Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Walzen und Rollen, Thucydides erwähnt es zuerst von den Lacedämoniern,
daß sie die Absicht gehabt hätten, eine Flotte über den Isthmus zu schaffen,
aber von den im saronischen Busen kreuzenden Athenern daran verhindert
Worden wären. Aber im Jahre 414 wurden wirklich einundzwanzig peloponne-
sische Schiffe hinüberbefördert. Später ließ auch Octavian nach der Schlacht
bei Antium seine Liburner über die Landenge ziehen. Doch fand diese Beför¬
derung nur von dem korinthischen Busen aus statt, weil das im Westen schroffer
ansteigende Ufer nach Osten zu sanft abfiel. Ueber die allerdings nur
120 Schritte breite Landzunge von Leukadien (jetzt die Insel Santa Maura)
wurden sogar in der ersten Hälfte des peloponnesischen Kriegs einmal dreiund-
fünfzig. ein anderes Mal sechzig peloponnesische Schiffe nach Thucydides "ge¬
tragen!" An zerlegbare Schiffe läßt sich hierbei gar nicht denken; denn wo
dergleichen in Anwendung kamen, unterlassen die Autoren nie, es ausdrücklich
zu bemerken.

(Schluß in nächster Nummer.)




Mersdorffs handschriftlicher Nachlaß.

Wer in den Aufzeichnungen, die der Verstorbene sorgfältigen seinem Pulte
Erschloß, ungeahnte Enthüllungen und Entwürfe, deren Entwicklung nur die
Ungunst der Zeit versagte, sucht, wird das Buch völlig unbefriedigt aus der
Hand legen. Es ist vielmehr eine Verwahrung gegen alle und jede Anschul¬
digung, daß der Verfasser je den traditionellen Grundsätzen des Kaiserreiches
untreu geworden. Er gehörte zu jenen, die vor dem März 1848 für liberal
Kalten. Auch der Stil erinnert durch Unklarheiten an jene Zeit.

Die erste Hälfte des Buches, welche nebst der Selbstbiographie Ve¬
rachtungen über östreichische Zustände vor und während der großen Bewe¬
gung enthält, berührt aus der Regierungsperiodc des Kaisers Franz nur die
Maßregeln gegen die bedenkliche Finanzkrisis. Nachdem dieser durch den Schul-
dentilgungsplan, das Bankinstitut und Grundsteuerkataster leidlich abgeholfen
^ar. beginnt ein Zustand regen Lebens und physischen Wohlseins, der Pillers-
°rff den geistigen Druck, der bis zum Jahr 1848 auf Oestreich lastete, we-


4*

aus Walzen und Rollen, Thucydides erwähnt es zuerst von den Lacedämoniern,
daß sie die Absicht gehabt hätten, eine Flotte über den Isthmus zu schaffen,
aber von den im saronischen Busen kreuzenden Athenern daran verhindert
Worden wären. Aber im Jahre 414 wurden wirklich einundzwanzig peloponne-
sische Schiffe hinüberbefördert. Später ließ auch Octavian nach der Schlacht
bei Antium seine Liburner über die Landenge ziehen. Doch fand diese Beför¬
derung nur von dem korinthischen Busen aus statt, weil das im Westen schroffer
ansteigende Ufer nach Osten zu sanft abfiel. Ueber die allerdings nur
120 Schritte breite Landzunge von Leukadien (jetzt die Insel Santa Maura)
wurden sogar in der ersten Hälfte des peloponnesischen Kriegs einmal dreiund-
fünfzig. ein anderes Mal sechzig peloponnesische Schiffe nach Thucydides „ge¬
tragen!" An zerlegbare Schiffe läßt sich hierbei gar nicht denken; denn wo
dergleichen in Anwendung kamen, unterlassen die Autoren nie, es ausdrücklich
zu bemerken.

(Schluß in nächster Nummer.)




Mersdorffs handschriftlicher Nachlaß.

Wer in den Aufzeichnungen, die der Verstorbene sorgfältigen seinem Pulte
Erschloß, ungeahnte Enthüllungen und Entwürfe, deren Entwicklung nur die
Ungunst der Zeit versagte, sucht, wird das Buch völlig unbefriedigt aus der
Hand legen. Es ist vielmehr eine Verwahrung gegen alle und jede Anschul¬
digung, daß der Verfasser je den traditionellen Grundsätzen des Kaiserreiches
untreu geworden. Er gehörte zu jenen, die vor dem März 1848 für liberal
Kalten. Auch der Stil erinnert durch Unklarheiten an jene Zeit.

Die erste Hälfte des Buches, welche nebst der Selbstbiographie Ve¬
rachtungen über östreichische Zustände vor und während der großen Bewe¬
gung enthält, berührt aus der Regierungsperiodc des Kaisers Franz nur die
Maßregeln gegen die bedenkliche Finanzkrisis. Nachdem dieser durch den Schul-
dentilgungsplan, das Bankinstitut und Grundsteuerkataster leidlich abgeholfen
^ar. beginnt ein Zustand regen Lebens und physischen Wohlseins, der Pillers-
°rff den geistigen Druck, der bis zum Jahr 1848 auf Oestreich lastete, we-


4*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188058"/>
          <p xml:id="ID_71" prev="#ID_70"> aus Walzen und Rollen, Thucydides erwähnt es zuerst von den Lacedämoniern,<lb/>
daß sie die Absicht gehabt hätten, eine Flotte über den Isthmus zu schaffen,<lb/>
aber von den im saronischen Busen kreuzenden Athenern daran verhindert<lb/>
Worden wären. Aber im Jahre 414 wurden wirklich einundzwanzig peloponne-<lb/>
sische Schiffe hinüberbefördert. Später ließ auch Octavian nach der Schlacht<lb/>
bei Antium seine Liburner über die Landenge ziehen. Doch fand diese Beför¬<lb/>
derung nur von dem korinthischen Busen aus statt, weil das im Westen schroffer<lb/>
ansteigende Ufer nach Osten zu sanft abfiel. Ueber die allerdings nur<lb/>
120 Schritte breite Landzunge von Leukadien (jetzt die Insel Santa Maura)<lb/>
wurden sogar in der ersten Hälfte des peloponnesischen Kriegs einmal dreiund-<lb/>
fünfzig. ein anderes Mal sechzig peloponnesische Schiffe nach Thucydides &#x201E;ge¬<lb/>
tragen!" An zerlegbare Schiffe läßt sich hierbei gar nicht denken; denn wo<lb/>
dergleichen in Anwendung kamen, unterlassen die Autoren nie, es ausdrücklich<lb/>
zu bemerken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_72"> (Schluß in nächster Nummer.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Mersdorffs handschriftlicher Nachlaß.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_73"> Wer in den Aufzeichnungen, die der Verstorbene sorgfältigen seinem Pulte<lb/>
Erschloß, ungeahnte Enthüllungen und Entwürfe, deren Entwicklung nur die<lb/>
Ungunst der Zeit versagte, sucht, wird das Buch völlig unbefriedigt aus der<lb/>
Hand legen. Es ist vielmehr eine Verwahrung gegen alle und jede Anschul¬<lb/>
digung, daß der Verfasser je den traditionellen Grundsätzen des Kaiserreiches<lb/>
untreu geworden. Er gehörte zu jenen, die vor dem März 1848 für liberal<lb/>
Kalten.  Auch der Stil erinnert durch Unklarheiten an jene Zeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_74" next="#ID_75"> Die erste Hälfte des Buches, welche nebst der Selbstbiographie Ve¬<lb/>
rachtungen über östreichische Zustände vor und während der großen Bewe¬<lb/>
gung enthält, berührt aus der Regierungsperiodc des Kaisers Franz nur die<lb/>
Maßregeln gegen die bedenkliche Finanzkrisis. Nachdem dieser durch den Schul-<lb/>
dentilgungsplan, das Bankinstitut und Grundsteuerkataster leidlich abgeholfen<lb/>
^ar. beginnt ein Zustand regen Lebens und physischen Wohlseins, der Pillers-<lb/>
°rff den geistigen Druck, der bis zum Jahr 1848 auf Oestreich lastete, we-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 4*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] aus Walzen und Rollen, Thucydides erwähnt es zuerst von den Lacedämoniern, daß sie die Absicht gehabt hätten, eine Flotte über den Isthmus zu schaffen, aber von den im saronischen Busen kreuzenden Athenern daran verhindert Worden wären. Aber im Jahre 414 wurden wirklich einundzwanzig peloponne- sische Schiffe hinüberbefördert. Später ließ auch Octavian nach der Schlacht bei Antium seine Liburner über die Landenge ziehen. Doch fand diese Beför¬ derung nur von dem korinthischen Busen aus statt, weil das im Westen schroffer ansteigende Ufer nach Osten zu sanft abfiel. Ueber die allerdings nur 120 Schritte breite Landzunge von Leukadien (jetzt die Insel Santa Maura) wurden sogar in der ersten Hälfte des peloponnesischen Kriegs einmal dreiund- fünfzig. ein anderes Mal sechzig peloponnesische Schiffe nach Thucydides „ge¬ tragen!" An zerlegbare Schiffe läßt sich hierbei gar nicht denken; denn wo dergleichen in Anwendung kamen, unterlassen die Autoren nie, es ausdrücklich zu bemerken. (Schluß in nächster Nummer.) Mersdorffs handschriftlicher Nachlaß. Wer in den Aufzeichnungen, die der Verstorbene sorgfältigen seinem Pulte Erschloß, ungeahnte Enthüllungen und Entwürfe, deren Entwicklung nur die Ungunst der Zeit versagte, sucht, wird das Buch völlig unbefriedigt aus der Hand legen. Es ist vielmehr eine Verwahrung gegen alle und jede Anschul¬ digung, daß der Verfasser je den traditionellen Grundsätzen des Kaiserreiches untreu geworden. Er gehörte zu jenen, die vor dem März 1848 für liberal Kalten. Auch der Stil erinnert durch Unklarheiten an jene Zeit. Die erste Hälfte des Buches, welche nebst der Selbstbiographie Ve¬ rachtungen über östreichische Zustände vor und während der großen Bewe¬ gung enthält, berührt aus der Regierungsperiodc des Kaisers Franz nur die Maßregeln gegen die bedenkliche Finanzkrisis. Nachdem dieser durch den Schul- dentilgungsplan, das Bankinstitut und Grundsteuerkataster leidlich abgeholfen ^ar. beginnt ein Zustand regen Lebens und physischen Wohlseins, der Pillers- °rff den geistigen Druck, der bis zum Jahr 1848 auf Oestreich lastete, we- 4*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/31
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/31>, abgerufen am 27.09.2024.