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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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fahrzeuge ohne Dielen. So heißt es im Kriege mit Antiochus von Syrien bei
Livius: "Livius segelte mit achtzig bedeckten Schiffen und außerdem vielen klei¬
neren, die entweder offen und mit Schnäbeln versehen oder Wachschiffe ohne
Schnäbel waren, nach Delos über." Zu Ciceros Zeit hatte eine Mische
Flotte unter sieben Schiffen nur einen Vicrdecker aus Centupirä, der ein Ver¬
deck führte. Mit dem Aufenthalt in einem unverdeckter Schiffe mag es mißlich
genug ausgesehen haben, und es kommt uns fast komisch vor, beim Redner
AntiPhon die Stelle zu lesen: "Das Schiff, in welchem wir fuhren, war un-
verdeckt; dasjenige, in welches wir übersiedelten, mit Verdeck versehen; es hatte
aber des Regens wegen ein Verdeck." Von der Einrichtung des Innern. von
einer Eintheilung in Kajüten, hören wir in früherer Zeit nichts. Nur von
Alcibiades erwähnt es beiläufig Plutarch unter dem Fehlerregister als ein
Zeichen der Verweichlichung, daß derselbe, um zur See sanfter zu schlafen, die
Wände in seinem Schiffe habe durchbohren lassen, damit sein Bett nicht aus
den harten Brettern gelegen, sondern in Riemen gehangen habe! Da Plutarch
dies tadelt, bekommt man keinen hohen Begriff von dem Schiffscomfvrt seiner
Zeit, wenn auch sein Zeitgenosse Lucian bei Beschreibung des alcxandriner
Kauffcchrcrs Wohnzimmer im Hintertheile erwähnt und sich bereits vierhundert
Jahre früher auf dem wirklichen Dreidcckcr des Königs Hieron Wohnungen
für die Matrosen und die SchiffSsvldalen, Pferdeställe, Küchen und sogar eine
Bibliothek im Mitteldecke befunden hatten. Aber die mit Kajüten versehenen
Schiffe hielt man in Griechenland und Rom für übertriebenen Luxus, für
Spiclwerke. Am deutlichsten erhellt diese Ansicht aus Senecas Schrift über
die Wohlthaten, wo es heißt: "Einem Menschen, dem ich keine Dreidecker und
^beschlagenen Schiffe senden würde, werde ich zum Vergnügen dienende (wso-
i'las) und mit Zimmern ausgestattete (cubieu1c>.t>a,8) schicken und anderes Spiel-
Zeug von Königen, die ihren Muthwillen am Meere auslassen." Der einzige
Drt auf dem Verdecke, der einigen Schutz gewährte und dem Steuermann und
Schiffsherrn zum Aufenthalt diente, ist eine öfter auf Bildwerken vorkommende,
°ben runde, vorn offene Cabine auf dem Hinterdeck. Von dem eigentlichen
Schiffsgeräthe sei noch des Ankers gedacht, nach Plinius eine Erfindung des
Thrrheners Eupalamus. Er soll früher blos einarmig gewesen sein, aber schon
der Scythe Anacharsis den andern Arm hinzugefügt haben. Verschiedene
Münzen Italiens zeigen den Anker bereits vollständig, mit Querholz und spitzen
Schaufeln. Die Ankertaue liefen übrigens durch die für die beiden Steuer¬
nder am Hintertheil befindlichen Löcher. Auch das Senkblei war den Alten
'"ehe unbekannt, und der Schifsslcitcrn wird oft gedacht. Endlich wurden die
Schiffe äußerlich durch starke Taue umgürtet, um ihre Flanken gegen allzu¬
deftigen Wogenschlag zu sichern: ein Verfahren, auf welches man in neuerer Zeit
bei stark mitgenommenen Fahrzeugen mit Erfolg zurückgekommen ist. Die Tn-


Grenzboten II. 1863.

fahrzeuge ohne Dielen. So heißt es im Kriege mit Antiochus von Syrien bei
Livius: „Livius segelte mit achtzig bedeckten Schiffen und außerdem vielen klei¬
neren, die entweder offen und mit Schnäbeln versehen oder Wachschiffe ohne
Schnäbel waren, nach Delos über." Zu Ciceros Zeit hatte eine Mische
Flotte unter sieben Schiffen nur einen Vicrdecker aus Centupirä, der ein Ver¬
deck führte. Mit dem Aufenthalt in einem unverdeckter Schiffe mag es mißlich
genug ausgesehen haben, und es kommt uns fast komisch vor, beim Redner
AntiPhon die Stelle zu lesen: „Das Schiff, in welchem wir fuhren, war un-
verdeckt; dasjenige, in welches wir übersiedelten, mit Verdeck versehen; es hatte
aber des Regens wegen ein Verdeck." Von der Einrichtung des Innern. von
einer Eintheilung in Kajüten, hören wir in früherer Zeit nichts. Nur von
Alcibiades erwähnt es beiläufig Plutarch unter dem Fehlerregister als ein
Zeichen der Verweichlichung, daß derselbe, um zur See sanfter zu schlafen, die
Wände in seinem Schiffe habe durchbohren lassen, damit sein Bett nicht aus
den harten Brettern gelegen, sondern in Riemen gehangen habe! Da Plutarch
dies tadelt, bekommt man keinen hohen Begriff von dem Schiffscomfvrt seiner
Zeit, wenn auch sein Zeitgenosse Lucian bei Beschreibung des alcxandriner
Kauffcchrcrs Wohnzimmer im Hintertheile erwähnt und sich bereits vierhundert
Jahre früher auf dem wirklichen Dreidcckcr des Königs Hieron Wohnungen
für die Matrosen und die SchiffSsvldalen, Pferdeställe, Küchen und sogar eine
Bibliothek im Mitteldecke befunden hatten. Aber die mit Kajüten versehenen
Schiffe hielt man in Griechenland und Rom für übertriebenen Luxus, für
Spiclwerke. Am deutlichsten erhellt diese Ansicht aus Senecas Schrift über
die Wohlthaten, wo es heißt: „Einem Menschen, dem ich keine Dreidecker und
^beschlagenen Schiffe senden würde, werde ich zum Vergnügen dienende (wso-
i'las) und mit Zimmern ausgestattete (cubieu1c>.t>a,8) schicken und anderes Spiel-
Zeug von Königen, die ihren Muthwillen am Meere auslassen." Der einzige
Drt auf dem Verdecke, der einigen Schutz gewährte und dem Steuermann und
Schiffsherrn zum Aufenthalt diente, ist eine öfter auf Bildwerken vorkommende,
°ben runde, vorn offene Cabine auf dem Hinterdeck. Von dem eigentlichen
Schiffsgeräthe sei noch des Ankers gedacht, nach Plinius eine Erfindung des
Thrrheners Eupalamus. Er soll früher blos einarmig gewesen sein, aber schon
der Scythe Anacharsis den andern Arm hinzugefügt haben. Verschiedene
Münzen Italiens zeigen den Anker bereits vollständig, mit Querholz und spitzen
Schaufeln. Die Ankertaue liefen übrigens durch die für die beiden Steuer¬
nder am Hintertheil befindlichen Löcher. Auch das Senkblei war den Alten
'"ehe unbekannt, und der Schifsslcitcrn wird oft gedacht. Endlich wurden die
Schiffe äußerlich durch starke Taue umgürtet, um ihre Flanken gegen allzu¬
deftigen Wogenschlag zu sichern: ein Verfahren, auf welches man in neuerer Zeit
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[0029] fahrzeuge ohne Dielen. So heißt es im Kriege mit Antiochus von Syrien bei Livius: „Livius segelte mit achtzig bedeckten Schiffen und außerdem vielen klei¬ neren, die entweder offen und mit Schnäbeln versehen oder Wachschiffe ohne Schnäbel waren, nach Delos über." Zu Ciceros Zeit hatte eine Mische Flotte unter sieben Schiffen nur einen Vicrdecker aus Centupirä, der ein Ver¬ deck führte. Mit dem Aufenthalt in einem unverdeckter Schiffe mag es mißlich genug ausgesehen haben, und es kommt uns fast komisch vor, beim Redner AntiPhon die Stelle zu lesen: „Das Schiff, in welchem wir fuhren, war un- verdeckt; dasjenige, in welches wir übersiedelten, mit Verdeck versehen; es hatte aber des Regens wegen ein Verdeck." Von der Einrichtung des Innern. von einer Eintheilung in Kajüten, hören wir in früherer Zeit nichts. Nur von Alcibiades erwähnt es beiläufig Plutarch unter dem Fehlerregister als ein Zeichen der Verweichlichung, daß derselbe, um zur See sanfter zu schlafen, die Wände in seinem Schiffe habe durchbohren lassen, damit sein Bett nicht aus den harten Brettern gelegen, sondern in Riemen gehangen habe! Da Plutarch dies tadelt, bekommt man keinen hohen Begriff von dem Schiffscomfvrt seiner Zeit, wenn auch sein Zeitgenosse Lucian bei Beschreibung des alcxandriner Kauffcchrcrs Wohnzimmer im Hintertheile erwähnt und sich bereits vierhundert Jahre früher auf dem wirklichen Dreidcckcr des Königs Hieron Wohnungen für die Matrosen und die SchiffSsvldalen, Pferdeställe, Küchen und sogar eine Bibliothek im Mitteldecke befunden hatten. Aber die mit Kajüten versehenen Schiffe hielt man in Griechenland und Rom für übertriebenen Luxus, für Spiclwerke. Am deutlichsten erhellt diese Ansicht aus Senecas Schrift über die Wohlthaten, wo es heißt: „Einem Menschen, dem ich keine Dreidecker und ^beschlagenen Schiffe senden würde, werde ich zum Vergnügen dienende (wso- i'las) und mit Zimmern ausgestattete (cubieu1c>.t>a,8) schicken und anderes Spiel- Zeug von Königen, die ihren Muthwillen am Meere auslassen." Der einzige Drt auf dem Verdecke, der einigen Schutz gewährte und dem Steuermann und Schiffsherrn zum Aufenthalt diente, ist eine öfter auf Bildwerken vorkommende, °ben runde, vorn offene Cabine auf dem Hinterdeck. Von dem eigentlichen Schiffsgeräthe sei noch des Ankers gedacht, nach Plinius eine Erfindung des Thrrheners Eupalamus. Er soll früher blos einarmig gewesen sein, aber schon der Scythe Anacharsis den andern Arm hinzugefügt haben. Verschiedene Münzen Italiens zeigen den Anker bereits vollständig, mit Querholz und spitzen Schaufeln. Die Ankertaue liefen übrigens durch die für die beiden Steuer¬ nder am Hintertheil befindlichen Löcher. Auch das Senkblei war den Alten '"ehe unbekannt, und der Schifsslcitcrn wird oft gedacht. Endlich wurden die Schiffe äußerlich durch starke Taue umgürtet, um ihre Flanken gegen allzu¬ deftigen Wogenschlag zu sichern: ein Verfahren, auf welches man in neuerer Zeit bei stark mitgenommenen Fahrzeugen mit Erfolg zurückgekommen ist. Die Tn- Grenzboten II. 1863.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/29>, abgerufen am 27.09.2024.