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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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rcichs Rivalen in der türkischen Frage ins Auge zu fassen (denn mit einem Ni-
balen kann man, so lange der Gegenstand der Rivalität dauert, nur einen vor¬
übergehenden Kompromiß, niemals ein dauerndes Bündnis; schließen), >als Viel¬
mehr seine Beziehungen zu denjenigen Mächten, die, an der Lösung der orien¬
talischen Frage selbst nur mittelbar betheiligt, aus anderm Gebiete Bahnen
verfolgen, welche sich mit denen Oestreichs vielfach berühren und durchkreuzen.
Die Erörterung dieses Punktes, die uns näher auf das Verhältniß Preußens
Zu Oestreich führt, bleibe einem folgenden Artikel vorbehalten.


Z-


Die Vegetation der Jetztzeit und die der Vottvelt.
1. Die Tertiärflora.

Ein tiefgehender Zug des menschlichen Geistes ist die Neigung zum Glauben
an eine stetige, gedeihliche Fortentwickelung der Verhältnisse. Es müssen schwere
Schicksalsschläge den Einzelnen, noch schwerere eine Nation treffen, bevor sie zu
der Einsicht kommen, daß es mit nennr rückwärts geht. Wenn nun gar der Mensch
die Aufeinanderfolge der verschiedenen Organismen der Erdoberfläche betrachtet,
wie sollte er da nicht mit doppelter Sicherheit voraussehen, daß je geringer das
Alter, je neuer das Erscheinen einer Art von Pflanze oder Thier, umso höher
deren Organisation sei, daß seit dem ersten Auftreten lebender Wesen auf der
Erde deren Bevölkerung immer reicher, schöner, vollkommener geworden sei.
Ist doch der Mensch gewohnt, sich als die Krone der Schöpfung zu betrachten,
und lehrt ihn doch jede Untersuchung der uns erhaltenen Reste vergangener
geologischer Epochen, daß das zweibeinige Thier ohne Federn, welches er in
angeborener Bescheidenheit für das vollkommenste aller geschaffenen Wesen hält,
unes der spätesten, wenn nicht das letzte der auf dem Erdball erschienenen sei.

Nach solchen Voraussetzungen müßte, so scheint es, die Erfahrung überraschen,
daß die Pflanzendecke der heutigen Erdoberfläche nur noch ein kümmerlicher Rest
ist der einst ungleich reicheren Mannigfaltigkeit schönerer Formen, die vor vie¬
len Jahrtausenden unsere Fluren zierten. Daß das heutige Pflanzenklcid der
nördlichen gemäßigten Zone zu dem einer früheren geologischen Periode sich


Grenzboten II. 1863. 29

rcichs Rivalen in der türkischen Frage ins Auge zu fassen (denn mit einem Ni-
balen kann man, so lange der Gegenstand der Rivalität dauert, nur einen vor¬
übergehenden Kompromiß, niemals ein dauerndes Bündnis; schließen), >als Viel¬
mehr seine Beziehungen zu denjenigen Mächten, die, an der Lösung der orien¬
talischen Frage selbst nur mittelbar betheiligt, aus anderm Gebiete Bahnen
verfolgen, welche sich mit denen Oestreichs vielfach berühren und durchkreuzen.
Die Erörterung dieses Punktes, die uns näher auf das Verhältniß Preußens
Zu Oestreich führt, bleibe einem folgenden Artikel vorbehalten.


Z-


Die Vegetation der Jetztzeit und die der Vottvelt.
1. Die Tertiärflora.

Ein tiefgehender Zug des menschlichen Geistes ist die Neigung zum Glauben
an eine stetige, gedeihliche Fortentwickelung der Verhältnisse. Es müssen schwere
Schicksalsschläge den Einzelnen, noch schwerere eine Nation treffen, bevor sie zu
der Einsicht kommen, daß es mit nennr rückwärts geht. Wenn nun gar der Mensch
die Aufeinanderfolge der verschiedenen Organismen der Erdoberfläche betrachtet,
wie sollte er da nicht mit doppelter Sicherheit voraussehen, daß je geringer das
Alter, je neuer das Erscheinen einer Art von Pflanze oder Thier, umso höher
deren Organisation sei, daß seit dem ersten Auftreten lebender Wesen auf der
Erde deren Bevölkerung immer reicher, schöner, vollkommener geworden sei.
Ist doch der Mensch gewohnt, sich als die Krone der Schöpfung zu betrachten,
und lehrt ihn doch jede Untersuchung der uns erhaltenen Reste vergangener
geologischer Epochen, daß das zweibeinige Thier ohne Federn, welches er in
angeborener Bescheidenheit für das vollkommenste aller geschaffenen Wesen hält,
unes der spätesten, wenn nicht das letzte der auf dem Erdball erschienenen sei.

Nach solchen Voraussetzungen müßte, so scheint es, die Erfahrung überraschen,
daß die Pflanzendecke der heutigen Erdoberfläche nur noch ein kümmerlicher Rest
ist der einst ungleich reicheren Mannigfaltigkeit schönerer Formen, die vor vie¬
len Jahrtausenden unsere Fluren zierten. Daß das heutige Pflanzenklcid der
nördlichen gemäßigten Zone zu dem einer früheren geologischen Periode sich


Grenzboten II. 1863. 29
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[0229] rcichs Rivalen in der türkischen Frage ins Auge zu fassen (denn mit einem Ni- balen kann man, so lange der Gegenstand der Rivalität dauert, nur einen vor¬ übergehenden Kompromiß, niemals ein dauerndes Bündnis; schließen), >als Viel¬ mehr seine Beziehungen zu denjenigen Mächten, die, an der Lösung der orien¬ talischen Frage selbst nur mittelbar betheiligt, aus anderm Gebiete Bahnen verfolgen, welche sich mit denen Oestreichs vielfach berühren und durchkreuzen. Die Erörterung dieses Punktes, die uns näher auf das Verhältniß Preußens Zu Oestreich führt, bleibe einem folgenden Artikel vorbehalten. Z- Die Vegetation der Jetztzeit und die der Vottvelt. 1. Die Tertiärflora. Ein tiefgehender Zug des menschlichen Geistes ist die Neigung zum Glauben an eine stetige, gedeihliche Fortentwickelung der Verhältnisse. Es müssen schwere Schicksalsschläge den Einzelnen, noch schwerere eine Nation treffen, bevor sie zu der Einsicht kommen, daß es mit nennr rückwärts geht. Wenn nun gar der Mensch die Aufeinanderfolge der verschiedenen Organismen der Erdoberfläche betrachtet, wie sollte er da nicht mit doppelter Sicherheit voraussehen, daß je geringer das Alter, je neuer das Erscheinen einer Art von Pflanze oder Thier, umso höher deren Organisation sei, daß seit dem ersten Auftreten lebender Wesen auf der Erde deren Bevölkerung immer reicher, schöner, vollkommener geworden sei. Ist doch der Mensch gewohnt, sich als die Krone der Schöpfung zu betrachten, und lehrt ihn doch jede Untersuchung der uns erhaltenen Reste vergangener geologischer Epochen, daß das zweibeinige Thier ohne Federn, welches er in angeborener Bescheidenheit für das vollkommenste aller geschaffenen Wesen hält, unes der spätesten, wenn nicht das letzte der auf dem Erdball erschienenen sei. Nach solchen Voraussetzungen müßte, so scheint es, die Erfahrung überraschen, daß die Pflanzendecke der heutigen Erdoberfläche nur noch ein kümmerlicher Rest ist der einst ungleich reicheren Mannigfaltigkeit schönerer Formen, die vor vie¬ len Jahrtausenden unsere Fluren zierten. Daß das heutige Pflanzenklcid der nördlichen gemäßigten Zone zu dem einer früheren geologischen Periode sich Grenzboten II. 1863. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/229>, abgerufen am 27.09.2024.