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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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hinreichende Klugheit, um Alles aufzugeben, was nur eine Konsequenz dieser
Politik gewesen war. Zunächst gestattete man den Japanesen, Schiffe nach
europäischem Modell zu bauen, dann geschah dies von Seiten der Regierung
selbst. Die Minister begriffen, daß jener Vertrag nur der Vorläufer vieler
andern sein, daß Japan in die Reihe der Seehandelsstaaten eintreten, und daß
sein Handel dann den Schutz einer Kriegsflotte bedürfen werde.

Schon 1866 begann man in Japan Fregatten zu bauen, zunächst, drei.
Nichts wurde gespart, das schönste Holz, das beste Metall dazu verwendet, die
tüchtigsten Baumeister dazu ausgesucht, und nach zwei Jahren schwammen die
neuen mächtigen Schiffe stolz auf dem Wasser. Nur ein Fehler war daran zu
finden, aber freilich ein großer. Da den Baumeistern kein europäisches Modell
> zu Gebote stand, suchten sie Ersatz in Zeichnungen, und diese fanden sich auf
einer der öffentlichen Bibliotheken in einem russischen Werke über Schiffsbau¬
kunst sehr genau und ins Einzelne gehend. Alle Schwierigkeiten schienen damit
gehoben, die Fregatten entstanden als getreue Abbilder der Zeichnungen.
Aber diese Zeichnungen waren aus der Zeit Peters des Großen, und so sahen
die Europäer eines Tages plötzlich drei höchst wundersame Fahrzeuge in der
Bucht von Nangasaki erscheinen, Schiffe, wie man sie vor hundert Jahren
schon in Europa nicht mehr geschaut hatte.

Die Negierung ließ sich durch diesen ersten Mißerfolg nicht abschrecken.
Holland und England lieferten, indem sie als Zugabe zum Vertrage jedes einen
Kriegsdampfer schenkten, Modelle. Man verschrieb Maschinen aus Europa,
und nach Verlauf von abermals zwei Jahren erschienen unter der rothen Flagge
mit der weißen Kugel zwei treffliche neue Kriegsdampfcr, bemannt mit wohl-
geübten einheimischen Matrosen auf der Rhede von Jeddo. Das Lob, das
dieselben ernteten, ermunterte zu energischem Weiterschreiten. Man besorgte sich
von Holland Ingenieure zum Bau einer Maschinenfabrik in Hakanora bei Nan¬
gasaki, 1860 im Herbst war diese im Gange, und 1861 hatte sie bereits eine
Dampfmaschine für eine Corvette sowie eine zweite für eine schwere Fregatte,
deren Hölzer schon behauen wurden, fertig gebracht.

Jedenfalls ist es Japan vorbehalten, in nicht ferner Zeit in maritimer Be¬
ziehung eine Rolle zu spielen. Jetzt freilich hat seine neue Seemacht noch
nicht einmal der kleinsten europäischen gegenüber Bedeutung. Und ebenso wenig
würden die Befestigungen, welche die Hafenstädte und namentlich Jeddo gegen
Angriffe zu Wasser schützen sollen, auch nur ein kleines europäisches Geschwader
abhalten können, jene einzunehmen oder doch zu zerstören. Die fünf Forts,
welche Jeddo auf der Wasserseite vertheidigen, können einer Flotte von größeren
Kriegsschiffen europäischer Construction keinen vollen Tag Widerstand leisten.
Unser Berichterstatter äußert sich über sie sogar noch geringschätziger. Er sagt:

,,Sie liegen auf aufgeschütteten Inseln in einer Ost- und Westlinie vor


hinreichende Klugheit, um Alles aufzugeben, was nur eine Konsequenz dieser
Politik gewesen war. Zunächst gestattete man den Japanesen, Schiffe nach
europäischem Modell zu bauen, dann geschah dies von Seiten der Regierung
selbst. Die Minister begriffen, daß jener Vertrag nur der Vorläufer vieler
andern sein, daß Japan in die Reihe der Seehandelsstaaten eintreten, und daß
sein Handel dann den Schutz einer Kriegsflotte bedürfen werde.

Schon 1866 begann man in Japan Fregatten zu bauen, zunächst, drei.
Nichts wurde gespart, das schönste Holz, das beste Metall dazu verwendet, die
tüchtigsten Baumeister dazu ausgesucht, und nach zwei Jahren schwammen die
neuen mächtigen Schiffe stolz auf dem Wasser. Nur ein Fehler war daran zu
finden, aber freilich ein großer. Da den Baumeistern kein europäisches Modell
> zu Gebote stand, suchten sie Ersatz in Zeichnungen, und diese fanden sich auf
einer der öffentlichen Bibliotheken in einem russischen Werke über Schiffsbau¬
kunst sehr genau und ins Einzelne gehend. Alle Schwierigkeiten schienen damit
gehoben, die Fregatten entstanden als getreue Abbilder der Zeichnungen.
Aber diese Zeichnungen waren aus der Zeit Peters des Großen, und so sahen
die Europäer eines Tages plötzlich drei höchst wundersame Fahrzeuge in der
Bucht von Nangasaki erscheinen, Schiffe, wie man sie vor hundert Jahren
schon in Europa nicht mehr geschaut hatte.

Die Negierung ließ sich durch diesen ersten Mißerfolg nicht abschrecken.
Holland und England lieferten, indem sie als Zugabe zum Vertrage jedes einen
Kriegsdampfer schenkten, Modelle. Man verschrieb Maschinen aus Europa,
und nach Verlauf von abermals zwei Jahren erschienen unter der rothen Flagge
mit der weißen Kugel zwei treffliche neue Kriegsdampfcr, bemannt mit wohl-
geübten einheimischen Matrosen auf der Rhede von Jeddo. Das Lob, das
dieselben ernteten, ermunterte zu energischem Weiterschreiten. Man besorgte sich
von Holland Ingenieure zum Bau einer Maschinenfabrik in Hakanora bei Nan¬
gasaki, 1860 im Herbst war diese im Gange, und 1861 hatte sie bereits eine
Dampfmaschine für eine Corvette sowie eine zweite für eine schwere Fregatte,
deren Hölzer schon behauen wurden, fertig gebracht.

Jedenfalls ist es Japan vorbehalten, in nicht ferner Zeit in maritimer Be¬
ziehung eine Rolle zu spielen. Jetzt freilich hat seine neue Seemacht noch
nicht einmal der kleinsten europäischen gegenüber Bedeutung. Und ebenso wenig
würden die Befestigungen, welche die Hafenstädte und namentlich Jeddo gegen
Angriffe zu Wasser schützen sollen, auch nur ein kleines europäisches Geschwader
abhalten können, jene einzunehmen oder doch zu zerstören. Die fünf Forts,
welche Jeddo auf der Wasserseite vertheidigen, können einer Flotte von größeren
Kriegsschiffen europäischer Construction keinen vollen Tag Widerstand leisten.
Unser Berichterstatter äußert sich über sie sogar noch geringschätziger. Er sagt:

,,Sie liegen auf aufgeschütteten Inseln in einer Ost- und Westlinie vor


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[0278] hinreichende Klugheit, um Alles aufzugeben, was nur eine Konsequenz dieser Politik gewesen war. Zunächst gestattete man den Japanesen, Schiffe nach europäischem Modell zu bauen, dann geschah dies von Seiten der Regierung selbst. Die Minister begriffen, daß jener Vertrag nur der Vorläufer vieler andern sein, daß Japan in die Reihe der Seehandelsstaaten eintreten, und daß sein Handel dann den Schutz einer Kriegsflotte bedürfen werde. Schon 1866 begann man in Japan Fregatten zu bauen, zunächst, drei. Nichts wurde gespart, das schönste Holz, das beste Metall dazu verwendet, die tüchtigsten Baumeister dazu ausgesucht, und nach zwei Jahren schwammen die neuen mächtigen Schiffe stolz auf dem Wasser. Nur ein Fehler war daran zu finden, aber freilich ein großer. Da den Baumeistern kein europäisches Modell > zu Gebote stand, suchten sie Ersatz in Zeichnungen, und diese fanden sich auf einer der öffentlichen Bibliotheken in einem russischen Werke über Schiffsbau¬ kunst sehr genau und ins Einzelne gehend. Alle Schwierigkeiten schienen damit gehoben, die Fregatten entstanden als getreue Abbilder der Zeichnungen. Aber diese Zeichnungen waren aus der Zeit Peters des Großen, und so sahen die Europäer eines Tages plötzlich drei höchst wundersame Fahrzeuge in der Bucht von Nangasaki erscheinen, Schiffe, wie man sie vor hundert Jahren schon in Europa nicht mehr geschaut hatte. Die Negierung ließ sich durch diesen ersten Mißerfolg nicht abschrecken. Holland und England lieferten, indem sie als Zugabe zum Vertrage jedes einen Kriegsdampfer schenkten, Modelle. Man verschrieb Maschinen aus Europa, und nach Verlauf von abermals zwei Jahren erschienen unter der rothen Flagge mit der weißen Kugel zwei treffliche neue Kriegsdampfcr, bemannt mit wohl- geübten einheimischen Matrosen auf der Rhede von Jeddo. Das Lob, das dieselben ernteten, ermunterte zu energischem Weiterschreiten. Man besorgte sich von Holland Ingenieure zum Bau einer Maschinenfabrik in Hakanora bei Nan¬ gasaki, 1860 im Herbst war diese im Gange, und 1861 hatte sie bereits eine Dampfmaschine für eine Corvette sowie eine zweite für eine schwere Fregatte, deren Hölzer schon behauen wurden, fertig gebracht. Jedenfalls ist es Japan vorbehalten, in nicht ferner Zeit in maritimer Be¬ ziehung eine Rolle zu spielen. Jetzt freilich hat seine neue Seemacht noch nicht einmal der kleinsten europäischen gegenüber Bedeutung. Und ebenso wenig würden die Befestigungen, welche die Hafenstädte und namentlich Jeddo gegen Angriffe zu Wasser schützen sollen, auch nur ein kleines europäisches Geschwader abhalten können, jene einzunehmen oder doch zu zerstören. Die fünf Forts, welche Jeddo auf der Wasserseite vertheidigen, können einer Flotte von größeren Kriegsschiffen europäischer Construction keinen vollen Tag Widerstand leisten. Unser Berichterstatter äußert sich über sie sogar noch geringschätziger. Er sagt: ,,Sie liegen auf aufgeschütteten Inseln in einer Ost- und Westlinie vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/278>, abgerufen am 27.09.2024.