Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

richten von Berlin ein, welche, sei es mit oder ohne Grund, denselben als ein
erkauftes Werkzeug der Reaction darstellten, dessen Aufgabe es sei, die Arbeiter zu
unbedachten Schritten zu verleiten und sie andrerseits mit der liberalen Partei
zu verfeinden. Wenn man damals Herrn Eichler in der betreffenden Conn"Murg
diese Beschuldigung mit der Miene sittlicher Entrüstung entgegenhielt, so hätte
man sich das nach dem ferneren Verlaufe der Dinge sparen können. Denn einer¬
seits hat man bald nachher seine Feindschaft gegen die liberale Partei mit allein
Pomp proclamirt, und andrerseits ist Eichler ein entschiedener Junger Lassalles,
nur etwas glücklicher als dieser, da er bereits erfolgreiche Schritte zur Ver¬
wirklichung lassallscher Pläne mittelst einer Arbeitercolonie am Plötzensee bei
dem Ministerium gethan hat. Nach Beseitigung Eichlers durch die Leipziger war
für diese nur noch nöthig, nach Berlin zu gehen, dort sich persönlich vorzustellen
und sich ein Vertrauensvotum zu holen. Zu diesem Ende wurde eine zweite
Arbciterversammlung angesetzt, in welcher das Comite zunächst mittheilte, daß
Nürnberg sich nicht füge, sondern den Kongreß dort am 1. November abhalten
werde, den man indeß unter jetzt obwaltenden Umständen nur als eine Vor¬
versammlung ansehen dürfe. Ferner erklärte das leipziger Comite-, daß der
hier anwesend gewesene berliner Abgesandte Eichler fremden Einflüssen folge,
und man daher das berliner Programm nur dann annehmen könne, wenn die
Leitung des Congresses vollständig in die Hände des leipziger Comites über¬
ginge und derselbe bis Januar 1863 hinausgeschoben werde.

Bemerkenswerth ist für die spätere Stellung derselben Herren, daß von
dem Vorsitzenden Vahlteich ausgesprochen wurde, wie es vor allen Dingen
darauf ankäme, alle Sondcrinteressen ruhen zu lassen, deren Hervorhebung
möglicherweise einen Theil der liberalen Partei zurückschrecken könnte, und in
jeder Beziehung Hand in Hand mit der Fortschrittspartei die gemeinsamen
Ziele zu verfolgen. Heute versetzt dieselben guten Jungen die bloße Nennung
der Fortschrittspartei in einen Seelenzustand, der sich nur mit dem Verdruß
des Puters vergleichen läßt, welchem man ein rothes Tuch vorhält.

In jener Versammlung wurde ferner daran erinnert, daß von den Versamm¬
lungen der Nationalpartei in Weimar und Coburg die deutsche Reichsverfassung
als zu erstrebendes Ziel aufgestellt worden sei, und daß unter deren Herrschaft
auch die Sonderintcressen der Arbeiter Förderung erfahren würden. Die durch
die Arbeiter gestärkte Fortschrittspartei werde ihr Ziel eher erreichen. Ja man
wählte im Verlause der Versammlung zwei Deputirte, die Herren Schuhmacher
Vahlteich und Cigarrenmacher Fritsche, welche in Berlin erklären sollten, man
nehme das berliner Programm mit Ausnahme des Punktes, welcher die In¬
dustrieausstellung in Berlin betreffe, an, vor allen Dingen aber den Auftrag
erhielten, mit den berliner Arbeitern sich dahin zu verständigen, daß der engste
Anschluß an die Fortschrittspartei zu bewirken sei, wodurch man hoffe, die


Grenzboten II. 1S63. 37

richten von Berlin ein, welche, sei es mit oder ohne Grund, denselben als ein
erkauftes Werkzeug der Reaction darstellten, dessen Aufgabe es sei, die Arbeiter zu
unbedachten Schritten zu verleiten und sie andrerseits mit der liberalen Partei
zu verfeinden. Wenn man damals Herrn Eichler in der betreffenden Conn«Murg
diese Beschuldigung mit der Miene sittlicher Entrüstung entgegenhielt, so hätte
man sich das nach dem ferneren Verlaufe der Dinge sparen können. Denn einer¬
seits hat man bald nachher seine Feindschaft gegen die liberale Partei mit allein
Pomp proclamirt, und andrerseits ist Eichler ein entschiedener Junger Lassalles,
nur etwas glücklicher als dieser, da er bereits erfolgreiche Schritte zur Ver¬
wirklichung lassallscher Pläne mittelst einer Arbeitercolonie am Plötzensee bei
dem Ministerium gethan hat. Nach Beseitigung Eichlers durch die Leipziger war
für diese nur noch nöthig, nach Berlin zu gehen, dort sich persönlich vorzustellen
und sich ein Vertrauensvotum zu holen. Zu diesem Ende wurde eine zweite
Arbciterversammlung angesetzt, in welcher das Comite zunächst mittheilte, daß
Nürnberg sich nicht füge, sondern den Kongreß dort am 1. November abhalten
werde, den man indeß unter jetzt obwaltenden Umständen nur als eine Vor¬
versammlung ansehen dürfe. Ferner erklärte das leipziger Comite-, daß der
hier anwesend gewesene berliner Abgesandte Eichler fremden Einflüssen folge,
und man daher das berliner Programm nur dann annehmen könne, wenn die
Leitung des Congresses vollständig in die Hände des leipziger Comites über¬
ginge und derselbe bis Januar 1863 hinausgeschoben werde.

Bemerkenswerth ist für die spätere Stellung derselben Herren, daß von
dem Vorsitzenden Vahlteich ausgesprochen wurde, wie es vor allen Dingen
darauf ankäme, alle Sondcrinteressen ruhen zu lassen, deren Hervorhebung
möglicherweise einen Theil der liberalen Partei zurückschrecken könnte, und in
jeder Beziehung Hand in Hand mit der Fortschrittspartei die gemeinsamen
Ziele zu verfolgen. Heute versetzt dieselben guten Jungen die bloße Nennung
der Fortschrittspartei in einen Seelenzustand, der sich nur mit dem Verdruß
des Puters vergleichen läßt, welchem man ein rothes Tuch vorhält.

In jener Versammlung wurde ferner daran erinnert, daß von den Versamm¬
lungen der Nationalpartei in Weimar und Coburg die deutsche Reichsverfassung
als zu erstrebendes Ziel aufgestellt worden sei, und daß unter deren Herrschaft
auch die Sonderintcressen der Arbeiter Förderung erfahren würden. Die durch
die Arbeiter gestärkte Fortschrittspartei werde ihr Ziel eher erreichen. Ja man
wählte im Verlause der Versammlung zwei Deputirte, die Herren Schuhmacher
Vahlteich und Cigarrenmacher Fritsche, welche in Berlin erklären sollten, man
nehme das berliner Programm mit Ausnahme des Punktes, welcher die In¬
dustrieausstellung in Berlin betreffe, an, vor allen Dingen aber den Auftrag
erhielten, mit den berliner Arbeitern sich dahin zu verständigen, daß der engste
Anschluß an die Fortschrittspartei zu bewirken sei, wodurch man hoffe, die


Grenzboten II. 1S63. 37
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188320"/>
            <p xml:id="ID_942" prev="#ID_941"> richten von Berlin ein, welche, sei es mit oder ohne Grund, denselben als ein<lb/>
erkauftes Werkzeug der Reaction darstellten, dessen Aufgabe es sei, die Arbeiter zu<lb/>
unbedachten Schritten zu verleiten und sie andrerseits mit der liberalen Partei<lb/>
zu verfeinden. Wenn man damals Herrn Eichler in der betreffenden Conn«Murg<lb/>
diese Beschuldigung mit der Miene sittlicher Entrüstung entgegenhielt, so hätte<lb/>
man sich das nach dem ferneren Verlaufe der Dinge sparen können. Denn einer¬<lb/>
seits hat man bald nachher seine Feindschaft gegen die liberale Partei mit allein<lb/>
Pomp proclamirt, und andrerseits ist Eichler ein entschiedener Junger Lassalles,<lb/>
nur etwas glücklicher als dieser, da er bereits erfolgreiche Schritte zur Ver¬<lb/>
wirklichung lassallscher Pläne mittelst einer Arbeitercolonie am Plötzensee bei<lb/>
dem Ministerium gethan hat. Nach Beseitigung Eichlers durch die Leipziger war<lb/>
für diese nur noch nöthig, nach Berlin zu gehen, dort sich persönlich vorzustellen<lb/>
und sich ein Vertrauensvotum zu holen. Zu diesem Ende wurde eine zweite<lb/>
Arbciterversammlung angesetzt, in welcher das Comite zunächst mittheilte, daß<lb/>
Nürnberg sich nicht füge, sondern den Kongreß dort am 1. November abhalten<lb/>
werde, den man indeß unter jetzt obwaltenden Umständen nur als eine Vor¬<lb/>
versammlung ansehen dürfe. Ferner erklärte das leipziger Comite-, daß der<lb/>
hier anwesend gewesene berliner Abgesandte Eichler fremden Einflüssen folge,<lb/>
und man daher das berliner Programm nur dann annehmen könne, wenn die<lb/>
Leitung des Congresses vollständig in die Hände des leipziger Comites über¬<lb/>
ginge und derselbe bis Januar 1863 hinausgeschoben werde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_943"> Bemerkenswerth ist für die spätere Stellung derselben Herren, daß von<lb/>
dem Vorsitzenden Vahlteich ausgesprochen wurde, wie es vor allen Dingen<lb/>
darauf ankäme, alle Sondcrinteressen ruhen zu lassen, deren Hervorhebung<lb/>
möglicherweise einen Theil der liberalen Partei zurückschrecken könnte, und in<lb/>
jeder Beziehung Hand in Hand mit der Fortschrittspartei die gemeinsamen<lb/>
Ziele zu verfolgen. Heute versetzt dieselben guten Jungen die bloße Nennung<lb/>
der Fortschrittspartei in einen Seelenzustand, der sich nur mit dem Verdruß<lb/>
des Puters vergleichen läßt, welchem man ein rothes Tuch vorhält.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_944" next="#ID_945"> In jener Versammlung wurde ferner daran erinnert, daß von den Versamm¬<lb/>
lungen der Nationalpartei in Weimar und Coburg die deutsche Reichsverfassung<lb/>
als zu erstrebendes Ziel aufgestellt worden sei, und daß unter deren Herrschaft<lb/>
auch die Sonderintcressen der Arbeiter Förderung erfahren würden. Die durch<lb/>
die Arbeiter gestärkte Fortschrittspartei werde ihr Ziel eher erreichen. Ja man<lb/>
wählte im Verlause der Versammlung zwei Deputirte, die Herren Schuhmacher<lb/>
Vahlteich und Cigarrenmacher Fritsche, welche in Berlin erklären sollten, man<lb/>
nehme das berliner Programm mit Ausnahme des Punktes, welcher die In¬<lb/>
dustrieausstellung in Berlin betreffe, an, vor allen Dingen aber den Auftrag<lb/>
erhielten, mit den berliner Arbeitern sich dahin zu verständigen, daß der engste<lb/>
Anschluß an die Fortschrittspartei zu bewirken sei, wodurch man hoffe, die</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1S63. 37</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0293] richten von Berlin ein, welche, sei es mit oder ohne Grund, denselben als ein erkauftes Werkzeug der Reaction darstellten, dessen Aufgabe es sei, die Arbeiter zu unbedachten Schritten zu verleiten und sie andrerseits mit der liberalen Partei zu verfeinden. Wenn man damals Herrn Eichler in der betreffenden Conn«Murg diese Beschuldigung mit der Miene sittlicher Entrüstung entgegenhielt, so hätte man sich das nach dem ferneren Verlaufe der Dinge sparen können. Denn einer¬ seits hat man bald nachher seine Feindschaft gegen die liberale Partei mit allein Pomp proclamirt, und andrerseits ist Eichler ein entschiedener Junger Lassalles, nur etwas glücklicher als dieser, da er bereits erfolgreiche Schritte zur Ver¬ wirklichung lassallscher Pläne mittelst einer Arbeitercolonie am Plötzensee bei dem Ministerium gethan hat. Nach Beseitigung Eichlers durch die Leipziger war für diese nur noch nöthig, nach Berlin zu gehen, dort sich persönlich vorzustellen und sich ein Vertrauensvotum zu holen. Zu diesem Ende wurde eine zweite Arbciterversammlung angesetzt, in welcher das Comite zunächst mittheilte, daß Nürnberg sich nicht füge, sondern den Kongreß dort am 1. November abhalten werde, den man indeß unter jetzt obwaltenden Umständen nur als eine Vor¬ versammlung ansehen dürfe. Ferner erklärte das leipziger Comite-, daß der hier anwesend gewesene berliner Abgesandte Eichler fremden Einflüssen folge, und man daher das berliner Programm nur dann annehmen könne, wenn die Leitung des Congresses vollständig in die Hände des leipziger Comites über¬ ginge und derselbe bis Januar 1863 hinausgeschoben werde. Bemerkenswerth ist für die spätere Stellung derselben Herren, daß von dem Vorsitzenden Vahlteich ausgesprochen wurde, wie es vor allen Dingen darauf ankäme, alle Sondcrinteressen ruhen zu lassen, deren Hervorhebung möglicherweise einen Theil der liberalen Partei zurückschrecken könnte, und in jeder Beziehung Hand in Hand mit der Fortschrittspartei die gemeinsamen Ziele zu verfolgen. Heute versetzt dieselben guten Jungen die bloße Nennung der Fortschrittspartei in einen Seelenzustand, der sich nur mit dem Verdruß des Puters vergleichen läßt, welchem man ein rothes Tuch vorhält. In jener Versammlung wurde ferner daran erinnert, daß von den Versamm¬ lungen der Nationalpartei in Weimar und Coburg die deutsche Reichsverfassung als zu erstrebendes Ziel aufgestellt worden sei, und daß unter deren Herrschaft auch die Sonderintcressen der Arbeiter Förderung erfahren würden. Die durch die Arbeiter gestärkte Fortschrittspartei werde ihr Ziel eher erreichen. Ja man wählte im Verlause der Versammlung zwei Deputirte, die Herren Schuhmacher Vahlteich und Cigarrenmacher Fritsche, welche in Berlin erklären sollten, man nehme das berliner Programm mit Ausnahme des Punktes, welcher die In¬ dustrieausstellung in Berlin betreffe, an, vor allen Dingen aber den Auftrag erhielten, mit den berliner Arbeitern sich dahin zu verständigen, daß der engste Anschluß an die Fortschrittspartei zu bewirken sei, wodurch man hoffe, die Grenzboten II. 1S63. 37

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/293
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/293>, abgerufen am 27.09.2024.