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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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verpflichtete sich für die Dauer eines Jahres gegen ausländisches Geld ein glei¬
ches Gewicht japanischen Geldes zu liefern. Weder Name noch Werth der
Münzen war in Betracht gezogen, noch irgend eine Beschränkung, nicht ein¬
mal eine zeit- oder stufenweise, stipulirt. Schlaue Rechner in Amerika und
England entdeckten bald diese Lücke in den Vertragsdocumenten und gelangten
zu dem angenehmen Schluß, daß, wenn sie sich an den Buchstaben und nicht
an den Geist derselben hielten, sie dem Schatz des Tellur einen Dollar, 1
Thaler 13 Silbergroschen, überreichen, dafür fast drei Jtzebus erhalten und für
diese Kobcings einwechseln konnten, welche ihnen also nicht viel über iVs Tha¬
ler kosteten, während sie einen Goldwerth von mehr als 6V2 Thaler hatten.

Die Negierung durchschaute dieses lucrative Geschäft allmälig und traf
dagegen Maßregeln. Sie tauschte nicht nur keine Kobangs mehr aus, sondern
erließ, um die Goldausfuhr zu hindern, ein Edict an ihre Unterthanen, in
welchem denselben befohlen wurde, sämmtliche im Umlauf befindliche Gold¬
münzen gegen Erstattung des landesüblichen Kurses in Silber oder Kupfer ab¬
zuliefern. Das Volk hatte indeß durch seinen kurzen Verkehr mit den Fremden
den Werth des Goldes besser schätzen gelernt und verkaufte seine Kobangs lie¬
ber jenen, welche ihm dafür 20 Procent mehr gaben, als die Negierung.
Letztere hatte sich demnach gründlich verrechnet. Sie würde weit richtiger ver¬
fahren sein, wenn sie den Curs des Goldes erhöht hätte. So aber ging alles
Gold aus dem Lande, die Fremden allein zogen den Nutzen davon, und jetzt
ist in Japan der Kobang fast zur Mythe geworden.

Die Minister des Tellur versuchten nun ihren Verlust auf anderem Wege
wieder einzubringen. Der amerikanische Commodore Perry hatte in seinem Ver¬
trag festgesetzt, daß der mexicanische Dollar als gangbare Münze und zwar
zum Werthe von 1600 Seni oder Cash angenommen werden sollte. In China
rechnet man auf den Dollar, je nach dem Curs, 1000 bis 1200 Cash, und
Perry glaubte deshalb kein übles Geschäft gemacht zu haben. Allein in Japan
sind 1600 Cash nur ein Jtzebu. dessen Silberwerth, wie bemerkt, nur 15
Silbergroschen beträgt, und wenn somit der Dollar dem Jtzebu gleichgestellt
war, so bezahlte jeder, der einen Gegenstand für Dollars kaufte, fast das
Dreifache des eigentlichen Preises. Dabei war an einen Handelsverkehr nicht
zu denken, und so reclamirtcn die Gesandten der Mächte dagegen. Aber Alles,
was sie erreichten, war, daß ihnen, den Consulaten und dem Personal der
Kriegsschiffe gestattet wurde, sich bei den Staatskassen so viele Jtzebus gegen
Dollars einzuwechseln, als sie zu ihrem Bedarf nöthig hätten, und zwar zu
dem Curs von 3 Jtzebus für 1 Dollar mit Abzug von 4 Procent für die Um¬
Prägung. Die Kaufleute blieben von dieser Vergünstigung ausgeschlossen, die
Begünstigten aber legten den Passus "als zu ihrem Bedarf gehörig" unredlich
aus. Es kamen Massen von Dollars aus China, die von den Consulaten


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verpflichtete sich für die Dauer eines Jahres gegen ausländisches Geld ein glei¬
ches Gewicht japanischen Geldes zu liefern. Weder Name noch Werth der
Münzen war in Betracht gezogen, noch irgend eine Beschränkung, nicht ein¬
mal eine zeit- oder stufenweise, stipulirt. Schlaue Rechner in Amerika und
England entdeckten bald diese Lücke in den Vertragsdocumenten und gelangten
zu dem angenehmen Schluß, daß, wenn sie sich an den Buchstaben und nicht
an den Geist derselben hielten, sie dem Schatz des Tellur einen Dollar, 1
Thaler 13 Silbergroschen, überreichen, dafür fast drei Jtzebus erhalten und für
diese Kobcings einwechseln konnten, welche ihnen also nicht viel über iVs Tha¬
ler kosteten, während sie einen Goldwerth von mehr als 6V2 Thaler hatten.

Die Negierung durchschaute dieses lucrative Geschäft allmälig und traf
dagegen Maßregeln. Sie tauschte nicht nur keine Kobangs mehr aus, sondern
erließ, um die Goldausfuhr zu hindern, ein Edict an ihre Unterthanen, in
welchem denselben befohlen wurde, sämmtliche im Umlauf befindliche Gold¬
münzen gegen Erstattung des landesüblichen Kurses in Silber oder Kupfer ab¬
zuliefern. Das Volk hatte indeß durch seinen kurzen Verkehr mit den Fremden
den Werth des Goldes besser schätzen gelernt und verkaufte seine Kobangs lie¬
ber jenen, welche ihm dafür 20 Procent mehr gaben, als die Negierung.
Letztere hatte sich demnach gründlich verrechnet. Sie würde weit richtiger ver¬
fahren sein, wenn sie den Curs des Goldes erhöht hätte. So aber ging alles
Gold aus dem Lande, die Fremden allein zogen den Nutzen davon, und jetzt
ist in Japan der Kobang fast zur Mythe geworden.

Die Minister des Tellur versuchten nun ihren Verlust auf anderem Wege
wieder einzubringen. Der amerikanische Commodore Perry hatte in seinem Ver¬
trag festgesetzt, daß der mexicanische Dollar als gangbare Münze und zwar
zum Werthe von 1600 Seni oder Cash angenommen werden sollte. In China
rechnet man auf den Dollar, je nach dem Curs, 1000 bis 1200 Cash, und
Perry glaubte deshalb kein übles Geschäft gemacht zu haben. Allein in Japan
sind 1600 Cash nur ein Jtzebu. dessen Silberwerth, wie bemerkt, nur 15
Silbergroschen beträgt, und wenn somit der Dollar dem Jtzebu gleichgestellt
war, so bezahlte jeder, der einen Gegenstand für Dollars kaufte, fast das
Dreifache des eigentlichen Preises. Dabei war an einen Handelsverkehr nicht
zu denken, und so reclamirtcn die Gesandten der Mächte dagegen. Aber Alles,
was sie erreichten, war, daß ihnen, den Consulaten und dem Personal der
Kriegsschiffe gestattet wurde, sich bei den Staatskassen so viele Jtzebus gegen
Dollars einzuwechseln, als sie zu ihrem Bedarf nöthig hätten, und zwar zu
dem Curs von 3 Jtzebus für 1 Dollar mit Abzug von 4 Procent für die Um¬
Prägung. Die Kaufleute blieben von dieser Vergünstigung ausgeschlossen, die
Begünstigten aber legten den Passus „als zu ihrem Bedarf gehörig" unredlich
aus. Es kamen Massen von Dollars aus China, die von den Consulaten


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[0271] verpflichtete sich für die Dauer eines Jahres gegen ausländisches Geld ein glei¬ ches Gewicht japanischen Geldes zu liefern. Weder Name noch Werth der Münzen war in Betracht gezogen, noch irgend eine Beschränkung, nicht ein¬ mal eine zeit- oder stufenweise, stipulirt. Schlaue Rechner in Amerika und England entdeckten bald diese Lücke in den Vertragsdocumenten und gelangten zu dem angenehmen Schluß, daß, wenn sie sich an den Buchstaben und nicht an den Geist derselben hielten, sie dem Schatz des Tellur einen Dollar, 1 Thaler 13 Silbergroschen, überreichen, dafür fast drei Jtzebus erhalten und für diese Kobcings einwechseln konnten, welche ihnen also nicht viel über iVs Tha¬ ler kosteten, während sie einen Goldwerth von mehr als 6V2 Thaler hatten. Die Negierung durchschaute dieses lucrative Geschäft allmälig und traf dagegen Maßregeln. Sie tauschte nicht nur keine Kobangs mehr aus, sondern erließ, um die Goldausfuhr zu hindern, ein Edict an ihre Unterthanen, in welchem denselben befohlen wurde, sämmtliche im Umlauf befindliche Gold¬ münzen gegen Erstattung des landesüblichen Kurses in Silber oder Kupfer ab¬ zuliefern. Das Volk hatte indeß durch seinen kurzen Verkehr mit den Fremden den Werth des Goldes besser schätzen gelernt und verkaufte seine Kobangs lie¬ ber jenen, welche ihm dafür 20 Procent mehr gaben, als die Negierung. Letztere hatte sich demnach gründlich verrechnet. Sie würde weit richtiger ver¬ fahren sein, wenn sie den Curs des Goldes erhöht hätte. So aber ging alles Gold aus dem Lande, die Fremden allein zogen den Nutzen davon, und jetzt ist in Japan der Kobang fast zur Mythe geworden. Die Minister des Tellur versuchten nun ihren Verlust auf anderem Wege wieder einzubringen. Der amerikanische Commodore Perry hatte in seinem Ver¬ trag festgesetzt, daß der mexicanische Dollar als gangbare Münze und zwar zum Werthe von 1600 Seni oder Cash angenommen werden sollte. In China rechnet man auf den Dollar, je nach dem Curs, 1000 bis 1200 Cash, und Perry glaubte deshalb kein übles Geschäft gemacht zu haben. Allein in Japan sind 1600 Cash nur ein Jtzebu. dessen Silberwerth, wie bemerkt, nur 15 Silbergroschen beträgt, und wenn somit der Dollar dem Jtzebu gleichgestellt war, so bezahlte jeder, der einen Gegenstand für Dollars kaufte, fast das Dreifache des eigentlichen Preises. Dabei war an einen Handelsverkehr nicht zu denken, und so reclamirtcn die Gesandten der Mächte dagegen. Aber Alles, was sie erreichten, war, daß ihnen, den Consulaten und dem Personal der Kriegsschiffe gestattet wurde, sich bei den Staatskassen so viele Jtzebus gegen Dollars einzuwechseln, als sie zu ihrem Bedarf nöthig hätten, und zwar zu dem Curs von 3 Jtzebus für 1 Dollar mit Abzug von 4 Procent für die Um¬ Prägung. Die Kaufleute blieben von dieser Vergünstigung ausgeschlossen, die Begünstigten aber legten den Passus „als zu ihrem Bedarf gehörig" unredlich aus. Es kamen Massen von Dollars aus China, die von den Consulaten 34*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/271>, abgerufen am 27.09.2024.