Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sehr geschweifte, indem besonders das Hintertheil sich nach dem Innern zu
krümmte, weshalb auch Homer von "hochgehörnten, krummscbnäbligen" Schiffen
spricht. Der Anker war noch nicht erfunden; anstatt desselben führten die Schiffe
große "Nuhcsteine" mit sich, die zugleich als Ballast dienten und am Landungs¬
platze vom Vordertheile an Tauen ins Meer geworfen wurden, während man das
Hintertheil durch Kabeltaue an Baume oder Felszacken am Lande festband. sehr oft
lies! man auch bei niedrigem Gestade die Schiffe mit voller Nuderkraft aufs Land
auflaufen, so daß sie. wie das Fahrzeug der Phäaken bei der Landung auf Ithaka,
mit der ganzen Vorderhälfte aufzusitzen kamen. Man that dies schon deshalb,
weil es allgemein Sitte war. die Schiffe auf das Ufer zu ziehen und aus
Steine oder Gebälk zu stellen, um sie vor dem zerstörenden Einfluß der Feuch-
tigkeit zu bewahren. Man sieht aber daraus zugleich, daß diese Schiffe sehr
flach und leicht gewesen sein müssen, wenn sie auch nicht so fabelhaft wenig
ins Gewicht fielen, wie die Argo, die von den Argonauten zwölf Tage lang
auf den Schultern getragen wurde! Uebrigens erscheinen auch noch in der home¬
rischen Zeit tue Kreter und Phönicier den Hellenen an Kühnheit überlegen.
Letztere wagten es fast nie, dem Sturm zu trotzen und harrten oft Monate
lang in sicherem Hafen auf günstigen Fahrwind. Auch scheuten sie sich vor
dem hohen Meer und hielten sich am liebsten in der Nähe des Landes. So
berathschlagten sie auch auf der Heimkehr in Lesbos, ob sie unter Chios hin nach
Phyra zu die Fahrt lenken sollten, oder beim stürmischen Kap Mimas vorbei, bis
sie den göttlichen Befehl erhielten, gerade aus übers Meer nach Euböa zu steuern.

Als besondre Waffe zum Seegefechte nennt Homer zweiundzwanzig
Ellen lange, durch Klammern und Nägel verbundene Stangen mit ehernen
Spitzen. Noch lange nach dem trojanischen Krieg blieben die langen Funfzig-
nidrer die gewöhnlichsten Kricgsfahrzcugc. Wie Herodot erzählt, bestand die
hundert Schiffe zählende Flotte des samischen Polykrates noch aus solchen Fahr,
zeugen, und von den kleinasiatischen Phocäern, die fast um dieselbe Zeit vor
den Persern nach Korsika auswanderten, schreibt er: "Ihre Schifffahrt trieben
su nicht auf runden Kauffahrteischiffen, sondern auf langen Fahrzeugen." Auch
d>c Lacedämonier sandten damals einen Funfzigrudrer nach Jonien. Wenn
aber Herodot sagt, daß sich die Phocäer zuerst unter den Hellenen der langen
Schiffe bedient hätten, so meint er dies wahrscheinlich nur in Bezug aus die
Anwendung derselben im Handelsverkehr, welcher sich bei den Phocciern bis
nach Gallien und Spanien erstreckte, und bei welchem sie vor Phöniciern und
Karthagern auf der Hut sein mußten. Thucvdides wenigstens identificirt die
damaligen Schiffe vollständig mit denen des heroischen Zeitalters, indem er
schreibt: "das waren vor Allen die mächtigsten Flotten (Korinthicr. Jonier, Samier,
Phocäer). Aber auch diese, obgleich sie so viele Menschenalter nach dem tro¬
janischen Krieg erbaut wurden, zählten noch wenige Dreidecker und bestanden meist


"Rrcnjbotm II, 1863. ^

sehr geschweifte, indem besonders das Hintertheil sich nach dem Innern zu
krümmte, weshalb auch Homer von „hochgehörnten, krummscbnäbligen" Schiffen
spricht. Der Anker war noch nicht erfunden; anstatt desselben führten die Schiffe
große „Nuhcsteine" mit sich, die zugleich als Ballast dienten und am Landungs¬
platze vom Vordertheile an Tauen ins Meer geworfen wurden, während man das
Hintertheil durch Kabeltaue an Baume oder Felszacken am Lande festband. sehr oft
lies! man auch bei niedrigem Gestade die Schiffe mit voller Nuderkraft aufs Land
auflaufen, so daß sie. wie das Fahrzeug der Phäaken bei der Landung auf Ithaka,
mit der ganzen Vorderhälfte aufzusitzen kamen. Man that dies schon deshalb,
weil es allgemein Sitte war. die Schiffe auf das Ufer zu ziehen und aus
Steine oder Gebälk zu stellen, um sie vor dem zerstörenden Einfluß der Feuch-
tigkeit zu bewahren. Man sieht aber daraus zugleich, daß diese Schiffe sehr
flach und leicht gewesen sein müssen, wenn sie auch nicht so fabelhaft wenig
ins Gewicht fielen, wie die Argo, die von den Argonauten zwölf Tage lang
auf den Schultern getragen wurde! Uebrigens erscheinen auch noch in der home¬
rischen Zeit tue Kreter und Phönicier den Hellenen an Kühnheit überlegen.
Letztere wagten es fast nie, dem Sturm zu trotzen und harrten oft Monate
lang in sicherem Hafen auf günstigen Fahrwind. Auch scheuten sie sich vor
dem hohen Meer und hielten sich am liebsten in der Nähe des Landes. So
berathschlagten sie auch auf der Heimkehr in Lesbos, ob sie unter Chios hin nach
Phyra zu die Fahrt lenken sollten, oder beim stürmischen Kap Mimas vorbei, bis
sie den göttlichen Befehl erhielten, gerade aus übers Meer nach Euböa zu steuern.

Als besondre Waffe zum Seegefechte nennt Homer zweiundzwanzig
Ellen lange, durch Klammern und Nägel verbundene Stangen mit ehernen
Spitzen. Noch lange nach dem trojanischen Krieg blieben die langen Funfzig-
nidrer die gewöhnlichsten Kricgsfahrzcugc. Wie Herodot erzählt, bestand die
hundert Schiffe zählende Flotte des samischen Polykrates noch aus solchen Fahr,
zeugen, und von den kleinasiatischen Phocäern, die fast um dieselbe Zeit vor
den Persern nach Korsika auswanderten, schreibt er: „Ihre Schifffahrt trieben
su nicht auf runden Kauffahrteischiffen, sondern auf langen Fahrzeugen." Auch
d>c Lacedämonier sandten damals einen Funfzigrudrer nach Jonien. Wenn
aber Herodot sagt, daß sich die Phocäer zuerst unter den Hellenen der langen
Schiffe bedient hätten, so meint er dies wahrscheinlich nur in Bezug aus die
Anwendung derselben im Handelsverkehr, welcher sich bei den Phocciern bis
nach Gallien und Spanien erstreckte, und bei welchem sie vor Phöniciern und
Karthagern auf der Hut sein mußten. Thucvdides wenigstens identificirt die
damaligen Schiffe vollständig mit denen des heroischen Zeitalters, indem er
schreibt: „das waren vor Allen die mächtigsten Flotten (Korinthicr. Jonier, Samier,
Phocäer). Aber auch diese, obgleich sie so viele Menschenalter nach dem tro¬
janischen Krieg erbaut wurden, zählten noch wenige Dreidecker und bestanden meist


«Rrcnjbotm II, 1863. ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188048"/>
          <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> sehr geschweifte, indem besonders das Hintertheil sich nach dem Innern zu<lb/>
krümmte, weshalb auch Homer von &#x201E;hochgehörnten, krummscbnäbligen" Schiffen<lb/>
spricht. Der Anker war noch nicht erfunden; anstatt desselben führten die Schiffe<lb/>
große &#x201E;Nuhcsteine" mit sich, die zugleich als Ballast dienten und am Landungs¬<lb/>
platze vom Vordertheile an Tauen ins Meer geworfen wurden, während man das<lb/>
Hintertheil durch Kabeltaue an Baume oder Felszacken am Lande festband. sehr oft<lb/>
lies! man auch bei niedrigem Gestade die Schiffe mit voller Nuderkraft aufs Land<lb/>
auflaufen, so daß sie. wie das Fahrzeug der Phäaken bei der Landung auf Ithaka,<lb/>
mit der ganzen Vorderhälfte aufzusitzen kamen.  Man that dies schon deshalb,<lb/>
weil es allgemein Sitte war. die Schiffe auf das Ufer zu ziehen und aus<lb/>
Steine oder Gebälk zu stellen, um sie vor dem zerstörenden Einfluß der Feuch-<lb/>
tigkeit zu bewahren.  Man sieht aber daraus zugleich, daß diese Schiffe sehr<lb/>
flach und leicht gewesen sein müssen, wenn sie auch nicht so fabelhaft wenig<lb/>
ins Gewicht fielen, wie die Argo, die von den Argonauten zwölf Tage lang<lb/>
auf den Schultern getragen wurde! Uebrigens erscheinen auch noch in der home¬<lb/>
rischen Zeit tue Kreter und Phönicier den Hellenen an Kühnheit überlegen.<lb/>
Letztere wagten es fast nie, dem Sturm zu trotzen und harrten oft Monate<lb/>
lang in sicherem Hafen auf günstigen Fahrwind.  Auch scheuten sie sich vor<lb/>
dem hohen Meer und hielten sich am liebsten in der Nähe des Landes. So<lb/>
berathschlagten sie auch auf der Heimkehr in Lesbos, ob sie unter Chios hin nach<lb/>
Phyra zu die Fahrt lenken sollten, oder beim stürmischen Kap Mimas vorbei, bis<lb/>
sie den göttlichen Befehl erhielten, gerade aus übers Meer nach Euböa zu steuern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_50" next="#ID_51"> Als besondre Waffe zum Seegefechte nennt Homer zweiundzwanzig<lb/>
Ellen lange, durch Klammern und Nägel verbundene Stangen mit ehernen<lb/>
Spitzen. Noch lange nach dem trojanischen Krieg blieben die langen Funfzig-<lb/>
nidrer die gewöhnlichsten Kricgsfahrzcugc. Wie Herodot erzählt, bestand die<lb/>
hundert Schiffe zählende Flotte des samischen Polykrates noch aus solchen Fahr,<lb/>
zeugen, und von den kleinasiatischen Phocäern, die fast um dieselbe Zeit vor<lb/>
den Persern nach Korsika auswanderten, schreibt er: &#x201E;Ihre Schifffahrt trieben<lb/>
su nicht auf runden Kauffahrteischiffen, sondern auf langen Fahrzeugen." Auch<lb/>
d&gt;c Lacedämonier sandten damals einen Funfzigrudrer nach Jonien. Wenn<lb/>
aber Herodot sagt, daß sich die Phocäer zuerst unter den Hellenen der langen<lb/>
Schiffe bedient hätten, so meint er dies wahrscheinlich nur in Bezug aus die<lb/>
Anwendung derselben im Handelsverkehr, welcher sich bei den Phocciern bis<lb/>
nach Gallien und Spanien erstreckte, und bei welchem sie vor Phöniciern und<lb/>
Karthagern auf der Hut sein mußten. Thucvdides wenigstens identificirt die<lb/>
damaligen Schiffe vollständig mit denen des heroischen Zeitalters, indem er<lb/>
schreibt: &#x201E;das waren vor Allen die mächtigsten Flotten (Korinthicr. Jonier, Samier,<lb/>
Phocäer). Aber auch diese, obgleich sie so viele Menschenalter nach dem tro¬<lb/>
janischen Krieg erbaut wurden, zählten noch wenige Dreidecker und bestanden meist</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> «Rrcnjbotm II, 1863. ^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] sehr geschweifte, indem besonders das Hintertheil sich nach dem Innern zu krümmte, weshalb auch Homer von „hochgehörnten, krummscbnäbligen" Schiffen spricht. Der Anker war noch nicht erfunden; anstatt desselben führten die Schiffe große „Nuhcsteine" mit sich, die zugleich als Ballast dienten und am Landungs¬ platze vom Vordertheile an Tauen ins Meer geworfen wurden, während man das Hintertheil durch Kabeltaue an Baume oder Felszacken am Lande festband. sehr oft lies! man auch bei niedrigem Gestade die Schiffe mit voller Nuderkraft aufs Land auflaufen, so daß sie. wie das Fahrzeug der Phäaken bei der Landung auf Ithaka, mit der ganzen Vorderhälfte aufzusitzen kamen. Man that dies schon deshalb, weil es allgemein Sitte war. die Schiffe auf das Ufer zu ziehen und aus Steine oder Gebälk zu stellen, um sie vor dem zerstörenden Einfluß der Feuch- tigkeit zu bewahren. Man sieht aber daraus zugleich, daß diese Schiffe sehr flach und leicht gewesen sein müssen, wenn sie auch nicht so fabelhaft wenig ins Gewicht fielen, wie die Argo, die von den Argonauten zwölf Tage lang auf den Schultern getragen wurde! Uebrigens erscheinen auch noch in der home¬ rischen Zeit tue Kreter und Phönicier den Hellenen an Kühnheit überlegen. Letztere wagten es fast nie, dem Sturm zu trotzen und harrten oft Monate lang in sicherem Hafen auf günstigen Fahrwind. Auch scheuten sie sich vor dem hohen Meer und hielten sich am liebsten in der Nähe des Landes. So berathschlagten sie auch auf der Heimkehr in Lesbos, ob sie unter Chios hin nach Phyra zu die Fahrt lenken sollten, oder beim stürmischen Kap Mimas vorbei, bis sie den göttlichen Befehl erhielten, gerade aus übers Meer nach Euböa zu steuern. Als besondre Waffe zum Seegefechte nennt Homer zweiundzwanzig Ellen lange, durch Klammern und Nägel verbundene Stangen mit ehernen Spitzen. Noch lange nach dem trojanischen Krieg blieben die langen Funfzig- nidrer die gewöhnlichsten Kricgsfahrzcugc. Wie Herodot erzählt, bestand die hundert Schiffe zählende Flotte des samischen Polykrates noch aus solchen Fahr, zeugen, und von den kleinasiatischen Phocäern, die fast um dieselbe Zeit vor den Persern nach Korsika auswanderten, schreibt er: „Ihre Schifffahrt trieben su nicht auf runden Kauffahrteischiffen, sondern auf langen Fahrzeugen." Auch d>c Lacedämonier sandten damals einen Funfzigrudrer nach Jonien. Wenn aber Herodot sagt, daß sich die Phocäer zuerst unter den Hellenen der langen Schiffe bedient hätten, so meint er dies wahrscheinlich nur in Bezug aus die Anwendung derselben im Handelsverkehr, welcher sich bei den Phocciern bis nach Gallien und Spanien erstreckte, und bei welchem sie vor Phöniciern und Karthagern auf der Hut sein mußten. Thucvdides wenigstens identificirt die damaligen Schiffe vollständig mit denen des heroischen Zeitalters, indem er schreibt: „das waren vor Allen die mächtigsten Flotten (Korinthicr. Jonier, Samier, Phocäer). Aber auch diese, obgleich sie so viele Menschenalter nach dem tro¬ janischen Krieg erbaut wurden, zählten noch wenige Dreidecker und bestanden meist «Rrcnjbotm II, 1863. ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/21
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/21>, abgerufen am 27.09.2024.