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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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und zwar infolge von persönlichen Antipathien, die sich ihm gegenüber nicht
zum ersten Mal geltend machten. Immer ließ das Comitv merken, daß es mit
großen Arbeiten, bedeutenden Plänen beschäftigt sei, nur kam davon nichts zum
Vorschein. Und mit der Agitation außerhalb Leipzigs wurde ebenso wenig er¬
zielt. Im Gegentheil, von vielen Orten und Bereinen trafen Proteste gegen
die Kompetenz des Comites ein. Man versuchte in auswärtigen Vereinen und
in veranstalteten Arbeiterversammlungen Propaganda zu machen, allein diese
Versuche kosteten nur das von einer Anzahl leipziger Arbeiter gesteuerte Geld;
denn die auswärtigen Sammlungen, zu denen man aufgefordert, blieben aus.

Den ersten Anlaß, daß man von der Arbeiterbewegung wieder sprach, gab'die
Rede, welche Schulze-Delitzsch im Januar im Tivoli zu Leipzig in Folge einer
Jnterpellation hielt, welche nach Schluß seines Vortrag.es über die Ziele des
Nationalvereines von Dr. Dämmer an ihn erging, und die auf die Frage
hinauslief, wie er sich das Verhältniß der Arbeiter zum Nationalverein denke..
Die Antwort Schutzes befriedigte die Fragstcller und ihre Anhänger sehr we¬
nig. Ja man nahm es ihm im Gegentheil ungemein übel, daß er die Ar¬
beiter aufforderte, lieber den Thaler Beitrag zum Nationalverein zu sparen und
ihn zu den Opfern zu werfen, welche für Versorgungsl'assen, Bildungsmittel
oder andere dem materiellen Wohle dienende Vereinigungen nothwendig wer¬
den würden. Hatte er damit doch gegen die hohen Begriffe verstoßen, welche
die Herren sich von der Würde und Wichtigkeit des Arbeiterstandes und zu¬
nächst von ihrer eignen Bedeutung für das Vaterland gebildet hatten. Aber
wunderbare was man damals mit aller Gewalt den Arbeitern erleichtern wollte,
den Eintritt in den Nationalverein, daran denken jene Leute heute nicht ent¬
fernt mehr, ja mit Hohn würde man von ihrer Seite die Zumuthung zurück¬
weisen, Mitglieder dieses Vereins zu werden.

Schulze-Delitzsch wurde privatim, da eine Arbeiterversammlung, welche
Tags darauf stattfinden und in der er sprechen sollte, wegen Collision mit
dem Gottesdienst untersagt worden, von den betreffenden Conn6angliedern
wegen seiner Rede angegriffen. Selbstverständlich konnte dies seine Ansichten
nicht erschüttern. Wohl aber war es zu den Zeugnissen zu registriren, bis zu
welchem Grade von Wahnwitz die Einbildung und Ueberhebung der guten
Leutchen vom Comite gediehen war, die sich ohne Bedenken schlankweg als
Herolde und Sachwalter der Millionen deutscher Arbeiter ansahen, der National-
partei unter Bedingungen ihre nicht einmal erbetene Hilfe zusagten und für
den Fall des Nichteingehens auf diese Bedingungen mit einer Absage drohten.
Die Wirklichkeit war völlig anders angethan. War es überflüssig und darum
lächerlich, wenn einige leipziger Arbeiter der in ernstester Arbeit und einem die
ganze Nation erschütternden Kampf um die höchsten staatlichen Güter begriffenen
liberalen Partei des preußischen Abgeordnetenhauses ihren Beifall und Bei-


und zwar infolge von persönlichen Antipathien, die sich ihm gegenüber nicht
zum ersten Mal geltend machten. Immer ließ das Comitv merken, daß es mit
großen Arbeiten, bedeutenden Plänen beschäftigt sei, nur kam davon nichts zum
Vorschein. Und mit der Agitation außerhalb Leipzigs wurde ebenso wenig er¬
zielt. Im Gegentheil, von vielen Orten und Bereinen trafen Proteste gegen
die Kompetenz des Comites ein. Man versuchte in auswärtigen Vereinen und
in veranstalteten Arbeiterversammlungen Propaganda zu machen, allein diese
Versuche kosteten nur das von einer Anzahl leipziger Arbeiter gesteuerte Geld;
denn die auswärtigen Sammlungen, zu denen man aufgefordert, blieben aus.

Den ersten Anlaß, daß man von der Arbeiterbewegung wieder sprach, gab'die
Rede, welche Schulze-Delitzsch im Januar im Tivoli zu Leipzig in Folge einer
Jnterpellation hielt, welche nach Schluß seines Vortrag.es über die Ziele des
Nationalvereines von Dr. Dämmer an ihn erging, und die auf die Frage
hinauslief, wie er sich das Verhältniß der Arbeiter zum Nationalverein denke..
Die Antwort Schutzes befriedigte die Fragstcller und ihre Anhänger sehr we¬
nig. Ja man nahm es ihm im Gegentheil ungemein übel, daß er die Ar¬
beiter aufforderte, lieber den Thaler Beitrag zum Nationalverein zu sparen und
ihn zu den Opfern zu werfen, welche für Versorgungsl'assen, Bildungsmittel
oder andere dem materiellen Wohle dienende Vereinigungen nothwendig wer¬
den würden. Hatte er damit doch gegen die hohen Begriffe verstoßen, welche
die Herren sich von der Würde und Wichtigkeit des Arbeiterstandes und zu¬
nächst von ihrer eignen Bedeutung für das Vaterland gebildet hatten. Aber
wunderbare was man damals mit aller Gewalt den Arbeitern erleichtern wollte,
den Eintritt in den Nationalverein, daran denken jene Leute heute nicht ent¬
fernt mehr, ja mit Hohn würde man von ihrer Seite die Zumuthung zurück¬
weisen, Mitglieder dieses Vereins zu werden.

Schulze-Delitzsch wurde privatim, da eine Arbeiterversammlung, welche
Tags darauf stattfinden und in der er sprechen sollte, wegen Collision mit
dem Gottesdienst untersagt worden, von den betreffenden Conn6angliedern
wegen seiner Rede angegriffen. Selbstverständlich konnte dies seine Ansichten
nicht erschüttern. Wohl aber war es zu den Zeugnissen zu registriren, bis zu
welchem Grade von Wahnwitz die Einbildung und Ueberhebung der guten
Leutchen vom Comite gediehen war, die sich ohne Bedenken schlankweg als
Herolde und Sachwalter der Millionen deutscher Arbeiter ansahen, der National-
partei unter Bedingungen ihre nicht einmal erbetene Hilfe zusagten und für
den Fall des Nichteingehens auf diese Bedingungen mit einer Absage drohten.
Die Wirklichkeit war völlig anders angethan. War es überflüssig und darum
lächerlich, wenn einige leipziger Arbeiter der in ernstester Arbeit und einem die
ganze Nation erschütternden Kampf um die höchsten staatlichen Güter begriffenen
liberalen Partei des preußischen Abgeordnetenhauses ihren Beifall und Bei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/298>, abgerufen am 27.09.2024.