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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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flüchtigen, unsauberen Weist ausgeführt; von einer Arbeit, wie sie an einem
öffentlichen Gebäude am wenigsten geduldet werden sollte, und welche merk¬
würdig absticht gegen die erdete, fleißige Ausführung der Hausteinarbeiten an
dem nahen Nesidenzbaue. Aus den Ecken der viereckigen Pfeiler sind runde
Säulchen in Weise der Dienste an den gothischen Gewölbepfeilern ausgeschnitten
mit Kapitalen von ebenso flacher Erfindung als unschöner Behandlung.

Die flachen Giebel der Vorhanden enden mit der diesem Stil eigenen un¬
bedeutenden Ausladung eines Krönungsgesimses Vom schwächsten Diminutiv,
ein Abschluß, der, besonders von der Seite gesehen, von der armseligsten
Stumpfheit ist. Der hier gemachte Versuch, die oberen Spitzbogenfenster durch
aufgesetzte kleine Giebel mit den flachen Gebäudegiebcln selbst zu vermitteln,
liefert wieder augenscheinlich den Beweis, wie schwer sich die Spitzbogenform
der Oeffnungen mit flachen Giebeln vereinigen läßt, und wenn man noch so
spitzfindig diese unnatürliche Verkuppelung zu bewirken strebt. Haben doch an
diesem Problem ganz andere Künstler während einer kurzen Periode des
Mittelalters in Italien sich versucht und dasselbe als künstlerisch unlösbar
wieder aufgegeben. Wie könnten wir die Lösung desselben von den Architekten
der Maximiliansstraße erwarten! Uebrigens ist das ganze Problem jetzt ein
müßiges; denn der Spitzbogen widerstrebt nun einmal -- wovon noch die Rede
sein wird -- den modernen Erfordernissen. -- Daß auch über diesen Bau die
Strecklisenen ihr langweiliges Einerlei ausbreiten, werden wir schon nicht mehr
anders erwarten. Dann derselbe zerrissene, fragmentarische Ansatz einer Hori¬
zontalgliederung.

Den Zweck des Gebäudes deuten Broncestatuen an, welche auf der Ballu-
strade des Arkadenganges stehen; allegorische Figuren, welche, wie es scheint,
theils die technischen Vorgänge bei dem Ausmünzen des Geldes, theils die
Zweige des Handels andeuten. Vielleicht, daß ihre Gestalten menschlicher sind,
als die Figuren am Nationalmuseum, aber ihre Silhouetten heben sich vom
freien Himmel arm und kleinlich, in schwerfälligen Linien ab. Ein Mangel ist,
daß die Ballustrade geschlossen ist; die Masse des Baues hört zu stumpf, zu
plötzlich auf, und so stehen jene Bildwerke zu der wuchtigen Schwere des Unter¬
baues in einem unvermittelter Contrast, den eine durchbrochene Ballustrade
schön gelöst hätte. -- Ganz seltsam ist das nicht stehende, nicht schreitende
Weib, das an der Ecke der Straße, das Gesicht dem Nesidenzvlatze zugekehrt,
eine Tafel in der Hand, auf einem Postament von unsagbarer Form über
einer hohen dünnen Säule, den Herannahenden, wie es scheint, empfangen
und auf die Geheimnisse der neuen wunderbaren Welt, die er, nun betreten
soll, vorbereiten will. Ist sie das Sinnbild dieser modernen Architektur, so ist
die Unsicherheit ihrer Stellung und das Mißverhältniß ihrer Formen ganz
wohl geeignet, die Einleitung zu dem folgenden Stücke zu sein. Jedenfalls


flüchtigen, unsauberen Weist ausgeführt; von einer Arbeit, wie sie an einem
öffentlichen Gebäude am wenigsten geduldet werden sollte, und welche merk¬
würdig absticht gegen die erdete, fleißige Ausführung der Hausteinarbeiten an
dem nahen Nesidenzbaue. Aus den Ecken der viereckigen Pfeiler sind runde
Säulchen in Weise der Dienste an den gothischen Gewölbepfeilern ausgeschnitten
mit Kapitalen von ebenso flacher Erfindung als unschöner Behandlung.

Die flachen Giebel der Vorhanden enden mit der diesem Stil eigenen un¬
bedeutenden Ausladung eines Krönungsgesimses Vom schwächsten Diminutiv,
ein Abschluß, der, besonders von der Seite gesehen, von der armseligsten
Stumpfheit ist. Der hier gemachte Versuch, die oberen Spitzbogenfenster durch
aufgesetzte kleine Giebel mit den flachen Gebäudegiebcln selbst zu vermitteln,
liefert wieder augenscheinlich den Beweis, wie schwer sich die Spitzbogenform
der Oeffnungen mit flachen Giebeln vereinigen läßt, und wenn man noch so
spitzfindig diese unnatürliche Verkuppelung zu bewirken strebt. Haben doch an
diesem Problem ganz andere Künstler während einer kurzen Periode des
Mittelalters in Italien sich versucht und dasselbe als künstlerisch unlösbar
wieder aufgegeben. Wie könnten wir die Lösung desselben von den Architekten
der Maximiliansstraße erwarten! Uebrigens ist das ganze Problem jetzt ein
müßiges; denn der Spitzbogen widerstrebt nun einmal — wovon noch die Rede
sein wird — den modernen Erfordernissen. — Daß auch über diesen Bau die
Strecklisenen ihr langweiliges Einerlei ausbreiten, werden wir schon nicht mehr
anders erwarten. Dann derselbe zerrissene, fragmentarische Ansatz einer Hori¬
zontalgliederung.

Den Zweck des Gebäudes deuten Broncestatuen an, welche auf der Ballu-
strade des Arkadenganges stehen; allegorische Figuren, welche, wie es scheint,
theils die technischen Vorgänge bei dem Ausmünzen des Geldes, theils die
Zweige des Handels andeuten. Vielleicht, daß ihre Gestalten menschlicher sind,
als die Figuren am Nationalmuseum, aber ihre Silhouetten heben sich vom
freien Himmel arm und kleinlich, in schwerfälligen Linien ab. Ein Mangel ist,
daß die Ballustrade geschlossen ist; die Masse des Baues hört zu stumpf, zu
plötzlich auf, und so stehen jene Bildwerke zu der wuchtigen Schwere des Unter¬
baues in einem unvermittelter Contrast, den eine durchbrochene Ballustrade
schön gelöst hätte. — Ganz seltsam ist das nicht stehende, nicht schreitende
Weib, das an der Ecke der Straße, das Gesicht dem Nesidenzvlatze zugekehrt,
eine Tafel in der Hand, auf einem Postament von unsagbarer Form über
einer hohen dünnen Säule, den Herannahenden, wie es scheint, empfangen
und auf die Geheimnisse der neuen wunderbaren Welt, die er, nun betreten
soll, vorbereiten will. Ist sie das Sinnbild dieser modernen Architektur, so ist
die Unsicherheit ihrer Stellung und das Mißverhältniß ihrer Formen ganz
wohl geeignet, die Einleitung zu dem folgenden Stücke zu sein. Jedenfalls


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[0426] flüchtigen, unsauberen Weist ausgeführt; von einer Arbeit, wie sie an einem öffentlichen Gebäude am wenigsten geduldet werden sollte, und welche merk¬ würdig absticht gegen die erdete, fleißige Ausführung der Hausteinarbeiten an dem nahen Nesidenzbaue. Aus den Ecken der viereckigen Pfeiler sind runde Säulchen in Weise der Dienste an den gothischen Gewölbepfeilern ausgeschnitten mit Kapitalen von ebenso flacher Erfindung als unschöner Behandlung. Die flachen Giebel der Vorhanden enden mit der diesem Stil eigenen un¬ bedeutenden Ausladung eines Krönungsgesimses Vom schwächsten Diminutiv, ein Abschluß, der, besonders von der Seite gesehen, von der armseligsten Stumpfheit ist. Der hier gemachte Versuch, die oberen Spitzbogenfenster durch aufgesetzte kleine Giebel mit den flachen Gebäudegiebcln selbst zu vermitteln, liefert wieder augenscheinlich den Beweis, wie schwer sich die Spitzbogenform der Oeffnungen mit flachen Giebeln vereinigen läßt, und wenn man noch so spitzfindig diese unnatürliche Verkuppelung zu bewirken strebt. Haben doch an diesem Problem ganz andere Künstler während einer kurzen Periode des Mittelalters in Italien sich versucht und dasselbe als künstlerisch unlösbar wieder aufgegeben. Wie könnten wir die Lösung desselben von den Architekten der Maximiliansstraße erwarten! Uebrigens ist das ganze Problem jetzt ein müßiges; denn der Spitzbogen widerstrebt nun einmal — wovon noch die Rede sein wird — den modernen Erfordernissen. — Daß auch über diesen Bau die Strecklisenen ihr langweiliges Einerlei ausbreiten, werden wir schon nicht mehr anders erwarten. Dann derselbe zerrissene, fragmentarische Ansatz einer Hori¬ zontalgliederung. Den Zweck des Gebäudes deuten Broncestatuen an, welche auf der Ballu- strade des Arkadenganges stehen; allegorische Figuren, welche, wie es scheint, theils die technischen Vorgänge bei dem Ausmünzen des Geldes, theils die Zweige des Handels andeuten. Vielleicht, daß ihre Gestalten menschlicher sind, als die Figuren am Nationalmuseum, aber ihre Silhouetten heben sich vom freien Himmel arm und kleinlich, in schwerfälligen Linien ab. Ein Mangel ist, daß die Ballustrade geschlossen ist; die Masse des Baues hört zu stumpf, zu plötzlich auf, und so stehen jene Bildwerke zu der wuchtigen Schwere des Unter¬ baues in einem unvermittelter Contrast, den eine durchbrochene Ballustrade schön gelöst hätte. — Ganz seltsam ist das nicht stehende, nicht schreitende Weib, das an der Ecke der Straße, das Gesicht dem Nesidenzvlatze zugekehrt, eine Tafel in der Hand, auf einem Postament von unsagbarer Form über einer hohen dünnen Säule, den Herannahenden, wie es scheint, empfangen und auf die Geheimnisse der neuen wunderbaren Welt, die er, nun betreten soll, vorbereiten will. Ist sie das Sinnbild dieser modernen Architektur, so ist die Unsicherheit ihrer Stellung und das Mißverhältniß ihrer Formen ganz wohl geeignet, die Einleitung zu dem folgenden Stücke zu sein. Jedenfalls

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/426>, abgerufen am 27.09.2024.