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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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der Stadt und derselben noch nahe genug, um nötigenfalls diese selbst bom-
bardiren zu können. Diese Forts sind zusammen mit dreihundert Geschützen
armirt und decken sich gegenseitig. Sie bestehen aus Mauerwerk mit einer
Brustwehr von Erde ohne Schießscharten (d. h. die Geschütze schießen über Bank)
und alle fünf sind kreisförmig und fast gleich groß. Nach ihrem Aeußern zu
urtheilen, sind sie nicht über fünfzig Jahre alt, doch habe ich nicht erfahren
können, wann sie gebaut wurden. Man sagt, die Japanesen haben russische
Ingenieure dabei gehabt. Dies bezweifle ich. Aber wenn es wahr ist, so
haben die Russen daran gedacht, daß sie über kurz oder lang selbst in den Fall
kommen könnten, die Forts zu erobern, und sie für diesen Zweck eingerichtet.
Von Außen sehen sie furchtbar genug aus, hat man sie jedoch in der Nähe
betrachtet, so wird ein muthiger Mann sich keinen Augenblick besinnen, sie mit
ein paar hundert Leuten anzugreifen und in wenigen Stunden alle fünf zu
nehmen. Die Eingänge öffnen sich sämmtlich nach Norden. Ein hölzernes
Thor verschließt sie, und sie führen ohne Zugbrücke oder Graben direct ins
Innere. Vom Thor leitet ein circa fünfzig Fuß langer und zwölf Fuß breiter
Steindamm in das Wasser, an dem zehn Boote zu gleicher Zeit anlegen und
mehre hundert Mann nebst Artillerie ausschiffen können. Dies kann in dunk¬
ler Nacht geschehen, ohne daß es von den Forts bemerkt wird, und sollte es
auch bemerkt werden, so läßt es sich von Seiten der Besatzung nicht hindern,
da die Angreifer bis dicht unter die hohen Mauern rudern können und dann
sowohl gegen Geschütz- als Gewehrfeuer geschützt sind, während eine ihrer
zwölfpfündigen Bootskanonen sofort den Ichwachen Kehlverschluß zu sprengen
und ihnen den directen Marsch ins Innere der Forts zu erzwingen vermag.
Als während unsrer Anwesenheit sich eine Zeit lang die Verhältnisse sür die
Fremden so drohend gestalteten, daß alle Gesandten mit Ausnahme des preu¬
ßischen und des amerikanischen Jeddo verließen und man nach der Ermordung
des amerikanischen Legationssecretärs Heusler. unsres Dolmetschers, eine all¬
gemeine Niedermetzelung der Europäer erwartete, lag es im Plane der auf der
Rhede liegenden Kriegsschiffe, bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses sofort
aus jene Weise die Forts zu erstürmen und dadurch ganz Jeddo in die Hand
zu bekommen."

Wir kommen zum Schluß. Als im Jahre 1640 nach Erstürmung von
Simabara die letzten Christen in Japan in einer großen Metzelei durch die
Truppen des Tellur ausgerottet und alle Spuren des früher so weit verbrei¬
teten Einflusses der Portugiesen grausam vernichtet waren, errichtete das trium-
Phirende Japan über dem gemeinschaftlichen Grabe der Getödteten eine Denk¬
säule mit folgender frevelhaft stolzen Inschrift:

"So lange die Sonne die Erde erwärmen wird, möge kein Christ so kühn
sein,, nach Japan zu kommen, und sei es Allen kund und zu wissen, daß selbst


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der Stadt und derselben noch nahe genug, um nötigenfalls diese selbst bom-
bardiren zu können. Diese Forts sind zusammen mit dreihundert Geschützen
armirt und decken sich gegenseitig. Sie bestehen aus Mauerwerk mit einer
Brustwehr von Erde ohne Schießscharten (d. h. die Geschütze schießen über Bank)
und alle fünf sind kreisförmig und fast gleich groß. Nach ihrem Aeußern zu
urtheilen, sind sie nicht über fünfzig Jahre alt, doch habe ich nicht erfahren
können, wann sie gebaut wurden. Man sagt, die Japanesen haben russische
Ingenieure dabei gehabt. Dies bezweifle ich. Aber wenn es wahr ist, so
haben die Russen daran gedacht, daß sie über kurz oder lang selbst in den Fall
kommen könnten, die Forts zu erobern, und sie für diesen Zweck eingerichtet.
Von Außen sehen sie furchtbar genug aus, hat man sie jedoch in der Nähe
betrachtet, so wird ein muthiger Mann sich keinen Augenblick besinnen, sie mit
ein paar hundert Leuten anzugreifen und in wenigen Stunden alle fünf zu
nehmen. Die Eingänge öffnen sich sämmtlich nach Norden. Ein hölzernes
Thor verschließt sie, und sie führen ohne Zugbrücke oder Graben direct ins
Innere. Vom Thor leitet ein circa fünfzig Fuß langer und zwölf Fuß breiter
Steindamm in das Wasser, an dem zehn Boote zu gleicher Zeit anlegen und
mehre hundert Mann nebst Artillerie ausschiffen können. Dies kann in dunk¬
ler Nacht geschehen, ohne daß es von den Forts bemerkt wird, und sollte es
auch bemerkt werden, so läßt es sich von Seiten der Besatzung nicht hindern,
da die Angreifer bis dicht unter die hohen Mauern rudern können und dann
sowohl gegen Geschütz- als Gewehrfeuer geschützt sind, während eine ihrer
zwölfpfündigen Bootskanonen sofort den Ichwachen Kehlverschluß zu sprengen
und ihnen den directen Marsch ins Innere der Forts zu erzwingen vermag.
Als während unsrer Anwesenheit sich eine Zeit lang die Verhältnisse sür die
Fremden so drohend gestalteten, daß alle Gesandten mit Ausnahme des preu¬
ßischen und des amerikanischen Jeddo verließen und man nach der Ermordung
des amerikanischen Legationssecretärs Heusler. unsres Dolmetschers, eine all¬
gemeine Niedermetzelung der Europäer erwartete, lag es im Plane der auf der
Rhede liegenden Kriegsschiffe, bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses sofort
aus jene Weise die Forts zu erstürmen und dadurch ganz Jeddo in die Hand
zu bekommen."

Wir kommen zum Schluß. Als im Jahre 1640 nach Erstürmung von
Simabara die letzten Christen in Japan in einer großen Metzelei durch die
Truppen des Tellur ausgerottet und alle Spuren des früher so weit verbrei¬
teten Einflusses der Portugiesen grausam vernichtet waren, errichtete das trium-
Phirende Japan über dem gemeinschaftlichen Grabe der Getödteten eine Denk¬
säule mit folgender frevelhaft stolzen Inschrift:

„So lange die Sonne die Erde erwärmen wird, möge kein Christ so kühn
sein,, nach Japan zu kommen, und sei es Allen kund und zu wissen, daß selbst


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[0279] der Stadt und derselben noch nahe genug, um nötigenfalls diese selbst bom- bardiren zu können. Diese Forts sind zusammen mit dreihundert Geschützen armirt und decken sich gegenseitig. Sie bestehen aus Mauerwerk mit einer Brustwehr von Erde ohne Schießscharten (d. h. die Geschütze schießen über Bank) und alle fünf sind kreisförmig und fast gleich groß. Nach ihrem Aeußern zu urtheilen, sind sie nicht über fünfzig Jahre alt, doch habe ich nicht erfahren können, wann sie gebaut wurden. Man sagt, die Japanesen haben russische Ingenieure dabei gehabt. Dies bezweifle ich. Aber wenn es wahr ist, so haben die Russen daran gedacht, daß sie über kurz oder lang selbst in den Fall kommen könnten, die Forts zu erobern, und sie für diesen Zweck eingerichtet. Von Außen sehen sie furchtbar genug aus, hat man sie jedoch in der Nähe betrachtet, so wird ein muthiger Mann sich keinen Augenblick besinnen, sie mit ein paar hundert Leuten anzugreifen und in wenigen Stunden alle fünf zu nehmen. Die Eingänge öffnen sich sämmtlich nach Norden. Ein hölzernes Thor verschließt sie, und sie führen ohne Zugbrücke oder Graben direct ins Innere. Vom Thor leitet ein circa fünfzig Fuß langer und zwölf Fuß breiter Steindamm in das Wasser, an dem zehn Boote zu gleicher Zeit anlegen und mehre hundert Mann nebst Artillerie ausschiffen können. Dies kann in dunk¬ ler Nacht geschehen, ohne daß es von den Forts bemerkt wird, und sollte es auch bemerkt werden, so läßt es sich von Seiten der Besatzung nicht hindern, da die Angreifer bis dicht unter die hohen Mauern rudern können und dann sowohl gegen Geschütz- als Gewehrfeuer geschützt sind, während eine ihrer zwölfpfündigen Bootskanonen sofort den Ichwachen Kehlverschluß zu sprengen und ihnen den directen Marsch ins Innere der Forts zu erzwingen vermag. Als während unsrer Anwesenheit sich eine Zeit lang die Verhältnisse sür die Fremden so drohend gestalteten, daß alle Gesandten mit Ausnahme des preu¬ ßischen und des amerikanischen Jeddo verließen und man nach der Ermordung des amerikanischen Legationssecretärs Heusler. unsres Dolmetschers, eine all¬ gemeine Niedermetzelung der Europäer erwartete, lag es im Plane der auf der Rhede liegenden Kriegsschiffe, bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses sofort aus jene Weise die Forts zu erstürmen und dadurch ganz Jeddo in die Hand zu bekommen." Wir kommen zum Schluß. Als im Jahre 1640 nach Erstürmung von Simabara die letzten Christen in Japan in einer großen Metzelei durch die Truppen des Tellur ausgerottet und alle Spuren des früher so weit verbrei¬ teten Einflusses der Portugiesen grausam vernichtet waren, errichtete das trium- Phirende Japan über dem gemeinschaftlichen Grabe der Getödteten eine Denk¬ säule mit folgender frevelhaft stolzen Inschrift: „So lange die Sonne die Erde erwärmen wird, möge kein Christ so kühn sein,, nach Japan zu kommen, und sei es Allen kund und zu wissen, daß selbst 35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/279>, abgerufen am 27.09.2024.