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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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München, Sylvesterabend 1827.

Ich wünsche Dir ein gutes neu Jahr, ein besseres als das welches -im
Begriff ist abzurollen. Ich wollte ich könnt mitrvllen in das ewige Nichts,
denn ich bin sehr krank und schlechter Laune. --

Du scheinst, wie ich aus meines Bruders Brief merke, durch mein kurzes
Schreiben ungehalten zu sein! Du solltest wissen, daß ich, der ich den nöthig¬
sten und liebsten Freunden jahrelang nicht schreibe. nicht um Dich zu amusiren
lange Briefe anfertigen kann. Wahrlich der Egoismus der Freundschaft ist
unerträglicher als der der Feindschaft. Ich kann keine lange Briefe schreiben.

Das Clima hier tödtet mich, sonst aber gefällt es mir gut. Bin gut be¬
wahrt. Der König ein netter Mensch. Liest mit Theilnahme die politischen
Annalen, wie er sagt. In 8 Tagen erscheint das erste Heft der Annalen,
herausgegeben von Heine und Lindner. Es ist ein kleiner Aufsatz drin von
mir über Freiheit und Gleichheit. Trotz meiner Krankheit muß ich derart
für die Annalen sorgen. Meine Finanzen sind zerrüttet, ich habe Schulden,
will diesen Sommer wieder ins Bad. und wenn ich von Cotta, der reichlich für
mich sorgt, so viel Geld nehme, muß ich auch etwas liefern. Drum soll in jedem
Heft der Annalen wenigstens ein Paar Blätter aus meiner Feder kommen.
Auch liegt viel Renommage zum Grund; ich zeige der Welt, daß ich etwas
andres bin als unsre sonnettirenden Almanachspoeten.

Lach Dich todt! eben kömmt ein Freund und bemerkt mir erst morgen sei
Sylvesterabend! Und ich habe schon seit einer Stunde in den üblichen ernsten
Jahresabschlußbctrachtungen gebrütet -- und muß sie morgen nochmals wieder¬
holen.


Dein Freund
H. Heine.

pkr ^äresse der Literarisch Artistischen
Anstalt der I. G. Cottaschen Buchhand¬
lung in München.


Theurer Freund und Gönner!

Dieppe den 24. August 1832.

Obgleich an einer lahmen und einer schwachen Hand leidend, bekomme
us doch plötzlich den Drang Dir zu schreiben. Längst hatte ich dazu Lust,
Zumal seit Dr. Chr. der Winden der Lüneburger Haide geworden ist. Das ist
ein Spaß, womit mir der liebe Gott beweisen wollte, daß er ein noch größe¬
rer Ironiker ist als ich. -- Da ich Dich kenne, liebster Freund, so weiß ich
voulus. daß Du ganz bestimmt Dir einbildest, ich schreibe Dir weil ich die
Absicht hege einige Bücher herauszugeben (Plapperlotte wird es Dir wohl ge-


München, Sylvesterabend 1827.

Ich wünsche Dir ein gutes neu Jahr, ein besseres als das welches -im
Begriff ist abzurollen. Ich wollte ich könnt mitrvllen in das ewige Nichts,
denn ich bin sehr krank und schlechter Laune. —

Du scheinst, wie ich aus meines Bruders Brief merke, durch mein kurzes
Schreiben ungehalten zu sein! Du solltest wissen, daß ich, der ich den nöthig¬
sten und liebsten Freunden jahrelang nicht schreibe. nicht um Dich zu amusiren
lange Briefe anfertigen kann. Wahrlich der Egoismus der Freundschaft ist
unerträglicher als der der Feindschaft. Ich kann keine lange Briefe schreiben.

Das Clima hier tödtet mich, sonst aber gefällt es mir gut. Bin gut be¬
wahrt. Der König ein netter Mensch. Liest mit Theilnahme die politischen
Annalen, wie er sagt. In 8 Tagen erscheint das erste Heft der Annalen,
herausgegeben von Heine und Lindner. Es ist ein kleiner Aufsatz drin von
mir über Freiheit und Gleichheit. Trotz meiner Krankheit muß ich derart
für die Annalen sorgen. Meine Finanzen sind zerrüttet, ich habe Schulden,
will diesen Sommer wieder ins Bad. und wenn ich von Cotta, der reichlich für
mich sorgt, so viel Geld nehme, muß ich auch etwas liefern. Drum soll in jedem
Heft der Annalen wenigstens ein Paar Blätter aus meiner Feder kommen.
Auch liegt viel Renommage zum Grund; ich zeige der Welt, daß ich etwas
andres bin als unsre sonnettirenden Almanachspoeten.

Lach Dich todt! eben kömmt ein Freund und bemerkt mir erst morgen sei
Sylvesterabend! Und ich habe schon seit einer Stunde in den üblichen ernsten
Jahresabschlußbctrachtungen gebrütet — und muß sie morgen nochmals wieder¬
holen.


Dein Freund
H. Heine.

pkr ^äresse der Literarisch Artistischen
Anstalt der I. G. Cottaschen Buchhand¬
lung in München.


Theurer Freund und Gönner!

Dieppe den 24. August 1832.

Obgleich an einer lahmen und einer schwachen Hand leidend, bekomme
us doch plötzlich den Drang Dir zu schreiben. Längst hatte ich dazu Lust,
Zumal seit Dr. Chr. der Winden der Lüneburger Haide geworden ist. Das ist
ein Spaß, womit mir der liebe Gott beweisen wollte, daß er ein noch größe¬
rer Ironiker ist als ich. — Da ich Dich kenne, liebster Freund, so weiß ich
voulus. daß Du ganz bestimmt Dir einbildest, ich schreibe Dir weil ich die
Absicht hege einige Bücher herauszugeben (Plapperlotte wird es Dir wohl ge-


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[0195] München, Sylvesterabend 1827. Ich wünsche Dir ein gutes neu Jahr, ein besseres als das welches -im Begriff ist abzurollen. Ich wollte ich könnt mitrvllen in das ewige Nichts, denn ich bin sehr krank und schlechter Laune. — Du scheinst, wie ich aus meines Bruders Brief merke, durch mein kurzes Schreiben ungehalten zu sein! Du solltest wissen, daß ich, der ich den nöthig¬ sten und liebsten Freunden jahrelang nicht schreibe. nicht um Dich zu amusiren lange Briefe anfertigen kann. Wahrlich der Egoismus der Freundschaft ist unerträglicher als der der Feindschaft. Ich kann keine lange Briefe schreiben. Das Clima hier tödtet mich, sonst aber gefällt es mir gut. Bin gut be¬ wahrt. Der König ein netter Mensch. Liest mit Theilnahme die politischen Annalen, wie er sagt. In 8 Tagen erscheint das erste Heft der Annalen, herausgegeben von Heine und Lindner. Es ist ein kleiner Aufsatz drin von mir über Freiheit und Gleichheit. Trotz meiner Krankheit muß ich derart für die Annalen sorgen. Meine Finanzen sind zerrüttet, ich habe Schulden, will diesen Sommer wieder ins Bad. und wenn ich von Cotta, der reichlich für mich sorgt, so viel Geld nehme, muß ich auch etwas liefern. Drum soll in jedem Heft der Annalen wenigstens ein Paar Blätter aus meiner Feder kommen. Auch liegt viel Renommage zum Grund; ich zeige der Welt, daß ich etwas andres bin als unsre sonnettirenden Almanachspoeten. Lach Dich todt! eben kömmt ein Freund und bemerkt mir erst morgen sei Sylvesterabend! Und ich habe schon seit einer Stunde in den üblichen ernsten Jahresabschlußbctrachtungen gebrütet — und muß sie morgen nochmals wieder¬ holen. Dein Freund H. Heine. pkr ^äresse der Literarisch Artistischen Anstalt der I. G. Cottaschen Buchhand¬ lung in München. Theurer Freund und Gönner! Dieppe den 24. August 1832. Obgleich an einer lahmen und einer schwachen Hand leidend, bekomme us doch plötzlich den Drang Dir zu schreiben. Längst hatte ich dazu Lust, Zumal seit Dr. Chr. der Winden der Lüneburger Haide geworden ist. Das ist ein Spaß, womit mir der liebe Gott beweisen wollte, daß er ein noch größe¬ rer Ironiker ist als ich. — Da ich Dich kenne, liebster Freund, so weiß ich voulus. daß Du ganz bestimmt Dir einbildest, ich schreibe Dir weil ich die Absicht hege einige Bücher herauszugeben (Plapperlotte wird es Dir wohl ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/195>, abgerufen am 27.09.2024.