Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.Schon unter den alten Juden scheinen Ansätze zu einen Narrenthum, das So spricht man in Palästina und namentlich in dessen Hauptstadt unter Nicht fern von Damaskus liegt in einem malerischen Bergkessel das Städt¬ Grenzboten II. 1S6S. 30
Schon unter den alten Juden scheinen Ansätze zu einen Narrenthum, das So spricht man in Palästina und namentlich in dessen Hauptstadt unter Nicht fern von Damaskus liegt in einem malerischen Bergkessel das Städt¬ Grenzboten II. 1S6S. 30
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188264"/> <p xml:id="ID_751"> Schon unter den alten Juden scheinen Ansätze zu einen Narrenthum, das<lb/> sich auf gewisse Oertlichkeiten beschränkte, vorhanden gewesen zu sein. Simson.<lb/> ein weitläufiger Verwandter des „starken Hans" unserer Märchen, und wie<lb/> dieser halb Gott, halb Eulenspiegel, spielt bestimmten Städten der Philister<lb/> seine Streiche. Galiläa war in Jerusalem zu Jesu Zeit nicht viel besser an¬<lb/> geschrieben als in norddeutscher Volksvorstellung Schwaben, und von Nazareth<lb/> fragte man sich wohl nicht blos seiner Kleinheit wegen, was von da Gutes<lb/> kommen könne. Lassen wir aber auch diese alten Verhältnisse dahin gestellt,<lb/> da die Bibel sonst nicht viel von Humor enthält, so zeigt doch das heutige<lb/> Asien an verschiedenen Orten, daß der Volkswitz auch hier thätig war. gewisse<lb/> Städte, Inseln und Gegenden als der Narrheit verfallen darzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_752"> So spricht man in Palästina und namentlich in dessen Hauptstadt unter<lb/> den Türken und Arabern nur lächelnd von dem Verstände, der unter den Tur¬<lb/> banen der Biedermänner von Radius wohnt. So werden serner von den<lb/> braven Leuten, welche die Stadt Sivri Hissar in Kleinasien bevölkern, eine<lb/> große Anzahl von Anekdoten erzählt, die eher alles Andere als deren Weisheit<lb/> beweisen. So geht unter den anatolischen Neugriechen das grobe Wort um,<lb/> daß man eher ein grasgrünes Pferd als einen Scioten zu sehen bekommen<lb/> könnte, der kein Hanswurst wäre. Noch verschiedene andere Städte und Land¬<lb/> schaften des westlichen Asien ließen sich aufzählen, an denen der Makel der<lb/> Lächerlichkeit haftet. Die nächsten orientalischen Vettern unserer germanischen<lb/> Laien oder Schildbürger aber scheinen nach Wetzsteins und Petermanns Be-<lb/> richten im östlichen Libanon angesiedelt zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_753"> Nicht fern von Damaskus liegt in einem malerischen Bergkessel das Städt¬<lb/> chen Chelbun, bewohnt von etwa fünfhundert muhammedanischen Arabern,<lb/> äußerlich durch nichts ausgezeichnet als durch seine anmuthige Umgebung. Auch<lb/> die Chelbunier scheinen dem durchreisenden Fremden kaum irgend absonderliche<lb/> Eigenschaften zu haben; im Gegentheil sie kommen ihm. ganz wie unsre Polk-<lb/> witzer. Wasunger oder Schildaer. als in ihrer Art ganz respectable Leute vor,<lb/> die den Kopf an der rechten Stelle haben und Brot essen wie er selbst. Sie<lb/> versehen die Hauptstadt Syriens > mit den Feigen, Granaten und Trauben ihrer<lb/> wohlgepflegten Gärten, verfertigen Spinnräder, die recht praktisch sind, bereiten<lb/> aus dem Mark einer Gebirgspflanze gute Lampendochte und sind als tüchtige<lb/> Holzhauer gesucht und willkommen. Auch Muth sollen sie in nicht gewöhn¬<lb/> lichem Maße besitzen. Nur Eins will den Herren in Damaskus an ihnen<lb/> nicht gefallen, und das ist ungefähr dasselbe, was der Volkswitz an den Lalen-<lb/> bürgern des Nordens belacht: „sie haben so gar große Ideen", oder mit unhöf¬<lb/> licheren Worten: sie repräsentiren in Syrien die verkehrte Welt, begehen, wie<lb/> man sagt, häusig Schwabenstreiche und sangen, wie man wissen will, ungewöhn¬<lb/> lich wichtige Dinge immer am unrechten Ende an.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1S6S. 30</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
Schon unter den alten Juden scheinen Ansätze zu einen Narrenthum, das
sich auf gewisse Oertlichkeiten beschränkte, vorhanden gewesen zu sein. Simson.
ein weitläufiger Verwandter des „starken Hans" unserer Märchen, und wie
dieser halb Gott, halb Eulenspiegel, spielt bestimmten Städten der Philister
seine Streiche. Galiläa war in Jerusalem zu Jesu Zeit nicht viel besser an¬
geschrieben als in norddeutscher Volksvorstellung Schwaben, und von Nazareth
fragte man sich wohl nicht blos seiner Kleinheit wegen, was von da Gutes
kommen könne. Lassen wir aber auch diese alten Verhältnisse dahin gestellt,
da die Bibel sonst nicht viel von Humor enthält, so zeigt doch das heutige
Asien an verschiedenen Orten, daß der Volkswitz auch hier thätig war. gewisse
Städte, Inseln und Gegenden als der Narrheit verfallen darzustellen.
So spricht man in Palästina und namentlich in dessen Hauptstadt unter
den Türken und Arabern nur lächelnd von dem Verstände, der unter den Tur¬
banen der Biedermänner von Radius wohnt. So werden serner von den
braven Leuten, welche die Stadt Sivri Hissar in Kleinasien bevölkern, eine
große Anzahl von Anekdoten erzählt, die eher alles Andere als deren Weisheit
beweisen. So geht unter den anatolischen Neugriechen das grobe Wort um,
daß man eher ein grasgrünes Pferd als einen Scioten zu sehen bekommen
könnte, der kein Hanswurst wäre. Noch verschiedene andere Städte und Land¬
schaften des westlichen Asien ließen sich aufzählen, an denen der Makel der
Lächerlichkeit haftet. Die nächsten orientalischen Vettern unserer germanischen
Laien oder Schildbürger aber scheinen nach Wetzsteins und Petermanns Be-
richten im östlichen Libanon angesiedelt zu sein.
Nicht fern von Damaskus liegt in einem malerischen Bergkessel das Städt¬
chen Chelbun, bewohnt von etwa fünfhundert muhammedanischen Arabern,
äußerlich durch nichts ausgezeichnet als durch seine anmuthige Umgebung. Auch
die Chelbunier scheinen dem durchreisenden Fremden kaum irgend absonderliche
Eigenschaften zu haben; im Gegentheil sie kommen ihm. ganz wie unsre Polk-
witzer. Wasunger oder Schildaer. als in ihrer Art ganz respectable Leute vor,
die den Kopf an der rechten Stelle haben und Brot essen wie er selbst. Sie
versehen die Hauptstadt Syriens > mit den Feigen, Granaten und Trauben ihrer
wohlgepflegten Gärten, verfertigen Spinnräder, die recht praktisch sind, bereiten
aus dem Mark einer Gebirgspflanze gute Lampendochte und sind als tüchtige
Holzhauer gesucht und willkommen. Auch Muth sollen sie in nicht gewöhn¬
lichem Maße besitzen. Nur Eins will den Herren in Damaskus an ihnen
nicht gefallen, und das ist ungefähr dasselbe, was der Volkswitz an den Lalen-
bürgern des Nordens belacht: „sie haben so gar große Ideen", oder mit unhöf¬
licheren Worten: sie repräsentiren in Syrien die verkehrte Welt, begehen, wie
man sagt, häusig Schwabenstreiche und sangen, wie man wissen will, ungewöhn¬
lich wichtige Dinge immer am unrechten Ende an.
Grenzboten II. 1S6S. 30
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