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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Zur Beleuchtung der renctimmren Aem in Mecklenburg-Schwerin.
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Als es sich nach fast zweijähriger Anstrengung entschieden hatte, daß vor¬
läufig die Hoffnung aufgegeben werden müsse, die Mitglieder der Linken der
Abgeordnetenkammer in einen Criminalprvceß zu verwickeln, half die Ungeduld
des Ministers sich einstweilen mit einer disciplinarischen Maßregel gegen die
drei Professoren Türk, Wilbrandt und I. Wiggcrs. Ohne irgend eine vor-
gängige Untersuchung ward plötzlich deren Amtscntlassung verfügt. Bei den
beiden Erstgenanten hatte man vorher versucht, sie zu einem freiwilligen Rück¬
tritt zu bestimmen, bei welchem ihnen überdies nur ein Theil ihres Gehalts
als Pension verbleiben sollte. Der Vicekanzler der Universität v. Both, wel¬
cher mit dieser Verhandlung beauftragt war, mußte ihnen im Namen der Ne¬
gierung eröffnen, daß Gründe genug vorhanden seien, sie auf gerichtlichem
Wege aus ihren Aemtern zu entfernen, indem sich Acten bei der Regierung be¬
fänden, welche eine Absetzung vom Amt rechtfertigen würden. Da er aber
mit dieser Bedrohung nichts ausrichtete, so erfolgte jetzt durch ein grvßhcrzog-
liches Rescript vom 7. Juli 1862 die einfache Amtsentlassung mit vollem Ge¬
halt als Pension, Doch hatte der Minister sich nicht versagen können, die
Motivirung der Maßregel mit dem Vorwurf schwerer Pflichtverletzung auszu¬
statten, welcher sich gegenüber der Unterlassung einer disciplinarischen Unter¬
suchung und dem späteren in einem Rescript an das Criminalcvllegium vom
29. Juni 1853 von Herrn v. Schröter abgelegten Geständnis;, wonach außer
dem Entlassungsrescript selbst über die Motive dieser Maßregel nichts bei den
Acten des Ministeriums vorliegt, höchst seltsam ausnimmt. Wie mit diesem
Geständnis; die durch Herrn v. Voth gemachten Eröffnungen sich vereinigen las¬
sen, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Die Belassung des Gehalts als
Pension war an verschiedene Clauseln geknüpft, von denen die eine gleichfalls
beweist, daß der Justizminister fortwährend noch von dem innigen Verlangen
nach dem Zustandekommen des intendirteu Criminalvroccsscs beseelt war, und
daß er nur nicht wußte, wie er dies in Ermangelung brauchbaren Materials
bewirken sollte. Es ward nämlich für den Fall, daß hinsichtlich des bisherigen
Verhaltens der drei Professoren seit dem Frühjahr 1848 "durch eine etwa noch
einzuleitende Untersuchung noch speciellere Thatsachen festgestellt werden sollten",
welche die Amtsentlassung ohne Pension gerechtfertigt haben würden, die
Wiedereinzichung der Pension vorbehalten.


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Zur Beleuchtung der renctimmren Aem in Mecklenburg-Schwerin.
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Als es sich nach fast zweijähriger Anstrengung entschieden hatte, daß vor¬
läufig die Hoffnung aufgegeben werden müsse, die Mitglieder der Linken der
Abgeordnetenkammer in einen Criminalprvceß zu verwickeln, half die Ungeduld
des Ministers sich einstweilen mit einer disciplinarischen Maßregel gegen die
drei Professoren Türk, Wilbrandt und I. Wiggcrs. Ohne irgend eine vor-
gängige Untersuchung ward plötzlich deren Amtscntlassung verfügt. Bei den
beiden Erstgenanten hatte man vorher versucht, sie zu einem freiwilligen Rück¬
tritt zu bestimmen, bei welchem ihnen überdies nur ein Theil ihres Gehalts
als Pension verbleiben sollte. Der Vicekanzler der Universität v. Both, wel¬
cher mit dieser Verhandlung beauftragt war, mußte ihnen im Namen der Ne¬
gierung eröffnen, daß Gründe genug vorhanden seien, sie auf gerichtlichem
Wege aus ihren Aemtern zu entfernen, indem sich Acten bei der Regierung be¬
fänden, welche eine Absetzung vom Amt rechtfertigen würden. Da er aber
mit dieser Bedrohung nichts ausrichtete, so erfolgte jetzt durch ein grvßhcrzog-
liches Rescript vom 7. Juli 1862 die einfache Amtsentlassung mit vollem Ge¬
halt als Pension, Doch hatte der Minister sich nicht versagen können, die
Motivirung der Maßregel mit dem Vorwurf schwerer Pflichtverletzung auszu¬
statten, welcher sich gegenüber der Unterlassung einer disciplinarischen Unter¬
suchung und dem späteren in einem Rescript an das Criminalcvllegium vom
29. Juni 1853 von Herrn v. Schröter abgelegten Geständnis;, wonach außer
dem Entlassungsrescript selbst über die Motive dieser Maßregel nichts bei den
Acten des Ministeriums vorliegt, höchst seltsam ausnimmt. Wie mit diesem
Geständnis; die durch Herrn v. Voth gemachten Eröffnungen sich vereinigen las¬
sen, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Die Belassung des Gehalts als
Pension war an verschiedene Clauseln geknüpft, von denen die eine gleichfalls
beweist, daß der Justizminister fortwährend noch von dem innigen Verlangen
nach dem Zustandekommen des intendirteu Criminalvroccsscs beseelt war, und
daß er nur nicht wußte, wie er dies in Ermangelung brauchbaren Materials
bewirken sollte. Es ward nämlich für den Fall, daß hinsichtlich des bisherigen
Verhaltens der drei Professoren seit dem Frühjahr 1848 „durch eine etwa noch
einzuleitende Untersuchung noch speciellere Thatsachen festgestellt werden sollten",
welche die Amtsentlassung ohne Pension gerechtfertigt haben würden, die
Wiedereinzichung der Pension vorbehalten.


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[0343] Zur Beleuchtung der renctimmren Aem in Mecklenburg-Schwerin. 4. Als es sich nach fast zweijähriger Anstrengung entschieden hatte, daß vor¬ läufig die Hoffnung aufgegeben werden müsse, die Mitglieder der Linken der Abgeordnetenkammer in einen Criminalprvceß zu verwickeln, half die Ungeduld des Ministers sich einstweilen mit einer disciplinarischen Maßregel gegen die drei Professoren Türk, Wilbrandt und I. Wiggcrs. Ohne irgend eine vor- gängige Untersuchung ward plötzlich deren Amtscntlassung verfügt. Bei den beiden Erstgenanten hatte man vorher versucht, sie zu einem freiwilligen Rück¬ tritt zu bestimmen, bei welchem ihnen überdies nur ein Theil ihres Gehalts als Pension verbleiben sollte. Der Vicekanzler der Universität v. Both, wel¬ cher mit dieser Verhandlung beauftragt war, mußte ihnen im Namen der Ne¬ gierung eröffnen, daß Gründe genug vorhanden seien, sie auf gerichtlichem Wege aus ihren Aemtern zu entfernen, indem sich Acten bei der Regierung be¬ fänden, welche eine Absetzung vom Amt rechtfertigen würden. Da er aber mit dieser Bedrohung nichts ausrichtete, so erfolgte jetzt durch ein grvßhcrzog- liches Rescript vom 7. Juli 1862 die einfache Amtsentlassung mit vollem Ge¬ halt als Pension, Doch hatte der Minister sich nicht versagen können, die Motivirung der Maßregel mit dem Vorwurf schwerer Pflichtverletzung auszu¬ statten, welcher sich gegenüber der Unterlassung einer disciplinarischen Unter¬ suchung und dem späteren in einem Rescript an das Criminalcvllegium vom 29. Juni 1853 von Herrn v. Schröter abgelegten Geständnis;, wonach außer dem Entlassungsrescript selbst über die Motive dieser Maßregel nichts bei den Acten des Ministeriums vorliegt, höchst seltsam ausnimmt. Wie mit diesem Geständnis; die durch Herrn v. Voth gemachten Eröffnungen sich vereinigen las¬ sen, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Die Belassung des Gehalts als Pension war an verschiedene Clauseln geknüpft, von denen die eine gleichfalls beweist, daß der Justizminister fortwährend noch von dem innigen Verlangen nach dem Zustandekommen des intendirteu Criminalvroccsscs beseelt war, und daß er nur nicht wußte, wie er dies in Ermangelung brauchbaren Materials bewirken sollte. Es ward nämlich für den Fall, daß hinsichtlich des bisherigen Verhaltens der drei Professoren seit dem Frühjahr 1848 „durch eine etwa noch einzuleitende Untersuchung noch speciellere Thatsachen festgestellt werden sollten", welche die Amtsentlassung ohne Pension gerechtfertigt haben würden, die Wiedereinzichung der Pension vorbehalten. 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/343>, abgerufen am 27.09.2024.