Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.lange Gott der Herr es mir gewährt! -- Ja, wahrlich, eine hohe Beruhigung Hineilen persönlich zum Landtage mit meinem dankerfüllten Herzen kann ich In der tiefsten Verehrung beharre ich einer hohen Landtagsvcrsammlung Bei meiner Official-Anwesenheit zu ehrerbietigster Carl August Friedrich Bolle." Vielleicht ist durch dieses Schreiben, welches seinen Verfasser in völliger Dieselbe Willkürherrschaft, welche die Rechtspflege in eine Dienerin ministe¬ Ueberblicke man das Ergebniß der Wirksamkeit der Reaction in Mecklen¬ Grenzboten II. 1863. 44
lange Gott der Herr es mir gewährt! — Ja, wahrlich, eine hohe Beruhigung Hineilen persönlich zum Landtage mit meinem dankerfüllten Herzen kann ich In der tiefsten Verehrung beharre ich einer hohen Landtagsvcrsammlung Bei meiner Official-Anwesenheit zu ehrerbietigster Carl August Friedrich Bolle." Vielleicht ist durch dieses Schreiben, welches seinen Verfasser in völliger Dieselbe Willkürherrschaft, welche die Rechtspflege in eine Dienerin ministe¬ Ueberblicke man das Ergebniß der Wirksamkeit der Reaction in Mecklen¬ Grenzboten II. 1863. 44
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lange Gott der Herr es mir gewährt! — Ja, wahrlich, eine hohe Beruhigung
ist mir jetzt geworden; in zweifacher Hinsicht!
Hineilen persönlich zum Landtage mit meinem dankerfüllten Herzen kann ich
leider nicht; wie gerne möchte ich es! Officialgeschäfte behindern es. Bethä¬
tigen durch fernere Pflichterfüllungen im Dienste kann ich meine Dankbarkeit
auch nicht; denn ich scheide aus ihm — aber ein Herz voll Dank und Liebe
und treuer Hingebung an die alten Landstände, unter denen seit Jahrhunderten
unser Vaterland glücklich war, — und voll Segenswünsche für Sie, ein solches
Herz werde ich in mir tragen, so lange ich lebe.
In der tiefsten Verehrung beharre ich einer hohen Landtagsvcrsammlung
Bei meiner Official-Anwesenheit zu
Ludwigslust, 19. Nov. 1861.
ehrerbietigster
Carl August Friedrich Bolle."
Vielleicht ist durch dieses Schreiben, welches seinen Verfasser in völliger
Extase über die Größe des ihm bewilligten Ruhegehalts zeigt, das um jene
Zeit umlaufende falsche Gerücht, daß er in eine Geisteskrankheit verfallen sei,
hervorgerufen worden.'
Dieselbe Willkürherrschaft, welche die Rechtspflege in eine Dienerin ministe¬
rieller Politik verwandelte, üble auf allen andern Gebieten des Staatslebens ihren
finsteren Einfluß. Eines ihrer vielen Opfer ward im Jahre 18L8 auch der Professor
Baumgarten zu Rostock. Derselbe ward ungehört und ohne irgend ein disciplina¬
risches Verfahren aus seinem Amte entlassen, nicht vorzugweise deshalb, weil man
der Ansicht war, daß er in gewissen Lehrsätzen von dem Inhalt der symbolischen
Bücher der lutherischen Kirche und der mecklenburgischen Kirchenordnung abwich
— dies war nur der an die Oeffentlichkeit getretene dürftig herausgeputzte Grund
seiner Amtsentlassung —, sondern weil er ein freier, offener und unerschrockener
Mann war, dessen wahrheitsliebende Seele sich in das Bedientcnwescn nicht
schicken konnte, welches unter dem von dem Oberkirchenrath geführten Krumm¬
stab auch auf dem Boden der Kirche großgezogen ward. Die Acten über diese
Angelegenheit hat Herr v. Schröter nur so weit veröffentlichen lassen, als es
erforderlich schien, um das Gehässige des Verfahrens von sich ab und auf das
Consistorium und dessen Berichterstatter Krabbe zu lenken. Er hat dagegen
weder das Rescript, welches er an das Consistorium erließ, um nach vor¬
gängigen mündlichen Besprechungen mit dem damaligen Director dieser Be¬
hörde, Martini, das Gutachten gegen Baumgarten hervorzurufen, noch die
Schriftstücke der Oeffentlichkeit übergeben, weiche zwischen ihm und dem Ober¬
kirchenrath über die beschlossene Entlassung Baumgartens gewechselt wurden.
Erst wenn die Acten einmal vollständig vorliegen werden, wird man den tie¬
feren Zusammenhang dieser Angelegenheit durchschauen.
Ueberblicke man das Ergebniß der Wirksamkeit der Reaction in Mecklen¬
burg seit 1888, so muß es jedem Unbefangenen klar werden, daß das Land
Grenzboten II. 1863. 44
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