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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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sagt haben) und weil ich alsdann wünschte, daß Du dabei Deine kritischen
Augen in Bewegung setztest.

Indessen, so viel ich weiß, ist die Hauptabsicht dieser Zeilen, Dich zu bit¬
ten mir mal zu schreiben, wie es in Deutschland aussieht, mir immer zu
schreiben, was dort vorgeht, so faktisch als möglich, und hauptsachlich politische
Verhältnisse betreffend. Du thust zugleich ein patriotisches Werk, indem ich
thätiger bin als Du weißt und oft im Dunkeln tappen muß. -- Haben wäh¬
rend dem letzten Jahre die Blätter, die ich hier in Frankreich gar nicht sehe,
etwas enthalten, was mich besonders ehrenrührig betrifft, so bitte ich es mir zu
modificiren; in der Vorrede zu dem ersten Werk welches erscheint will ich der¬
gleichen berühren. -- Ich bin im Begriff wieder nach Paris zu reisen, wo
ich mein Hauptquartier behalte, und wo ich Deine Briefe erwarte. -- Ich er¬
lebe viele große Dinge in Paris, sehe die Weltgeschichte mit eignen Auge"
an, verkehre amiealömout alt ihren größten Helden, und werde einst, wen"
ich am Leben bleibe, ein großer Historiker. Im Schreiben von belletristisches
Art habe ich in der letzten Zeit wenig Glück gehabt. Der Strudel war zu
groß, worin ich schwamm, als daß ich poetisch frei arbeiten konnte. Ein Ro¬
man ist mir mißglückt; doch werde ich Wohl in einer Sammlung, welche ich
diesen Winter besorge, und worin ich auch den Rabbi hineinschmciße, einige
Nomanstücke geben. -- Ich habe wenig Gedichte gemacht und doch muß ich
sie bei einem besondern Abdruck des "Neuen Frühlings" hinzufügen, damit
dieser etwas buchlich erscheine. -- Ich bin übrigens fleißiger als sonst und
zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich in Paris sechsmal so viel Geld
brauche als in Deutschland. -- Und nun leb wohl, schreib bald, wie es Dir
geht, und schreib viel und sei nicht eigensinnig. -- Wenn ich Dir we¬
nig schreibe, so ist die Ursache keine andre, als daß ich Dir viel zu sage"
hätte. -- .til suis

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H. Heine.


sagt haben) und weil ich alsdann wünschte, daß Du dabei Deine kritischen
Augen in Bewegung setztest.

Indessen, so viel ich weiß, ist die Hauptabsicht dieser Zeilen, Dich zu bit¬
ten mir mal zu schreiben, wie es in Deutschland aussieht, mir immer zu
schreiben, was dort vorgeht, so faktisch als möglich, und hauptsachlich politische
Verhältnisse betreffend. Du thust zugleich ein patriotisches Werk, indem ich
thätiger bin als Du weißt und oft im Dunkeln tappen muß. — Haben wäh¬
rend dem letzten Jahre die Blätter, die ich hier in Frankreich gar nicht sehe,
etwas enthalten, was mich besonders ehrenrührig betrifft, so bitte ich es mir zu
modificiren; in der Vorrede zu dem ersten Werk welches erscheint will ich der¬
gleichen berühren. — Ich bin im Begriff wieder nach Paris zu reisen, wo
ich mein Hauptquartier behalte, und wo ich Deine Briefe erwarte. — Ich er¬
lebe viele große Dinge in Paris, sehe die Weltgeschichte mit eignen Auge»
an, verkehre amiealömout alt ihren größten Helden, und werde einst, wen»
ich am Leben bleibe, ein großer Historiker. Im Schreiben von belletristisches
Art habe ich in der letzten Zeit wenig Glück gehabt. Der Strudel war zu
groß, worin ich schwamm, als daß ich poetisch frei arbeiten konnte. Ein Ro¬
man ist mir mißglückt; doch werde ich Wohl in einer Sammlung, welche ich
diesen Winter besorge, und worin ich auch den Rabbi hineinschmciße, einige
Nomanstücke geben. — Ich habe wenig Gedichte gemacht und doch muß ich
sie bei einem besondern Abdruck des „Neuen Frühlings" hinzufügen, damit
dieser etwas buchlich erscheine. — Ich bin übrigens fleißiger als sonst und
zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich in Paris sechsmal so viel Geld
brauche als in Deutschland. — Und nun leb wohl, schreib bald, wie es Dir
geht, und schreib viel und sei nicht eigensinnig. — Wenn ich Dir we¬
nig schreibe, so ist die Ursache keine andre, als daß ich Dir viel zu sage»
hätte. — .til suis

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H. Heine.


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[0196] sagt haben) und weil ich alsdann wünschte, daß Du dabei Deine kritischen Augen in Bewegung setztest. Indessen, so viel ich weiß, ist die Hauptabsicht dieser Zeilen, Dich zu bit¬ ten mir mal zu schreiben, wie es in Deutschland aussieht, mir immer zu schreiben, was dort vorgeht, so faktisch als möglich, und hauptsachlich politische Verhältnisse betreffend. Du thust zugleich ein patriotisches Werk, indem ich thätiger bin als Du weißt und oft im Dunkeln tappen muß. — Haben wäh¬ rend dem letzten Jahre die Blätter, die ich hier in Frankreich gar nicht sehe, etwas enthalten, was mich besonders ehrenrührig betrifft, so bitte ich es mir zu modificiren; in der Vorrede zu dem ersten Werk welches erscheint will ich der¬ gleichen berühren. — Ich bin im Begriff wieder nach Paris zu reisen, wo ich mein Hauptquartier behalte, und wo ich Deine Briefe erwarte. — Ich er¬ lebe viele große Dinge in Paris, sehe die Weltgeschichte mit eignen Auge» an, verkehre amiealömout alt ihren größten Helden, und werde einst, wen» ich am Leben bleibe, ein großer Historiker. Im Schreiben von belletristisches Art habe ich in der letzten Zeit wenig Glück gehabt. Der Strudel war zu groß, worin ich schwamm, als daß ich poetisch frei arbeiten konnte. Ein Ro¬ man ist mir mißglückt; doch werde ich Wohl in einer Sammlung, welche ich diesen Winter besorge, und worin ich auch den Rabbi hineinschmciße, einige Nomanstücke geben. — Ich habe wenig Gedichte gemacht und doch muß ich sie bei einem besondern Abdruck des „Neuen Frühlings" hinzufügen, damit dieser etwas buchlich erscheine. — Ich bin übrigens fleißiger als sonst und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich in Paris sechsmal so viel Geld brauche als in Deutschland. — Und nun leb wohl, schreib bald, wie es Dir geht, und schreib viel und sei nicht eigensinnig. — Wenn ich Dir we¬ nig schreibe, so ist die Ursache keine andre, als daß ich Dir viel zu sage» hätte. — .til suis Nvirsieui- l ami Votre <1evou6 H. Heine.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/196>, abgerufen am 27.09.2024.