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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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fährten ein gleich großes Fahrzeug, um dem Zurückkehrenden aufzulauern.
Dagegen bekam das Schiff, welches den Odysseus von Scheria nach Ithaka
führte, zweiundfunfzig Jünglinge als Bemannung, die auch alle dem Nuder¬
geschäft oblagen, und so viel führten wohl auch die kleinsten der gen Troja zie¬
henden 1186 griechischen Fahrzeuge. Wenigstens liest man von den Schiffen
der Myrmidonen: "Fünfzig schnelle Schiffe waren es, mit denen Achilleus,
des Zeus Liebling, nach Troja zog, und in jedem waren fünfzig Männer an
den Nuderpflöcken", und von Philoktets sieben Schiffen: "Ruderer aber hatten
jedes bestiegen fünfzig, wohl kundig des Bogens, um gewaltig zu kämpfen."
Die höchste Zahl der Mannschaft findet sich bei den böotischen Schiffen, deren
jedes 120 Mann trug. Daß aus dem Wortlaute der angeführten Stellen
hervorgeht, daß zwischen Matrosen und Soldaten hier kein Unterschied statt¬
fand und daß außer der aufgestellten Zahl der Ruderer sich keine besonderen
Passagiere noch vorfanden, hat schon Thucydides gesehen, indem er schreibt:
"Homer zählt 1200 Schiffe und auf den böotischen 120, auf denen des Phi-
Ivktetcs fünfzig Mann Besatzung, um, wie mir scheint, die größte und kleinste
Zahl anzugeben, da er die Stärke der Besatzung bei Aufzählung der übrige"
Schiffe nicht angibt. Daß auf den Schiffen des Philoktets Alle Streiter waren,
die zugleich das Ruder führten, hat er deutlich erklärt; denn er sagt, daß
sämmtliche Ruderer Bogenschützen gewesen. Solcher, die nicht mit ruderten,
waren außer den Königen und obersten Befehlshabern wohl nicht viele, zumal
sie mit aller Kricgsrüstung über das Meer setzen wollten und keine bedeck¬
ten, sondern nach alter Art und mehr nach Weise der Piratcnschiffe gebaute
Fahrzeuge hatten." Die letzten Worte des Historikers widersprechen der oft
gehegten Meinung, die Kriegsschiffe des heroischen Zeitalters wären mit Ver¬
decken versehen gewesen. Eine Art von Verdeck bildete wohl die Gallerie zu
beiden Seiten, auf der die Ruderbänke standen und wahrscheinlich war auch
das Hintertheil mit Brettern verschlagen, da der Steuermann seinen Sitz dort
haben mußte und da dem Odysseus von den Phäaken dort eine Schlafstätte
auf den Querbalken bereitet wurde. Aber der mittlere große Raum war
sicher offen, weshalb auch AntinovS, der Phäatcnlönig, die ehernen Drei¬
süße und Mischkessel des Odysseus unter die Ruderbänke steckt, "damit sie
Niemanden unter den Gefährten beschädigen auf der Fahrt, wenn sie mit den
Rudern eilen". Auch stürzt der Mastbaum bei dem Schiffbruche vor Kalvpi>'s
Insel nicht über das Berdcck hin, sondern mit dem Takelwerk sogleich in den
unteren Schiffsraum hinab. Das jetzige Steuer, eine Erfindung des Mittel¬
alters, wurde durch zwei Schaufelruder vertreten, die zu beiden Seiten des
Hintertheils hinausragten und vom Steuermann vermittelst der nach ihm zu
gekrümmten Handgriffe regiert wurden. Die ganze Gestalt der Fahrzeuge,
welche an den Seiten mit Mennig roth gefärbt zu werden pflegten, war eine


fährten ein gleich großes Fahrzeug, um dem Zurückkehrenden aufzulauern.
Dagegen bekam das Schiff, welches den Odysseus von Scheria nach Ithaka
führte, zweiundfunfzig Jünglinge als Bemannung, die auch alle dem Nuder¬
geschäft oblagen, und so viel führten wohl auch die kleinsten der gen Troja zie¬
henden 1186 griechischen Fahrzeuge. Wenigstens liest man von den Schiffen
der Myrmidonen: „Fünfzig schnelle Schiffe waren es, mit denen Achilleus,
des Zeus Liebling, nach Troja zog, und in jedem waren fünfzig Männer an
den Nuderpflöcken", und von Philoktets sieben Schiffen: „Ruderer aber hatten
jedes bestiegen fünfzig, wohl kundig des Bogens, um gewaltig zu kämpfen."
Die höchste Zahl der Mannschaft findet sich bei den böotischen Schiffen, deren
jedes 120 Mann trug. Daß aus dem Wortlaute der angeführten Stellen
hervorgeht, daß zwischen Matrosen und Soldaten hier kein Unterschied statt¬
fand und daß außer der aufgestellten Zahl der Ruderer sich keine besonderen
Passagiere noch vorfanden, hat schon Thucydides gesehen, indem er schreibt:
„Homer zählt 1200 Schiffe und auf den böotischen 120, auf denen des Phi-
Ivktetcs fünfzig Mann Besatzung, um, wie mir scheint, die größte und kleinste
Zahl anzugeben, da er die Stärke der Besatzung bei Aufzählung der übrige»
Schiffe nicht angibt. Daß auf den Schiffen des Philoktets Alle Streiter waren,
die zugleich das Ruder führten, hat er deutlich erklärt; denn er sagt, daß
sämmtliche Ruderer Bogenschützen gewesen. Solcher, die nicht mit ruderten,
waren außer den Königen und obersten Befehlshabern wohl nicht viele, zumal
sie mit aller Kricgsrüstung über das Meer setzen wollten und keine bedeck¬
ten, sondern nach alter Art und mehr nach Weise der Piratcnschiffe gebaute
Fahrzeuge hatten." Die letzten Worte des Historikers widersprechen der oft
gehegten Meinung, die Kriegsschiffe des heroischen Zeitalters wären mit Ver¬
decken versehen gewesen. Eine Art von Verdeck bildete wohl die Gallerie zu
beiden Seiten, auf der die Ruderbänke standen und wahrscheinlich war auch
das Hintertheil mit Brettern verschlagen, da der Steuermann seinen Sitz dort
haben mußte und da dem Odysseus von den Phäaken dort eine Schlafstätte
auf den Querbalken bereitet wurde. Aber der mittlere große Raum war
sicher offen, weshalb auch AntinovS, der Phäatcnlönig, die ehernen Drei¬
süße und Mischkessel des Odysseus unter die Ruderbänke steckt, „damit sie
Niemanden unter den Gefährten beschädigen auf der Fahrt, wenn sie mit den
Rudern eilen". Auch stürzt der Mastbaum bei dem Schiffbruche vor Kalvpi>'s
Insel nicht über das Berdcck hin, sondern mit dem Takelwerk sogleich in den
unteren Schiffsraum hinab. Das jetzige Steuer, eine Erfindung des Mittel¬
alters, wurde durch zwei Schaufelruder vertreten, die zu beiden Seiten des
Hintertheils hinausragten und vom Steuermann vermittelst der nach ihm zu
gekrümmten Handgriffe regiert wurden. Die ganze Gestalt der Fahrzeuge,
welche an den Seiten mit Mennig roth gefärbt zu werden pflegten, war eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/20>, abgerufen am 27.09.2024.