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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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schreibt einen ganz allerliebsten Briefstyl. Er könnte sich wahrhaftig seine
Reisebilder selbst schreiben; man darfs ihm nur nicht sagen, sonst werde ich
überflüssig. -- Hast Du nicht gehört ob der schwarze Ungchenkte noch viel über
mich herumgelogen? Ueberhaupt wäre es mir lieb wenn ich bestimmt wüßte
gegen welche Leute er gedroht hat mich prügeln zu lassen. Das ist mir sehr
wichtig; für die Folge denk daran. W. Ich unterstreiche selten.

Und nun lebe wohl, behalte mich lieb und sei überzeugt, daß mein Herz
Repressalien gegen Dich gebraucht.


Dein Freund
H. Heine.

Lüneburg, d. 16. Nov. 1826.


Lieber Freund!

Da ich so oft und viel und anhaltend an Dich denke so bin ich wahrlich
nicht im Stande zu sagen ob ich es bin an dem die Reihe des Schreibens ist,
oder ob sie an' Dir ist. Ich befinde mich größtentheils en misöre. Ich schreibe
wenig, aber das Wenige ist sehr gut, und wird Dir gefallen. Ich denke viel,
lese viel und es kann einst etwas aus mir werden. Unser Buch schreitet, wenn
auch etwas zu langsam doch immer vortrefflich fort, es soll viel Freude und
Angst machen. Du wirst sehen 1ö Mit bon luimmv vit ouccii'v. Napoleon
und die französische Revolution stehen darin in Lebensgröße. Ich lebe hier
ganz isolirt. -- Gestern erhielt ich einen Brief von Varnhagens; ich will den
Brief der Dame Dir anschicken, bitte ihn bei Leibe niemanden zu zeigen und
mir solchen gleich zurückzuschicken. Er bezieht sich hauptsächlich auf meinen
Brief, vorzüglich auf meinen Plan: nach Paris zu reisen und dort ein Euro¬
päisches Buch zu schreiben. Bon diesem Plan darf niemand etwas wissen. Ich
denke etwas besseres zu liefern als die Morgan, die Aufgabe ist nur solche
Interessen zu berühren die allgemein europäisch find. --

Gestern hab ich auch Müllners Schnöditätcn über meine Reisebilder im
Mitternachts-Blatt gelesen. Dieser Mann kann doch nur verleben, und hat
gewiß geglaubt mein Teufel bezöge sich auf ihn. Er sieht überall nur sich.
Einige Freunde dringen darauf, daß ich eine auserlesene Gedichtsammlung,
chronologisch geordnet und streng gewählt, herausgeben soll, und glauben, daß
sie ebenso populär wie die Bürgerscye, Göthesche, Uhlandsche u. s. w. werden
wird. Varnhagen giebt mir in dieser Hinsicht manche Regeln. Ich würde einen
Theil meiner ersten Gedichte ausnehmen, ich darf es rechtlich thun, da mir
Maurer keinen Pfennig Honorar, und zwar mit doloscr Umgehung, gegeben
hat -- ich nehme fast das ganze Intermezzo -- das könnte Dümmler mir
nicht verargen -- und dann die spätern Gedichte -- wenn Campe, von dem


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schreibt einen ganz allerliebsten Briefstyl. Er könnte sich wahrhaftig seine
Reisebilder selbst schreiben; man darfs ihm nur nicht sagen, sonst werde ich
überflüssig. — Hast Du nicht gehört ob der schwarze Ungchenkte noch viel über
mich herumgelogen? Ueberhaupt wäre es mir lieb wenn ich bestimmt wüßte
gegen welche Leute er gedroht hat mich prügeln zu lassen. Das ist mir sehr
wichtig; für die Folge denk daran. W. Ich unterstreiche selten.

Und nun lebe wohl, behalte mich lieb und sei überzeugt, daß mein Herz
Repressalien gegen Dich gebraucht.


Dein Freund
H. Heine.

Lüneburg, d. 16. Nov. 1826.


Lieber Freund!

Da ich so oft und viel und anhaltend an Dich denke so bin ich wahrlich
nicht im Stande zu sagen ob ich es bin an dem die Reihe des Schreibens ist,
oder ob sie an' Dir ist. Ich befinde mich größtentheils en misöre. Ich schreibe
wenig, aber das Wenige ist sehr gut, und wird Dir gefallen. Ich denke viel,
lese viel und es kann einst etwas aus mir werden. Unser Buch schreitet, wenn
auch etwas zu langsam doch immer vortrefflich fort, es soll viel Freude und
Angst machen. Du wirst sehen 1ö Mit bon luimmv vit ouccii'v. Napoleon
und die französische Revolution stehen darin in Lebensgröße. Ich lebe hier
ganz isolirt. — Gestern erhielt ich einen Brief von Varnhagens; ich will den
Brief der Dame Dir anschicken, bitte ihn bei Leibe niemanden zu zeigen und
mir solchen gleich zurückzuschicken. Er bezieht sich hauptsächlich auf meinen
Brief, vorzüglich auf meinen Plan: nach Paris zu reisen und dort ein Euro¬
päisches Buch zu schreiben. Bon diesem Plan darf niemand etwas wissen. Ich
denke etwas besseres zu liefern als die Morgan, die Aufgabe ist nur solche
Interessen zu berühren die allgemein europäisch find. —

Gestern hab ich auch Müllners Schnöditätcn über meine Reisebilder im
Mitternachts-Blatt gelesen. Dieser Mann kann doch nur verleben, und hat
gewiß geglaubt mein Teufel bezöge sich auf ihn. Er sieht überall nur sich.
Einige Freunde dringen darauf, daß ich eine auserlesene Gedichtsammlung,
chronologisch geordnet und streng gewählt, herausgeben soll, und glauben, daß
sie ebenso populär wie die Bürgerscye, Göthesche, Uhlandsche u. s. w. werden
wird. Varnhagen giebt mir in dieser Hinsicht manche Regeln. Ich würde einen
Theil meiner ersten Gedichte ausnehmen, ich darf es rechtlich thun, da mir
Maurer keinen Pfennig Honorar, und zwar mit doloscr Umgehung, gegeben
hat — ich nehme fast das ganze Intermezzo — das könnte Dümmler mir
nicht verargen — und dann die spätern Gedichte — wenn Campe, von dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/191>, abgerufen am 27.09.2024.