuß, der sich nach Befinden versammelt und den
aus fünfzehn Mitgliedern bestehenden Gesammtausschuß einzuberufen hat. Jeder
Turnverein zahlt jährlich 1 Thlr. für jedes volle und nicht volle Hundert sei¬
ner Mitglieder als Beitrag zu den Kosten ein. 2) Das nächste deutsche Turn-


Grenzboten II. 18L3. 58

noch keinen Erfolg von Bedeutung aufweisen können, so ist doch auch auf
diesem Gebiete wie auf allen andern nicht schwer zu sagen, wer zuletzt das
Feld behalten wird. Ueber kurz oder lang muß zwischen den Streitenden ein
Compromiß zu Stande kommen, welches im Wesentlichen ein Sieg der deut¬
schen Methode sein und von dem schwedischen System nur das als brauchbar
sanctionircn wird, was wirklich rationell ist.

Mit dem Jahre 18S9 änderte sich Vieles zu Gunsten der außerhalb der
Schule noch bestehenden Turnern, nachdem in Preußen schon im October
des vorhergehenden Jahres mit dem Eintritt der Regentschaft sich bessere Aus¬
sichten eröffnet hatten. Die Aufregung, welche infolge des italienischen Krieges
große Theile der Nation ergriff, lenkte die Blicke wieder auf die Leibesübungen,
die Erwartung eines Kampfes mit Frankreich brachte neues Leben auf die
Turnplätze, und die in Preußen gestattete größere Freiheit der Bewegung wirkte
auch auf die übrigen deutschen Länder. So kam es, daß, als im Frühjahr
1860 an Deutschlands turnende Jugend der Ruf zur Sammlung erging, der
Gedanke eines allgemeinen Turnfestes nicht nur unter den Turnern, sondern
im ganzen Volke freudigen Anklang fand. Was nun folgte, steht noch im
frischen Angedenken. Die Tage des ersten deutschen Turnfestes, welches vom
16. bis 19. Juni 1860 zu Coburg abgehalten wurde, wurden zu Vorboten
eines kaum geahnten Umschwunges im gesammten Volksleben, soweit dasselbe
von den Strömungen der Zeit überhaupt direct berührt wird. Turnen wurde
die Losung der erwachsenen Jugend in den Städten, Hunderte neuer Turn¬
vereine entstanden, das Schulturnen wurde fortan lebhafter gefördert, und auch
auf andern Gebieten regte sichs mit Macht: dem allgemeinen deutschen Turn¬
fest zu Coburg folgte wenige Monate später in derselben Stadt ein erstes deut¬
sches Sängerfest, und das nächste Jahr führte zum ersten Mal Deutschlands
Schützen in Gotha zusammen.

Nachdem Wie in Coburg auch auf dem Turntag, der sich mit dem zweiten
deutschen Turnfest zu Berlin (10. bis 12. August 1861) verband, der Antrag
auf Gründung eines allgemeinen Turnerbundes abgelehnt worden, beschloß
man wenigstens durch Einsetzung eines ständigen Ausschusses, der die laufenden
Tagesfragen der einzelnen Turnvereine erledigen sollte, eine Art Mittelpunkt
für das deutsche Turnwesen zu'schaffen. Dieser Ausschuß trat am 28. Decem¬
ber 1861 zu Gotha zusammen und beschloß hauptsächlich Folgendes:

1) Die laufenden Geschäfte des Ausschusses besorgt Dr. Götz in Lindenau
bei Leipzig. Derselbe bildet mit Georgii aus Eßlingen und Dr. E. Angerstein
aus Berlin den engeren Ausschuß, der sich nach Befinden versammelt und den
aus fünfzehn Mitgliedern bestehenden Gesammtausschuß einzuberufen hat. Jeder
Turnverein zahlt jährlich 1 Thlr. für jedes volle und nicht volle Hundert sei¬
ner Mitglieder als Beitrag zu den Kosten ein. 2) Das nächste deutsche Turn-


Grenzboten II. 18L3. 58
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/461>, abgerufen am 27.09.2024.